Der mexikanische Fluch

  • Limes
  • Erschienen: Oktober 2022
  • 4
Der mexikanische Fluch
Der mexikanische Fluch
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Lisa Reim-Benke
50°1001

Phantastik-Couch Rezension vonDez 2022

Der Untergang des Hauses Usher … in Mexiko

Mexiko, 1950: Noemí möchte sich eigentlich nur ihrem Studium widmen, auf Partys gehen und ihre Männerbekanntschaften pflegen. Doch ein Brief von ihrer Cousine Catalina macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Catalina behauptet, von der Familie ihres frisch angetrauten Mannes gefangengehalten und vergiftet zu werden. Noemí macht sich also auf den Weg, um der Familie Doyle in deren Herrenhaus in der mexikanischen Provinz einen Besuch abzustatten. Doch High Place ist ein düsterer Ort, der mehr Geheimnisse verbirgt, als Noemí angenommen hat.

Wo Mexiko draufsteht, ist nicht unbedingt Mexiko drin

Den originellen Ansatz muss man der aus Mexiko stammenden Kanadierin Silvia Moreno-Garcia lassen: Sie verlagert die britische Gothic-Novel mit allem Drum und Dran in ein mittelamerikanisches Land. Und das ist durchaus buchstäblich gemeint. Noemì trifft bei ihrem Besuch bzw. ihrer Rettungsmission auf ein englisches Herrenhaus, das langsam vor sich hinfault, mitsamt exzentrischen bis garstigen Hausbewohnern plus nebelverhangenem Friedhof, Wahnsinn, verstörenden Träumen, nächtlichen Spaziergängen im Kerzenschein und jeder Menge Geheimnissen. Von Mexiko aber keine Spur. Die Doyles hätten auch im Kongo leben können – man hätte kaum einen Unterschied bemerkt. Sehr schade, wenn das Versprechen im Titel (im englischen Original sogar „Mexican Gothic“) letztendlich nicht gehalten wird.

Versnobte Engländer in Höchstform

Während sich Moreno-Garcia mit einem Hang zu langatmigen Beschreibungen an den bekannten Gothic-Mustern abarbeitet, übernehmen ihre Figuren die Aufgabe, die Handlung voranzutreiben. Allen voran Noemí, die mit ihrer klugen, frechen Art zunächst zu begeistern weiß. Doch sobald sie auf die klischeebehafteten Doyles trifft, kann auch sie ihren erfrischenden Charakter nicht mehr aufrechterhalten und gleicht sich den Trantüten aus dem altenglischen Adel an. Obwohl sie stets bemüht ist, dem rassistischen, traditionsbewussten und elitären Haufen Paroli zu bieten, dümpelt die Kolonialismus-Kritik irgendwann nur noch unmotiviert vor sich hin. Dass die Figuren keinerlei Entwicklung durchmachen und einem strengen Schwarz-Weiß-Schema folgen, verstärkt den reizlosen Eindruck: Wer als böse eingeführt wird, ist es am Ende auch. Nuancen gibt es keine.

Spannender ist da das Geheimnis, das die Familie hütet und dem die romantisch veranlagte Catalina in ihrer Naivität zum Opfer gefallen ist. Noemì macht sich auch sofort ans Werk, forscht nach, recherchiert im Dorf und stellt Fragen. Dabei geht es schön schauerlich und atmosphärisch zur Sache, bis alles in einen schrägen Fiebertraum abdriftet, der in einem Ende gipfelt, das manche eklig, andere durchgeknallt und die ganz Harten sensationell finden werden. Und dann bin da noch ich, die nach der Lektüre pikiert zu Edgar Allan Poe greift – manchmal ist das Original einfach besser.

Fazit:

Eine enttäuschende Gothic-Geschichte, die zwar vielversprechend anfängt, aber letztendlich nicht liefern kann. Die Erwartungen aufgrund des exotischen Schauplatzes waren dann wohl doch zu hoch angesetzt.

Der mexikanische Fluch

Silvia Moreno-Garcia, Limes

Der mexikanische Fluch

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