Die Schwärze des Spiegels - Makabre Kürzestgeschichten
- WUZI
- Erschienen: Mai 2022
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Wunde öffnen. Finger rein. Fertig.
Fassen Sie sich bitte… kurz.
Herbst-Zeit ist Lese-Zeit. Wenn die Tage wieder kürzer werden, der Grill im Garten in die Winterpause geht und der erfrischende Pool gegen die heimelige Couch getauscht wird, können wir Lese-Freundinnen und -Freunde wieder ohne körperlich anstrengendes Blättern in seitenstarken Wälzern abtauchen, ohne dass uns die Schweißperlen schon nach dem Vorwort auf der Stirn stehen. Dann schrecken auch Bücher mit 1.000 und mehr Seiten nicht ab. Sollte der Sinn mehr nach handlichen Happen stehen, eignen sich selbstverständlich auch Kurzgeschichten für einen schnellen Snack. Auch gut. Wer es nun aber ganz eilig hat, kann auch auf Kürzestgeschichten zurückgreifen. Nur wenige Seiten Lesestoff, wo es ohne großes Tamtam direkt ans Eingemachte geht. Durchaus gewöhnungsbedürftig, sind doch oft schon die Danksagungen mancher Schriftsteller umfangreicher. Aber… es funktioniert!
So wohnen wir beispielsweise einer Therapiesitzung bei, die sich durch ihre unkonventionelle Art wohl nur schwer von der Kasse abrechnen ließe. In „Abendkurs“ gelingt sogar das Kunststück, zwei parallele Handlungsstränge auf nur sieben Seiten zusammenzuführen. Die titelgebende Story um den „schwarzen Spiegel“ kommt auf nicht einmal drei Seiten im klassischen Gruselgewand daher. Mit „Der Verlorene“ hat es sogar ein Gedicht in die Story-Sammlung geschafft. Und wer wissen möchte, warum „Erdbeermarmelade“ nicht nur für wohliges Grummeln im Magen sorgt, und sich nicht scheut, selbst biblische Pfade zu betreten, sollte sich in die 12 finstere Abgründe begeben, die „Die Schwärze des Spiegels“ bereithält. Aber Vorsicht… der Weg in die dunklen Tiefen ist kurz.
Runder Abschluss…
…einer Kurzgeschichten-Trilogie. „Die Schwärze des Spiegels“ ist nämlich das dritte Buch, das der österreichische Schriftsteller und Drehbuchautor Matthias Bauer (unter anderem „Northmen - A Viking Saga“ mit seinem Autoren-Kollegen Bastian Zach) mit Geschichten unterschiedlichster Art füllt. Nach „Reiche Ernte“ und „Das Tor“ (beide im BLITZ Verlag erschienen) kommt nun „Die Schwärze des Spiegels“ (WUZI). Eine Sammlung mit Kürzestgeschichten, welche zuvor größtenteils im Horror-Magazin „Art of Horror“ abgedruckt wurden, der Fachliteratur für den geneigten Gorehound. In der Regel stand Matthias Bauer nur eine Magazin-Seite zur Verfügung, was wohl für jeden Autoren eine besondere Herausforderung darstellt. Keine ausufernden Charakterzeichnungen, wenig Spielraum für die Entfaltung des Plots und nur ein Minimum an Vorlauf, bis die düstere Pointe zünden soll. Jeder Satz muss sitzen. Quasi ein Haupt-Act ohne Vorband und Zugabe. Rauf auf die Bühne, den Laden abreißen, und wieder runter.
Reduziert aufs Wesentliche, können die meisten der enthaltenen Geschichten überzeugen. Nur selten verfehlt ein makabres Ende seine Wirkung. Trotz der Kürze kann Bauer einen gelungenen Rahmen spannen und Atmosphäre aufbauen. Auch wenn uns die Schicksale der Protagonistinnen und Protagonisten nicht so schwer treffen, als hätten wir über 500 oder gar 1.000 Seiten an ihren Fersen geklebt. Das muss auch nicht zwingend sein, um kurzweilig zu unterhalten… und zu schocken.
Erfreulich ist, dass Matthias Bauer erneut den Comic-Zeichner Chris Scheuer gewinnen konnte. Der Max und Moritz-Preisträger aus Österreich feierte schon in den 80ern viele Erfolge, verschwand dann aber lange von der künstlerischen Bildfläche. Für die drei Comic-Alben „Reiche Ernte“ (PANINI), in denen insgesamt 13 Kurzgeschichten graphisch umgesetzt wurden, kehrte Scheuer 2020 zurück an den Zeichentisch. In „Die Schwärze des Spiegels“ wird jede Story mit einer stimmungsvollen Tusche-Zeichnung des Künstlers eingeleitet.
Fazit:
Matthias Bauer teilt mit seinen Kürzestgeschichten schnell und ordentlich aus. Kaum hat man die linke Wange hingehalten, kommt der Faustschlag auch schon wieder von rechts. Obwohl mir persönlich Geschichten mit mehr Spannungsaufbau und Charakterentwicklung zusagen, sind die facettenreichen Mini-Storys durchaus eine gelungene Abwechslung.
Matthias Bauer, WUZI
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