Der Blob - Schrecken ohne Gestalt

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: November 1988
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Der Blob - Schrecken ohne Gestalt
Der Blob - Schrecken ohne Gestalt
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Michael Drewniok
50°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2022

Kein fester Körper, kein Hirn - nur Hunger

Aus dem Weltall und scheinbar aus einem fremden Sonnensystem kommt der ‚Meteorit“, der in einer Sommernacht nahe Morgan City im US-Staat Colorado auf den Erdboden prallt. Der örtliche Sonderling „Dosen-Jimmy“ Nick ist zuerst an der Aufschlagstelle, wo in einem Riss etwas sonderbar blubbert. Jimmy stochert mit einem Ast darin herum - und hat den Blob geweckt, eine amöbenhafte Kreatur, die nur eine Empfindung kennt: Hunger!

Der Blob springt den armen Jimmy an und breitet sich über seine Hand aus, die sich rasch auflöst und absorbiert wird. Voller Schreck und Schmerz flüchtet Jimmy durch den Wald, taumelt über eine Straße und wird dort vom Teenie-Pärchen Paul Tyler und Meg Penny angefahren. Brian Flagg, der örtliche ‚bad boy“ - eigentlich ein Guter, den nur keiner wirklich versteht - erscheint und hilft dabei, Jimmy ins Krankenhaus zu fahren, wo der Blob wenig später erst Jimmy endgültig erledigt und dann Paul schnappt.

Das seltsame Wesen wird immer größer, je mehr Pechvögel es frisst. Selbstverständlich verstehen die Bürger von Morgan City und vor allem Sheriff Herb Geller nur Bahnhof; als Mordverdächtiger landet Brian erst einmal im Gefängnis. Bis er wieder frei ist, hat sich der Blob in den Abwasserkanälen der Stadt eingenistet, wo er durch Abflüsse oder Kanalschächte nach neuen Opfern langt.

Meg und Brian tun sich zusammen. Sie wollen nicht nur die Bürger warnen, sondern die Außenwelt alarmieren. Doch Morgan City ist abgeriegelt: Der zwielichtige Dr. Timble und ein Trupp Soldaten legen großen Wert auf den Fang des Blobs, wollen aber jegliche Zeugen ihres Tuns beseitigen. Dies hat seinen Grund, wie Meg und Brian zufällig erfahren. Sie kehren in die Stadt zurück, um ihre Mitbürger zu warnen. Dort tobt der inzwischen gewaltig angeschwollene Blob. Zwar entdecken Meg und Brian seine Achillesferse, doch werden sie ihr Wissen umsetzen können, bevor Timble und seine Schergen - oder natürlich der Blob - sie erwischen …?

Schon mal dagewesen

Der Blob stellte keine gruselliterarische Schöpfung dar, sondern entfaltete sich im Film. Er war schon zweimal über US-Kleinstädte gekommen, bevor er 1988 in grandioser Scheußlichkeit zurückkehrte. Vor allem 1958 hatte er für Aufsehen gesorgt. Irvin S. Yeaworth (1926-2004), der als Regisseur nur dank dieses Streifens in die Filmgeschichte einging, sorgte mit einer wüsten Mischung aus bierernstem Moralismus und Trash vom (unfreiwillig) Feinsten für einen Klassiker des Horrorfilms.

Dieser Blob war tricktechnisch eher lachhaft umgesetzt. Dennoch bewies er Dynamik und Kraft als Monster, das zum Mythos aufstieg, obwohl es weder Gestalt noch Geist besaß. Der Blob wirkte gerade durch das simple bzw. leicht verständliche, angsteinflößende Konzept. Hier stand man keinem heimtückischen, finster planenden ‚Feind‘ gegenüber, sondern einem Raubtier, das einfach seinen Hunger stillen wollte. Der Blob war nicht ‚böse‘, was ihn natürlich nicht davor bewahrte, bekämpft und letztlich ausgeschaltet zu werden.

Vernichten konnte ihn allerdings selbst die ansonsten gegen Riesenameisen („Them“, 1954; dt. „Formicula“), Gigant-Taranteln („Tarantula“; 1955) oder Außerirdische („Earth vs. the Flying Saucers“, 1956; dt. „Fliegende Untertassen greifen an“) siegreiche US-Army/Airforce/Navy nicht, weshalb der final ausgeknockte Blob zum Nordpol transportiert wurde. „So lange die Arktis gefroren bleibt, sind wir außer Gefahr“, lautete 1958 der (vor dem Klimawandel) beruhigende Schlusssatz. Tatsächlich ruhte der Weltraum-Pudding dort gut gekühlt, bis ihn 1972 ausgerechnet Larry Hagman, der „J. R. Ewing“ aus der TV-Seifenoper „Dallas“, in seinem einzigen Spielfilm „Beware! The Blob“ befreite und komödienhaft sowie sogar noch trashiger durch Los Angeles toben ließ.

Da ist er wieder!

Neue Ideen sind ein rares Gut in Hollywood; außerdem gelten sie als Risiko. Gern greift man deshalb auf Storys zurück, die ihre Publikumstauglichkeit bereits unter Beweis gestellt haben. Im phantastischen Film ist der Hang (oder Zwang) zur Neuverfilmung besonders stark ausgeprägt. Primär sorgt der ständige Fortschritt der Tricktechnik für die Rechtfertigung: Was einst umständlich und nur in zeitgenössischen Augen ‚gruselig‘ wirkte, kann nun wesentlich überzeugender entfesselt werden.

Natürlich erinnerte man sich irgendwann an die Riesen-Amöbe. 1988 setzte Chuck Russell ein schlicht „The Blob“ betiteltes Remake in Szene, das beide Vorgängerfilme inhaltlich wie formal weit in den Schatten stellte. Ein junger Kevin Dillon und eine noch jüngere Shawnee Smith („Saw“ I, II, III, VI) gaben in den Hauptrollen ein überzeugendes Teenager-Paar ab, das nicht nur gegen den Blob, sondern auch gegen mordlustige „Black-Ops“-Mordbuben, verständnislose Eltern, Gesetzeshüter u. a. Als-ob-Respektspersonen bestehen müssen: „The Blob“ richtete sich an ein jugendliches Publikum mit (vermeintlich) ähnlichen Problemen, denn so definiert/e Hollywood Identifikationsfiguren im Teenie-Alter, was durch Stotter-Liebe sowie stumpfsinnige Geilheit abgerundet wird, die zuverlässig der Blob ‚bestraft‘.

Die soliden, noch ‚handgemachten‘ Tricks sowie ein ruppiger, oft schwarzer Humor haben diesen Film zu Recht zu einem Genre-Klassiker geadelt. Ein stattliches Budget ließ ein B-Movie mit A-Schauwerten entstehen, die drastisch dem zeitgenössischen „Body Horror“ huldigten. Um das dennoch vorhandene Risiko eines nicht interessierten Publikums zu mildern, wurde zusätzlich ein „Buch zum Film“ geordert. Das Merchandising als Geldquelle, deren Schüttkraft mit dem eigentlichen Film mithalten kann, steckte damals noch in den Kinderschuhen, das Internet existierte nicht.

Das „Buch zum Film“ - ein paar Dollar mehr

Der Blob ist die Hauptattraktion, sein körperzerfressendes Wüten prägt das Geschehen. Das Drehbuch stellt es in den Vordergrund, und je weiter wir uns dem Finale nähern, desto mehr bestimmt ‚Action‘ die Handlung. Für eine ‚literarische‘ Umsetzung war (und ist) dies keine ideale Voraussetzung. Dies galt erst recht, weil der Auftrag für den „Roman zum Film“ - ein „tie-in“ - an David Bischoff ging.

Bischoff (1951-2018) begann 1975 erst Kurzgeschichten und Romane zu veröffentlichen, während er für den TV-Sender NBC arbeitete und Drehbücher für Serien wie „Space Cops“ und „Star Trek - The Next Generation“ verfasste. Zwar wurde er 1976 für einen „Nebula Award“ nominiert, doch ansonsten blieb er als Schriftsteller eher unauffällig und reihte sich in der Heer jener Schreiber ein, die sich als Handwerker verstehen und schlichtes Lesefutter für ebensolche Leser produzieren, die unterhalten werden wollen, ohne dabei nachdenken zu müssen. Als „prose mechanic“ war Bischoff ein guter Kandidat für den „Roman zum Film“, der vor allem pünktlich zum Kinostart vorliegen musste. Er verfasste u. a. „tie-ins“ für „Wargames“ (1983; dt. „Kriegsspiele“) und „Gremlins 2“ (1988) - und für „The Blob“.

Man kann Bischoff nicht hauptverantwortlich für eine Story machen, die sich zumindest gelesen als endlose Folge altbärtiger Horrorfilm-Klischees entlarvt. Der Autor gibt sein Bestes, dem Drehbuch ein wenig Fleisch auf die Rippen zu zaubern, bemüht sich beispielsweise um biografischen Background, wenn er die Hauptfiguren einführt. Leider wird deutlich, dass die Story solchen Aufwand nicht benötigt. Den Lesern bringt das Wissen um faktisch unwichtige Vorgeschichten wenig. Immerhin glättet Bischoff Drehbuchsprünge und füllt Lücken, weshalb die ‚blobfreien‘ Sequenzen einen leidlich stringenten Handlungsstrang ergeben. Für einen Mehrwert sorgen diverse Fotos aus dem Film, wobei allerdings auffällt, dass die spektakulären Szenen ausgespart bleiben - um sie zu sehen, sollte der Leser gefälligst eine Kinokarte lösen.

Fazit:

Typischer „Roman zum Film“, der ein auf Schauwerte gründendes Drehbuch in eine lesbare Geschichte umwandeln soll; das Ergebnis ist Horror-Routine, die ein weder inspirierter noch talentierter Autor möglichst schnell und kostengünstig zum Filmstart vorlegen konnte.

Der Blob - Schrecken ohne Gestalt

David Bischoff, Bastei-Lübbe

Der Blob - Schrecken ohne Gestalt

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