Verderben - Kinder des Zorns
- Piper
- Erschienen: Juli 2022
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Auf der Jagd / Auf der Flucht
Zugriff!
Charmant ist er ja schon irgendwie. Groß, gut gebaut, selbstbewusst und äußerst charismatisch. Allerdings auch äußerst kriminell. Die Rede ist von Maxim Kutzow, einer Größe im Rotlicht- und Drogenmilieu. Hauptkommissarin Conny Fesser hat sich dicht an seine Fersen geheftet und startet undercover eine Charme-Offensive, um die Aufmerksamkeit des Ukrainers auf sich zu ziehen. Auf einer Vernissage, die mehr kriminelle Energie zu bieten hat als Bilder an den Wänden hängen, kommt sie ihm geschickt näher. Doch gleichzeitig ist sie schockiert, dass sich dort aufreizend gekleidete „Damen“ rumtreiben, die auf einer Schulbank deutlich besser aufgehoben wären. Vor allem springt ihr das Mädchen Nadeshda ins Auge, welches unter dem persönlichen Schutz Kutzows zu stehen scheint. Wenn zu seiner langen Liste an Straftaten nun auch noch Kindesmissbrauch oder Mädchen-Handel hinzukommt, ist Eile geboten. Gerade als Connys Tarnung verpufft und die Lage brenzlig wird, erfolgt der Zugriff.
Conny, die mit ihrem Vorgesetzten Eichholz eh schon auf Kriegsfuß steht, übersteht den Einsatz mit einigen Blessuren. Die äußeren Verletzungen sollten im Vergleich mit ihren seelischen Wunden recht schnell verheilen, muss die Hauptkommissarin doch in regelmäßigen Abständen noch immer den Polizeipsychologen aufsuchen. Grund dafür ist ein lang zurückliegender Fall, den Conny beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. Sie brachte einen Serienkiller zur Strecke, der auf Grund seiner blutigen Vorgehensweise von der Presse nur „der Vampir“ genannt wurde. Sie tötete ihn… was Spuren hinterlassen hat.
Der mittlerweile festgenommene Kutzow verlangt ausdrücklich nach Conny, bevor das Verhör beginnt. Sie soll anwesend sein, denn die in Obhut genommene Nadeshda schwebt nach seinen Aussagen in großer Gefahr. Aus dem Mädchen, das angeblich die Tochter eines einflussreichen und extrem gefährlichen Mannes ist, ist aber nichts rauszukriegen. Sie schweigt und ist alles andere als kooperativ. Kurzzeitig wurde Nadeshda in einer Einrichtung der Jugendhilfe untergebracht. Der Ukrainer bittet Conny, Nadeshda zu beschützen, da man ihr spätestens nach ihrem anstehenden Geburtstag nach dem Leben trachten werde. Es mag komisch klingen, aber Conny glaubt ihm...
Atemlos
Den Trip nach Sankt Petersburg hatten sich die Freunde Marc, Alex und Ben wahrlich anders vorgestellt. Eigentlich wollte Marc dort seine große Liebe Jelena und deren kleine Tochter Nina treffen. Hals über Kopf hatte er sich in die Russin verliebt, obwohl das Kennenlernen über eine Internetseite für Heiratsvermittlung alle Alarmglocken hätte schrillen lassen müssen. Doch beim Videochat mit der hübschen Jelena war es derart um ihn geschehen, dass er sogar schon Rückflugtickets für seine Zukünftige samt Kind im Gepäck hat. Doch bevor daran gedacht werden kann, muss erstmal diese Nacht lebend überstanden werden. Ben hatte von einem Straßendealer Gras gekauft, was nicht unbemerkt blieb. Mit der Polizei an den Hacken, geht es für die drei Freunde in ein atemloses Katz-und-Maus-Spiel. Vom Verbarrikadieren in vermeintlichen Sackgassen bis in die Metro, tief unter die Metropole, schleichen sie durch labyrinthartige Gänge und Tunnel. Dabei handeln sie sich gleich noch ein paar neue Verfolger ein, denn unter der Stadt leben verborgen vom oberirdischen Tumult Menschen. Und das Aufeinandertreffen mit diesen bleibt nicht ohne Folgen…
1-3-5-7… / 2-4-6-8…
Wolfgang Hohlbein, Bestseller-Autor Genre-übergreifender Bücher seit den frühen 80er-Jahren, erzählt in „Verderben - Kinder des Zorns“ in konstantem Wechsel zwei unterschiedliche Handlungsstränge. Lange fragt man sich, wie diese zusammenlaufen mögen, denn je tiefer man eintaucht, umso mehr scheinen sich die Pfade voneinander zu entfernen. Und dann, gerade als man daran zu zweifeln beginnt, wie um Himmels Willen noch eine Brücke geschlagen werden kann, überrascht Hohlbein derart, dass einem die Kinnlade aufs Buch scheppert. Da kommt seine Erfahrung des Geschichtenerzählens mit voller Stärke durch. Allerdings ist im späteren Verlauf Aufmerksamkeit gefragt, da der Kapitel-Wechsel zunehmend unübersichtlich wird.
Direkt vor „Verderben“ las ich das Erstlingswerk einer Autorin, welches allein vom Schreibstil einige Ligen unter Wolfgang Hohlbeins aktuellem Werk rangiert. Erzählerisch spielt er auf einem ganz anderen Level, was sich in erzählerischer Tiefe, Satzbau und bildhaften Beschreibungen wiederspiegelt. Das Tempo zieht in den richtigen Momenten an und die Action ist filmreif geschrieben. Allein durch die Tatsache, dass die beiden Handlungen auf einem gänzlich unterschiedlichen Tempo starten (und sich in ganz eigene Richtungen inklusive Genre-Spagat entwickeln) sorgt für Abwechslung und hält die Spannung oben.
Phantastische Elemente treten nur vereinzelt am Rande auf, womit „Verderben - Kinder des Zorns“ eher im Genre der Mystery-Thriller zu verorten ist. Rätselhafte Spannung gibt es allemal und Hohlbein lässt es sich nicht nehmen, Bezüge zum aktuellen Weltgeschehen aufzugreifen. Da auch immer wieder auf Conny Fessers Vergangenheit eingegangen wird, trügt der Anschein nicht, dass Wolfgang Hohlbein sich ihrer Figur schon einmal gewidmet hat. 2007 verarbeitete er den in „Verderben“ oft zitierten Fall um den blutdürstigen „Vampir“ im Roman „Unheil“ (PIPER).
Fazit:
Rasanter Thrill, packendes Survival-Drama, Mystery-Krimi mit Phantastik-Einschlag, eine Bonny-&-Clyde-Love-Story… all das bekommt man auf den mehr als 600 Seiten von „Verderben - Kinder des Zorns“ geboten. Erzählerisch stark und filmreif geschrieben. Dazu Wendungen, die man nur mit einer Glaskugel vorhersehen kann.
Wolfgang Hohlbein, Piper
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