Im Namen des Wolfes (Die Chroniken von Sova 1)
- Piper
- Erschienen: Februar 2023
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Hör endlich auf zu heulen, Helena
Die neunzehnjährige Helena ist Schreiberin in den Diensten des Richters Vonvalt. Zusammen mit ihm und dem Vollstrecker Bressinger ziehen sie durch das Reich, klären Kriminalfälle auf und richten über die Angeklagten. Helena ist zwar hauptsächlich für den Papierkram verantwortlich, doch als die Gruppe in Galetal den Mord an der Frau eines einflussreichen Händlers aufklären soll, stellt sich heraus, dass dieser Fall weitere Kreise zieht, als anfangs gedacht. Helena wird gefordert wie nie und muss bald feststellen, dass nicht nur ihr Leben und das ihrer Freunde in ernster Gefahr ist, sondern auch die Ordnung des gesamten Reiches.
Noch nie war eine Ich-Erzählerin so fehlbesetzt
Politthriller und Detektivroman in einem, und das im Fantasy-Genre! Ein solcher Genre-Mix ist immer wieder erfrischend und die Grundidee von Richard Swan ist tatsächlich großartig. Die Erwartungen sind von Anfang an entsprechend hoch und zu Beginn scheint der Roman auch alles richtig zu machen. Die Stimmung ist düster, es gibt Hexen, Verschwörungen, verrückte Kleriker und einen magiebegabten Richter. Und dann gibt es noch Helena. Leider.
Helena berichtet uns als alte Frau von ihrem Leben und ihren Abenteuern mit Richter Vonvalt. Doch es wird schnell offensichtlich, dass sie meist nur eine stille Beobachterin in dieser dialoglastigen Geschichte ist. Helena hat zwar kaum eine eigene Meinung, liebt es jedoch, den Lesern Dinge zu erklären, die überhaupt nicht erklärt werden müssen. Über irgendwelche historischen Hintergründe oder Details zum Staatssystem weiß Helena eine ganze Menge – von Dramaturgie hat sie jedoch keine Ahnung. Nach dutzenden Seiten offenbart sich aber doch noch ihre Daseinsberechtigung. Während sie ihre Pubertät in merkwürdigen Gefühlsduseleien nachholt, darf sie auch bei der Aufklärung des Falls aktiv werden und den Schreibtisch verlassen. Dabei hat sie tatsächlich ab und zu tolle Einfälle. Das behaupten zumindest ihre Kollegen. Eigentlich ist sie nur gut darin, das Offensichtliche zur Sprache zu bringen, was uns Lesern dann als Geniestreich verkauft wird. Zudem wird immer wieder betont, dass Helena ihre Kindheit angeblich auf der Straße verbracht hätte, bevor Vonvalt sie aufgabelte. Trotzdem ist sie ein naives Heimchen, dem in jeglicher Situation die Tränen kommen und das immer einen Mann in der Nähe braucht, der ihr sagt, wo es langgeht. Anstrengend.
Mörder finden? Welt retten? Die große Liebe? Machen wir alles!
Die Geschichte an sich ist leider auch nicht so richtig spannend, was für eine Detektivgeschichte schon sehr traurig ist. Schließlich möchte man ja eigentlich unbedingt wissen, wer hinter dem Mord steckt. In diesem Fall jedoch nicht so sehr. Es gibt keine Überraschungen, keine falschen Fährten, es kommt alles immer genau so, wie es am Anfang vermutet wurde. Manche Entwicklungen werden zwar als krasse Wendungen dargestellt, verdienen den Namen aber bei weitem nicht. Bis zum Schluss wartet man auf einen Twist, der aber leider nie kommt.
Neben der Detektivgeschichte plätschert im Hintergrund noch ein von Intrigen getriebener politischer Plot vor sich hin; eindeutig Vorbereitungen auf die folgenden Bände und der Kitt, der die Gesamthandlung zusammenhalten soll. Trotzdem scheint sich Richard Swan oft nicht sicher zu sein, was er eigentlich erzählen möchte: Geht es nun um die Aufklärung des Falls oder die Rettung der Welt? Geht es um Vonvalt und seine (immer merkwürdiger werdende) Beziehung zu Helena? Geht es um Helenas komische Gefühle, deren Entwicklungen in meinem Kopf irgendwann ein wehklagendes „neinneinnein“ ausgelöst haben? Oder geht es um Charakterentwicklung und die Veränderung von Wertvorstellungen? Auf jeden Fall haben wir hier eine ganze Menge an thematischen Baustellen, um die sich aber leider nur sehr oberflächlich gekümmert wird. Es ist fast so, als ob der Autor immer mal wieder einen Geistesblitz gehabt hätte und diesen spontan in die Geschichte einbauen musste, egal ob es nun passt oder nicht.
Fazit:
Träge Protagonistin ermittelt in einem geradlinigen Mordfall ohne Überraschungen. Zumindest bahnt sich eine epische Geschichte an, die die Dramaturgie der nächsten Bände aufwerten könnte. Die Idee, einen Richter und seine Gehilfen ins Zentrum des Geschehens zu stellen, ist jedoch super.
Richard Swan, Piper
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