Das Kaufhaus der Träume
- Golkonda
- Erschienen: Juni 2022
- 1
Schlafenszeit!
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Wie schön erholt man doch nach einem gepfefferten Nickerchen sein kann. Oder nach einem wohlig langen Ausschlafen am Wochenende. Dafür mögen unsere Träume verantwortlich sein. Jedenfalls wenn es gut läuft…, denn steuern, ob wir nun entspannt durch unverdaute Hirnergüsse gleiten oder klatschnass aus einem wilden Horrortrip hochschrecken, können wir unsere nächtlichen Ausflüge nicht. Um auf Nummer sicher zu gehen, böte sich ein kleiner Shoppingtrip ins Kaufhaus der Träume an. Also… Augen zu und durch!
Um dorthin zu gelangen, ist ein leichter Schlaf nämlich unumgänglich. Das Kaufhaus von Dallergut steht in einem wundersamen Dorf, welches man nur im Traum erreicht. Auf gleich mehreren Etagen lassen sich dort Träume aller Art finden. Entweder von der Stange oder speziell von Traum-Produzenten designt, welche gefeiert werden wie Rockstars (bzw. TikTok-Seppel ohne musikalische Kenntnisse, dafür mit viel Langeweile… anderes Thema). Auf dem Weg ins Kaufhaus befindet sich auch Penny. Allerdings nicht auf der Suche nach einer erfüllten Unterbewusstseinsbeschäftigung für die Nacht, sondern zu einem Vorstellungsgespräch. Sie möchte sich nämlich ihren ganz eigenen Traum erfüllen und in Dallerguts heiligen Hallen arbeiten.
Dallergut entpuppt sich als sehr angenehmer Zeitgenosse und empfängt Penny mit offenen Armen. Er schickt sie einmal quer durch alle Abteilungen, wo sie auf den verschiedenen Etagen rein- und die jeweiligen Abteilungsleiter beschnuppern kann. Danach soll sie ihre Entscheidung treffen. Jedoch fällt Penny die Wahl zwischen streng-akribischen und extrem spleenigen Vorgesetzten schwer, weshalb es sich als Glücksfall erweist, dass Weather, die Rezeptionistin, noch Verstärkung im Erdgeschoss sucht. So wird Penny im Kaufhaus der Träume angelernt, darf interessante Persönlichkeiten kennenlernen und die zahlreichen menschlichen und tierischen Kunden in Empfang nehmen. Träumen tut schließlich jeder. Und dabei ist es interessant, für welche Art eines Traumes sich jeder einzelne von ihnen entscheidet. Neben den unterschiedlichen Aufgaben, bei denen wir Penny neugierig über die Schulter schauen, dürfen wir auch ein paar Blicke in die Leben und Träume ausgesuchter Kunden werfen. Herzenswünsche, Sehnsüchte, traurige Abschiede… in Dallerguts Fundgrube herrscht die freie Auswahl. Und sollte mal etwas nicht auf Lager sein, versuchen wiiiiir es wiiiiiiieder, so lang man Träume noch leeeeben kann (die Älteren werden sich erinnern).
Irgendwas fehlt…
Dafür, dass es um (möglichst schöne) Träume geht, hat mir das Buch ein, zwei schlaflose Nächte beschert. Man kann der Autorin Lee Mi-ye zwar nicht Ideenlosigkeit vorwerfen, denn ihre Kreativität ist schier unerschöpflich, aber richtig packen konnte mich die Geschichte nicht. Weder unsere Hauptfigur Penny, von der wir so ziemlich nichts erfahren, noch die einzelnen, in die Kerngeschichte eingeflochtenen Abstecher in die Träume einzelner Personen. Deren Abschnitte sind nicht tiefgründig genug, um auf emotionaler Ebene zu wirken. So manches Schicksal ist zwar tragisch, keine Frage, jedoch blieben mir die Menschen hinter den Schicksalsschlägen fremd. Sie erschienen austauschbar und x-beliebig. Das ist schade, denn wenn die Autorin (bzw. Weather uns und der neuen Mitarbeiterin Penny) ausführlich erklärt wie das Kaufhaus der Träume strukturiert ist, wie Künstler Träume produzieren und mit welchen Problemchen so ein gut besuchter Ort zu kämpfen hat, ist das durchaus interessant. Welche Arten von Träumen es gibt oder wie die Bezahlung der Kunden vonstattengeht, hat die Autorin ebenfalls wunderbar gelöst. Das größte Problem ist aber, dass es keine Spannungskurve gibt. Es ist einfach ein Hangeln von Episode zu Episode, umrahmt von Pennys erstem Arbeitsjahr. Das lässt sich flott herunterlesen, da das Buch mit seinen knapp 280 Seiten auch recht überschaubar ist, führt nur leider ins Leere.
Ein weiteres Problem hatte ich mit dem Schreibstil. Dieser ist schon sehr einfach, was entweder an der Unerfahrenheit der Autorin oder an der Übersetzung liegen mag. Vielleicht kollidieren auch einfach verschiedene Mentalitäten oder kulturelle Unterschiede in der Erzählweise, sodass mir persönlich der tiefere Zugang verwehrt blieb. Die beschriebenen Figuren besitzen alle ihre Eigenheiten und Schrullen, bleiben charakterlich aber blass. So bekommen wir zwar ein gutes Bild vorgezeichnet, gucken den Akteuren aber nur vor die Köpfe. Zwischen naivem und wankelmütigem Handeln nimmt mir das eine gewisse Authentizität, weshalb ich beim Einblick in unterschiedliche Leben stets neugierig jedoch emotional erschreckend unbeteiligt blieb. In den Leben fehlte es an… ja, Leben. Das mag jede Leserin und jeder Leser anders sehen, zumal „Das Kaufhaus der Träume“ sich in seinem Herkunftsland stattlich verkaufte:
Das Debütwerk der in Busan geborenen Lee Mi-ye war in ihrer koreanischen Heimat ein Überraschungserfolg und es wurden über eine Million Exemplare verkauft. Zuerst als Crowdfunding-Projekt veröffentlicht, war „Das Kaufhaus der Träume“ nur online verfügbar, bevor man dem Wunsch der Leserinnen und Leser nachkam, ein physisches Exemplar in den Handel zu bringen. So wurde der Erstling der ehemaligen Ingenieurin, die sich mit dem Schreiben ihren eigenen Traum verwirklichte, zu einem der größten Buch-Erfolge des Jahres 2020 und schoss auf Platz 4 der koreanischen Jahres-Charts.
Fazit:
Hach… ich würde gerne wohlwollender über „Das Kaufhaus der Träume“ urteilen, denn es war schon ein entspannendes Leseerlebnis mit einer Menge schöner Ideen. Doch richtig befriedigt fühlte ich mich am Ende nicht. Das mag am einfachen, manchmal arg simplen Schreibstil liegen, oder einfach daran, dass die Geschichten trotz gegebener Tragik sehr oberflächlich bleiben.
Lee Mi-ye, Golkonda
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