The Other Emily - Die Doppelgängerin
- Festa
- Erschienen: Juli 2022
- 1
Pageturner mit Showdown-Schwächen
Leichen im Keller
Vor zehn Jahren verlor der Schriftsteller David Thorne seine große Liebe. In einer tiefschwarzen Nacht, der schwärzesten, die David je erlebt hatte, verschwand Emily Carlino spurlos. Ihr Auto blieb auf einem einsamen Highway liegen. Dort wurde sie von der Finsternis verschluckt. Eine Leiche wurde nie gefunden, was es für den ehemaligen Bestseller-Autoren unmöglich macht, einen Abschluss zu finden. Die Unwissenheit nagt an ihm, zerstörerisch und schmerzhaft.
Als der gefährliche Psychopath Ronnie Lee Jessup festgenommen wurde, drängte sich der Verdacht auf, dass Emily ihm ebenfalls zum Opfer gefallen sein könnte. Die Gegend, in der sie verschwand, deckt sich mit Jessups ehemaligem Jagdrevier. Und Emily hätte perfekt in sein Beuteschema gepasst. Jung, hübsch… und wert, ihre Schönheit für immer zu erhalten. So ging Jessup vor: er entführte Frauen, sperrte sie in sein unterirdisches Labyrinth, bestehend aus verschiedenen Zellen - seinen „Spielzimmern“ -, vergewaltigte sie, misshandelte sie psychisch und physisch, bevor er sie mit Konservierungsmitteln behandelte und schließlich mumifizierte. Er war so wahnsinnig, dass er noch immer denkt, dass seine Traumfrauen auf ihn warten, um durch seine Hand wiedererweckt zu werden. Ganze siebenundzwanzigmal schlug er zu. Vierzehn Leichen konnten bislang nicht aufgefunden werden. Vierzehn Leichen, von denen nur Ronnie Lee Jessup weiß, wo sie sich befinden… und welche Namen sie tragen. Oh nein, so leicht teilt er sein Geheimnis nicht. Sollte Gott mal einen schlechten und der Teufel einen besonders guten Tag haben, will es das Schicksal womöglich, dass er doch noch irgendwann das Tageslicht wiedersieht. Dann sollen seine Engel nur ihm gehören. Ihm ganz allein.
Unter dem Vorwand, ein Buch über den Serienmörder mit seiner schrägen Gefühlswelt zu schreiben, hat sich David Thorne Stück für Stück in das Leben Jessups geschlichen. In regelmäßigen Abständen sucht er ihn in der Haftanstalt auf, überweist ihm sogar monatlich Geld, um ihm vorsichtig Informationen zu entlocken. Sollte Emily Carlino unter den vierzehn verschwundenen Leichen sein, muss er es wissen.
Um Davids eigene Gefühlswelt letztendlich komplett auf den Kopf zu stellen, reicht dann ein einfacher Restaurantbesuch. Er war schon öfter in dem schicken Schuppen, doch als er dort in die Augen einer vermeintlich Fremden blickt, trifft ihn fast der Schlag. Emily? Nein, das kann nicht… oder doch? Sie sagt, ihr Name sei Maddison. Maddison Sutton. Doch sieht wie eine perfekte Doppelgängerin von Emily aus. In dem Alter, als sie urplötzlich verschwand. Sie behauptet zwar, Emily nicht zu kennen, doch es sind winzige Kleinigkeiten, die David dennoch glauben lassen, dass seine verlorene Liebe lebendig vor ihm steht.
Er hat keine Wahl. Will er nicht komplett den Verstand verlieren, muss er das Mysterium um die Doppelgängerin lüften. Er erhöht den Druck auf Jessup und setzt alle Hebel in Bewegung, um hinter Emilys Geheimnis… hinter Maddisons Geheimnis zu kommen. Egal, ob es ihn letztendlich zerstört.
Ist sie’s oder ist sie’s nicht?
Keine Frage, dieser Plot hat Pageturner-Potenzial. Als neugieriger Leser rast man förmlich durch das Buch, möchte ihm doch mit jedem Kapitel neue Anhaltspunkte entlocken. Ebenso wie David Thorne wollen wir den Schleier lüften, uns dem erhellenden Kern Schicht um Schicht nähern. Dean Koontz versteht es, sein Publikum in einer fast schon Noir-artigen Atmosphäre bei Laune zu halten. Er mixt Mystery-, Thriller- und Lovestory-Elemente zu einem süffigen Cocktail, nach dessen Genuss man gleich die nächste Runde bestellen möchte. Koontz‘ flüssiger Schreibstil und die kurzen Kapitel sind es, die uns immer wieder denken lassen „Och, komm… einer geht noch“. Und so kommt man dem unausweichlichen Finale rasch näher, welches… tja, welches dann leider in einem Weird-Science-Erguss gipfelt, den man mögen KANN, aber nicht MUSS. So fragte ich mich während der letzten Seiten, ob ich nun enttäuscht, überrascht oder unbefriedigt sein sollte. Und ehrlich gesagt… ich weiß es nicht genau. Ich kann auch nicht sagen, welche Erwartungshaltung ich an das Ende hatte, da mir schlichtweg die Vorstellungskraft fehlte, wie der mysteriöse Fall irgendwie logisch aufgeklärt werden sollte. Ob dies Koontz bei seiner - durchaus reißerischen - Grundidee von Anfang an klar war, möchte ich nicht eindeutig beantworten wollen. Vermutlich aber nicht.
Fazit:
Mit der Richtung, die Dean Koontz mit seiner Auflösung einschlägt, bin ich nicht hundertprozentig glücklich. Entgegen dem stimmigen Verlauf der Story, driftet sie dann doch zu sehr in kitschig-trashige Sphären ab. Trotzdem kann ich nicht sagen, dass ich keine gute Zeit mit dem schicken Buch gehabt hätte. Der Dämpfer kam ja erst zum Schluss.
Dean Koontz, Festa
Deine Meinung zu »The Other Emily - Die Doppelgängerin«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!