Alien³ - Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson

  • Heyne
  • Erschienen: Februar 2023
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Alien³ - Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson
Alien³ - Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson
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Marcel Scharrenbroich
50°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2023

Kann ich aus dieser Horrorstory noch aussteigen?

Ein bisschen Alien-Liebe…

…für den dritten Teil des wegweisenden Sci-Fi-Horror-Franchises, denn Regisseur David Fincher blieb mit seinem Spielfilmdebüt hinter den angepeilten Erwartungen des Studios zurück. Dabei war es eigentlich nur konsequent, dass „Alien³“ über einen ganz eigenen Look verfügt und sich damit von seinen beiden Vorgängern abgrenzt. Der klaustrophobische Suspense-Schocker „Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ ebnete 1979 unter der Regie von Ridley Scott und mit dem markanten Design des Schweizer Künstlers HR Giger (1940 – 2014) gleich den Weg für ein komplett neues Genre, während James Cameron 1986 für seine Fortsetzung „Aliens - Die Rückkehr“ eine ordentliche Portion Military-Sci-Fi reindrückte und den Action-Pegel bis unter die Decke knallte. Abgesehen von der stets vorhandenen Alien-Bedrohung (im ersten Film ist es „lediglich“ eine Kreatur, während Queen-Mum im Sequel gar nicht so schnell brüten kann, wie die lieben kleinen Facehugger aus den Eiern ploppen), besitzen beide Filme eine ganz eigene Handschrift: die ihrer jeweiligen Regisseure. In den Neuling Fincher hatte man wohl noch nicht so viel Vertrauen, konnte aber auch noch nicht ahnen, dass ihm 1995 - also drei Jahre nach „Alien³“ - mit „Sieben“ der wohl beste Thriller der Kinogeschichte gelingen würde… jedenfalls meiner bescheidenen Meinung nach. Auch mit seinen folgenden Werken „The Game“ (1997), „Fight Club“ (1999) oder „Zodiac - Die Spur des Killers“ (2007) schoss er treffsicher ins Schwarze und festigte seinen verdient guten Ruf. In seinen ersten Film wurde ihm von Studio-Seiten aber nicht nur massiv hineingeredet, es herrschten auch katastrophale Drehbedingungen.

Es begann schon damit, dass während der Dreharbeiten, in die David Fincher ziemlich kurzfristig krachte, noch am Skript gewerkelt wurde. Zahlreiche Autoren versuchten sich an einer geeigneten Story, darunter Eric Red („Hitcher, der Highway Killer“, „Near Dark“, „Body Parts“, „Bad Moon“), David Twohy („Critters 2 - Sie kehren zurück“, „Warlock - Satans Sohn“, „The Arrival - Die Ankunft“, „Pitch Black - Planet der Finsternis“) und Vincent Ward („Der Navigator“, „Hinter dem Horizont“, „River Queen“), dessen Story immerhin in groben Zügen die Blaupause für den Film werden sollte. Walter Hill und David Giler, gleichzeitig auch die Produzenten von „Alien³“, nahmen Wards Grundstory und bedienten sich bei Twohys Setting, welches die Handlung auf einen Raffinerie-Planeten mit Strafgefangenen verlegte. Damit konnte Fincher dann immerhin arbeiten, wenn es auch immer wieder zu Reibereien mit dem Studio 20th Century Fox kam. Immerhin hat „Alien³“ im Laufe der Jahre an Ansehen der Fans gewonnen, was wahrscheinlich zweierlei Gründe hat:

Zum einen hat die 2003 im Rahmen der „Alien Quadrilogy“-Box erstmalig veröffentlichte „Special Edition“ den Film ordentlich aufgewertet, da die Laufzeit (bezieht sich hierbei auf die aktuellen Blu-ray-Fassungen) von 115 auf 145 Minuten hochgeschraubt wurde. Zu sehen sind alternatives Material, erweiterte und gänzlich neue Szenen, die den Streifen in ihrer Gesamtheit deutlich runder machen. Es handelt sich aber ausdrücklich NICHT um einen „Director’s Cut“, wie es bei den ersten beiden Filmen der Fall ist, da David Fincher nicht in die Fertigstellung der längeren Fassung involviert war. Der zweite Grund, warum „Alien³“ heute viel besser erscheint, als noch zum damaligen Kinostart, ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen konnte, welche Tiefpunkte das Franchise noch erreichen würde. „Alien: Die Wiedergeburt“ (1997) und „Prometheus - Dunkle Zeichen“ (2012) waren noch Gold gegen das, was die „Alien vs. Predator“-Crossover und „Alien: Covenant“ (2017; unter der Regie von Ridley Scott) der Marke angetan haben. Bleibt zu hoffen, dass der bereits fertiggestellte „Alien: Romulus“ von „Evil Dead“-Regisseur Fede Alvarez frisches (Säure)blut ins angeknackte Franchise bringt.

Bevor Red, Twohy, Ward und schließlich Giler & Hill Hand ans Drehbuch legten, trat man aber an einen Mann heran, der zuvor schon das moderne Sci-Fi-Genre wie kaum ein Anderer prägte: William Gibson, Autor des „Neuromancer“-Universums, welcher bereits 1982 in seiner Kurzgeschichte „Chrom brennt“ den mittlerweile geläufigen Begriff Cyberspace etablierte. Gibsons allerersten Drehbuch-Entwurf zu „Alien³“ hat die preisgekrönte Autorin Pat Cadigan nun zu einem Roman umgeschrieben. Und so hätte Gibsons Vision ausgesehen…

Nach LV-426

Nachdem Ripley die Alien-Queen in die unendlichen Weiten des Alls verfrachtet hatte, machte sie sich gemeinsam mit dem Mädchen Newt, dem verwundeten Corporal Hicks und 50% des Syntheten Bishop - seine andere Hälfte lag noch im Frachtraum, wo die Queen ihn in Handumdrehen und scheinbar spielerisch zerriss - auf den Rückweg zur Erde. Nach vier Jahren im Kälteschlaf tauchte die USS Sulaco dann auf den Bildschirmen der Union Fortschrittlicher Völker (UFV) auf. Da das Schiff der Weyland-Yutani Corporation, die sich währenddessen zum korruptesten Unternehmen des Sonnensystems gemausert hatte, unerlaubt Hoheitsgebiet betritt, wird ein Abfangschiff zur Sulaco geschickt. Dessen Besatzung ahnt noch nicht, dass sich neben den offensichtlichen Passagieren noch jemand… beziehungsweise noch „etwas“… an Bord befindet. Ausgerechnet in Bishops Rumpf hat sich eines der verhassten Viecher mit dem alles zersetzenden Säureblut eingenistet. Eine schöne Überraschung für das „Empfangskomitee“, welches die Sulaco etwas zu gründlich unter die Lupe nimmt. Die scheinbar harmlose Erkundungsmission entpuppt sich als tödliche Falle, als ein Facehugger sich an das Gesicht eines der Soldaten klemmt. Dumm gelaufen… für ihn. Die beiden verbliebenen Mitglieder schnappen sich den lädierten Bishop, um wenigstens Irgendwas aus dem verfluchten Schiff zu bergen. Die Kälteschlafkapseln lassen sie unberührt.

Der Autopilot lenkt die Sulaco schließlich zur Raumstation Anchorpoint. Dort herrscht gleich helle Aufregung, ist man doch extrem neugierig, wer oder was da reingeschneit kommt. Auch hier wird die Neugier zum Verhängnis, als ein ausgewachsenes Alien sofort in den Kampfmodus übergeht. Die drei Überlebenden können aber schließlich in Sicherheit gebracht werden. Corporal Hicks erweist sich als äußerst zäh und ist am schnellsten wieder auf den Beinen. Ganz im Gegensatz zu Ripley, die im Koma vermutliche vergangene Alpträume erneut durchlebt. Hicks, der langsam versucht, sich auf der Anchorpoint-Station zurechtzufinden, stößt schnell auf streng geheime Forschungen. Forschungen, die an den Xenomorphen durchgeführt werden. Und er weiß, dass es nur nach hinten losgehen kann, wenn eifrige Wissenschaftler Gott spielen wollen… besonders wenn man sich mit der vermutlich tödlichsten Spezies der Galaxis einlässt. Ein folgenreicher Fehlschlag mit Ansage, denn das Chaos wird losbrechen… mal wieder.

Ellen … verzweifelt gesucht

Sagen wir es, wie es ist: Ripley fehlt an allen Ecken und Enden. Man kann Gibson zugutehalten, dass er nicht bei den erfolgreichen Vorgängern abkupfern und etwas gänzlich Neues auf die Beine stellen wollte - ursprünglich waren sogar zwei zusammenhängende Fortsetzungen angedacht -, doch die erste und einzige Person, die gleich mehrere Konfrontationen mit der tödlichen Alien-Rasse überlebte, war als weibliche Action-Ikone längst etabliert. Schwer vorstellbar, dass Filmfans den Helden-Tausch mit einem erfahrenen Marine gutgeheißen hätten. Interessant ist, dass Gibson die Ziele der Weyland-Yutani Corporation weiter im Blick behält, waren diese doch schon fester Bestandteil von „Aliens - Die Rückkehr“, wo deren Repräsentant Carter Burke mit eindeutigen Absichten Teil des Himmelfahrtskommandos zur von jeglichem Kontakt abgeschnittenen Kolonie auf LV-426 war. Die finale Filmfassung von „Alien³“ geht auf die Absichten der Firma zwar ebenfalls ein, bringt diese aber kaum einen Meter voran. Gibsons Entwurf geht da deutlich weiter, verrennt sich dafür aber in ellenlangen Gesprächen, die die ersten beiden Drittel quälend lang erscheinen lassen. Mit der Prämisse, Experimente an den Xenomorphen durchzuführen und sie mutieren zu lassen, greift Gibson dem 1997 veröffentlichten „Alien: Die Wiedergeburt“ voraus. Nur leider werden, während eine wahre Flut an Charakteren die Story überlädt, nur wenige Chancen genutzt, um die Geschichte besonders oder gar packend zu gestalten. So verkommt seine Idee im späteren Verlauf zur Ballerorgie, in der es ähnlich rabiat wie im Vorgänger zugeht. Zu ähnlich, denn ein frischer Haufen Marines aller Formen und Farben wird eingeführt, um kurz darauf zur Alien-Beute zu werden. Hätten sie rote Shirts getragen, könnte man meinen, dass die Sternenflotte aus „Star Trek“ gerade wieder überflüssiges Personal verheizt. Das ist einfach zu wenig… und schon mal gar nichts, was einem William Gibson gerecht wird.

Die amerikanische Schriftstellerin Pat Cadigan, aus deren Feder auch Romane zu „Lost in Space“ oder „Battle Angel: Alita“ und Kurzgeschichten aus George R. R. Martins „Wild Cards“-Universum stammen, wurde für ihre unterschiedlichen Arbeiten bereits mehrfach ausgezeichnet. Auch sie kann keine Wunder vollbringen und schaukelt die Vorlage recht nüchtern und bestenfalls durchschnittlich ins Ziel. Mit immer wieder kurz eingestreuten Flashbacks zu verstorbenen Charakteren baut sie Verbindungen zu „Aliens - Die Rückkehr“ ein, damit man sich - abgesehen von Hicks, Bishop & Co. - immerhin etwas an eine Fortsetzung erinnert fühlt. Allerdings erscheint das doch arg gewollt. Stilistisch ist der Roman ebenfalls nicht der größte Wurf.

Fazit:

Es bleibt nur noch zu sagen, dass wir - trotz der katastrophalen Umstände bei den Dreharbeiten - froh sein können, dass Fincher den Film abgeliefert hat, dessen Drehbuch letztendlich auch grünes Licht erhielt. Wäre es Gibsons abgelehnte erste Fassung geworden, wäre das Franchise mittlerweile vielleicht schon in Vergessenheit geraten. Pat Cadigans Roman-Umsetzung ist höchstens eingefleischten „Alien“-Fans zum Vergleich bzw. als Ergänzung zu empfehlen.

Alien³ - Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson

Pat Cadigan, William Gibson, Heyne

Alien³ - Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson

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