This Charming Man (The Stranger Times 2)
- Eichborn
- Erschienen: September 2022
- 7
Eilmeldung: Vampire in Manchester!
Immer für eine Schlagzeile gut
Hereinspaziert! Die schräge Belegschaft der wohl verrücktesten Zeitung der Welt öffnet erneut die Türen zu ihren Redaktionsräumen. Dort, wo Wahnsinn regiert und Realität und Fiktion Hand in Hand gehen, fand Hannah Willis vor nicht allzu langer Zeit nicht nur unverhofft Arbeit, sondern auch Freunde fürs Leben. Eigentlich wollte sie ein fast verschlafenes Vorstellungsgespräch nur schnell hinter sich bringen, doch mit Dienstbeginn änderte sich gleich ihr ganzes Leben schlagartig. Die skurrile Gaga-Zeitung, in der über Begegnungen mit Aliens oder den Yeti berichtet wird, entpuppte sich als durchaus wahre Informationsquelle für eine ganz besondere Zielgruppe.
Team-Splitting
Vampire? In Manchester? Unmöglich! Das denkt vermutlich jeder rational denkende Mensch, und selbst Dr. Carter, welche offiziell als Anwältin der dubiosen Stranger Times in Erscheinung tritt, in Wahrheit aber der unsterblichen Vereinigung der sogenannten Begründer unterstellt ist, muss den Tatsachen eher besorgt ins Auge sehen, als sie Banecroft und seine Stellvertreterin Hannah mit einem neuen Auftrag betraut. In der Nacht zuvor hatte sich ein Mann unvermittelt vor einen LKW geworfen. In einem Land, in dem Fish ’n’ Chips als Nationalgericht gelten, sollte dies nicht großartig verwundern, doch der Leichnam wies Merkmale auf, die aufhorchen ließen. Extrem blasse Haut, überentwickelte Eckzähne und lange Fingernägel. Nein, nicht Liam Gallagher… vermutlich viel schlimmer. Um das angespannte Verhältnis mit dem konkurrierenden Altvolk nicht noch mehr zu belasten, soll der dem Alk nicht abgeneigte, schmierlappige Banecroft ermitteln. Im Gegenzug verlangt er aber, dass Dr. Carters Organisation vergisst, dass Praktikantin Stella über schwer einzuschätzende, jedoch sehr mächtige Fähigkeiten verfügt. Auf sein Team lässt Banecroft nämlich nichts kommen, so verlottert und abgebrüht er auch sein mag. Hannah und ihr Kollege Reggie werden auf den vermeintlichen Vampir-Fall angesetzt.
Währenddessen machen Banecroft und Ox sich auf, um einen von Banecrofts früheren Weggefährten zu rekrutieren. In den heiligen Hallen der alten Kirche, wo die Stranger Times beheimatet ist, ist der Chef nämlich auf Beunruhigendes gestoßen: Während Hannahs Urlaub waren dort die Handwerker mächtig am Wirbeln, da die sanitären Anlagen mehr als zu wünschen übrigließen. Nachdem der Chef sie nach einem Streit gefeuert hat, stieß er auf einen frisch angelegten Tunnel, welcher von außen geradewegs ins Badezimmer führt. Außerdem war dort eine Kamera angebracht. Banecroft vermutet, dass Stella nach den jüngsten Ereignissen (siehe Band 1) ins Visier unbekannter Feinde geraten ist und entführt werden soll. So haben wir ja nicht gewettet! Banecroft is not amused… und es ist Zeit, mal ein wenig im Dreck zu stochern. Stanley Roker ist dafür genau der richtige Mann… und der arme Ox der passende Gegenpol.
Gelungene Fortsetzung?
„The Stranger Times“, also Band 1 der Reihe, sollte unbedingt vorher gelesen werden. Die Vampir-Handlung von „This Charming Man“ ist zwar in sich abgeschlossen, jedoch entwickeln die Figuren sich weiter und es gibt weiterhin viele offene Fragen zu ihnen, die noch beantwortet werden wollen. Da setzt der zweite Band natürlich ebenfalls an und es spinnen sich weitere Mysterien, deren jeweiliger Ausgang noch im Schatten liegt. Im Vorgänger wurden die Figuren bereits perfekt und mit bleibenden Eindrücken eingeführt, weshalb die Fortsetzung wichtige Merkmale nur noch am Rande wiederholt. Deshalb dauert es für Kenner der Hauptcharaktere auch nicht allzu lange, bis man mit allen wieder per du ist. Neueinsteiger wären aber angeschi… ich meine aufgeschmissen.
Und das Wiedersehen ist durchaus freudig, denn selbst den cholerischen Chef Vincent Banecroft hat man mit seiner rüden Art und den fragwürdigen Fluch-Tiraden irgendwie ins Herz geschlossen. Es vergeht auch kaum Zeit, bis der wieder aus allen Rohren feuert. Natürlich erneut zum Leidwesen von Grace, der guten Seele des Abbruch-Hauses. Neben der liebgewonnenen Stammbesetzung, inmitten derer die leiderprobte Hannah noch die Normalste ist, schaffen es aber auch ein paar Charaktere ins Buch, die wir bisher nicht kennengelernt haben. So zum Beispiel Stanley Roker. Ein schmieriger Sensations-Journalist, dessen Frau ihn achtkantig vor die Tür gesetzt hat. Er und Banecroft haben eine gemeinsame Vergangenheit, die für einen von beiden nicht optimal endete. Naja, eigentlich haben beide vom Leben die Arschkarte auf die Stirn geklatscht bekommen. Autor C. K. McDonnell lässt in seinem „Stranger Times“-Podcast ausgesuchte Gäste jeweils eine seiner Kurzgeschichten vortragen, von denen sich eine auch mit Stanleys Vergangenheit befasst. Eine durchaus nette Ergänzung für das wachsende „Stranger Times“-Universum. Des Weiteren lernen wir den auf einem Boot ansässigen Informanten Cogs kennen, der durch einen Fluch nur die Wahrheit sagen kann. Klingt strange? Dann kennt ihr seinen Begleiter Zeke noch nicht… eine sprechende Bulldogge. Und damit ist das Ende der Kuriositäten-Parade noch lange nicht erreicht.
Der Titel „This Charming Man“ bezieht sich auf den Titel der zweiten Single der englischen Band The Smiths aus dem Jahr 1983. C. K. McDonnell ist ein Freund der einflussreichen Indie-Rock-Pioniere, die passenderweise aus Manchester stammen, wo auch die Roman-Reihe des Iren (gebürtig aus Limerick im Süden der Republik) angesiedelt ist. Zum Start der englischsprachigen Ausgabe verriet McDonnell außerdem, dass alle weiteren Titel der Reihe nach Songtiteln mit Manchester-Bezug benannt werden sollen. Da hat er nicht gelogen, denn der dritte Band, der in Originalsprache bereits am 9. Februar 2023 erscheint, hört auf den Namen „Love Will Tear Us Apart“. Dieser Song stammt von der Post-Punk-/Dark-Wave-Band Joy Division, und der Titel wurde sogar in den Grabstein des 1980 verstorbenen Sängers Ian Curtis gemeißelt. Und nun ratet mal, aus welcher Stadt im Nordwesten Englands die Band ursprünglich stammt?
Um die Eingangsfrage dieses Absatzes aber klipp und klar zu beantworten: Ja, „This Charming Man“ ist durchaus eine würdige Fortsetzung, die dem grandiosen Vorgänger (unser „Buch des Jahres“ 2021!) kaum nachsteht. Die letzten Worte erläutern den geringfügigen Abzug in der B-Note.
Fazit:
Hier und da hat „This Charming Man“ mit ein paar Längen zu kämpfen. Außerdem fehlt ein wenig die Gruppendynamik, denn es war vor allem das Redaktionsteam als Gemeinschaft, welches den Vorgänger so ziemlich perfekt machte. C. K. McDonnell gelingt es - trotz weniger Abstriche - aber erneut, seine Leserschaft mit schwarzem Humor, kernigen Wortgefechten und einer gehörigen Portion „Charme“ auf seine Seite zu ziehen. Urkomische Urban-Fantasy mit britischem Krimi-Flair und einem ordentlichen Schluck Wahnsinn. Cheers!
C. K. McDonnell, Eichborn
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