Kitty Carter (1) - Dämonenkuss

  • Novel Arc
  • Erschienen: Juli 2022
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Kitty Carter (1) - Dämonenkuss
Kitty Carter (1) - Dämonenkuss
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Marcel Scharrenbroich
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2023

Gott…, bist du’s?

Dem Tod von der Schippe gesprungen… vorerst

Kitty Carter ist 49 Jahre alt… beziehungsweise jung, überzeugter Dauer-Single und arbeitet als Schreibkraft für die City of London Police. Selbstbestimmung ist ihr enorm wichtig, weshalb sie im Gegensatz zu ihrer besten Freundin - oder der Mehrheit Londons Damen im mittleren Alter - noch immer unverheiratet ist und dem Job einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit widmet. Langweilig ist ihr Büroalltag nämlich nicht, greift sie ihren Kollegen doch immer wieder tatkräftig unter die Arme. Gedankt ist dies Kittys hellseherischen Fähigkeiten, mit denen bereits so manches Ganovenpack hinter Gitter gebracht werden konnte. Diese Gabe hat sie bereits seit Kindheitstagen. Sie brachte dadurch sogar einst den Mörder ihres eigenen Bruders zur Strecke, was von ihrem Vater aber als Glückstreffer abgetan wurde. Über die Jahre versuchte dieser mühevoll, Kitty unter die Haube zu bringen, doch den Hafen der Ehe sieht Miss Carter am liebsten aus der Entfernung… obwohl der knusprige Chief Inspector Patt Wallet ihr schon gefallen würde. Liebeleien - ganz zu schweigen von den großen Gefühlen - müssen aber weiterhin hintenanstehen, denn im viktorianischen London des Jahres 1862 wird fleißig gemordet…

Das große Unglück geschieht, als Kitty nach einem Treffen mit ihrer Freundin Tessi das Café verlässt und einer mysteriösen Geigenmelodie folgt. Beim Überqueren der Straße kollidiert sie mit einem Dampfomnibus, was sie kurzerhand aus dem Leben schießt. Recht ungläubig betrachtet sie die Leiche, die inmitten einer herangeeilten Menschentraube auf dem Pflaster liegt. Es ist ihre Leiche… und wäre da nicht der aus dem Nichts erschienene, adrett gekleidete Herr in Weiß, der ihr behutsam aber unmissverständlich die Lage erklärt, hätte sie wohl weiterhin ungläubig in ihre eigenen toten Augen gestarrt. Der Mann, der auf den Namen Amari hört, bringt sie in Handumdrehen an einen fernen Ort, den man als Jenseits bezeichnen könnte. Wenig überraschend trifft die gläubige Kitty dort auf Gott. Überraschend ist hingegen, dass der lieber Ruff genannt werden möchte, und es nur wenige Augenblicke dauert, bis ihr religiöses Weltbild komplett zerstört wird. Ruff erzählt ihr, dass Himmel und Hölle nur Hirngespinste sind. Einmal ein Dämon, denn das sind alle Verstorbenen, ist das Jenseits eine Art Übergang. Ein Übergang in eine neue Daseinsform. Man mag es Wiedergeburt nennen oder Neuanfang, ein Abschluss des bisherigen, irdischen Lebens ist es allemal. Für Kitty schwer zu schlucken, hatte sie doch mit ihren 49 Jahren noch so viel vor. Gott… Verzeihung, Ruff kann da Abhilfe schaffen.

Es ist kein Zufall, dass gerade Kitty Carter eine Audienz beim lieben Go… Ruff bekommt. Ihre hellseherischen Fähigkeiten prädestinieren sie für einen wichtigen Auftrag, dessen Einzelheiten die gewiefte Kitty noch eisern aushandeln muss. Sie soll als Dämon zurück auf die Erde geschickt werden, um einen Flüchtigen zu fangen, der sich nun munter durch die Menschheit mordet. Wer könnte ihn anhand von Beweismitteln besser aufspüren, als die übersinnlich begabte Kitty? Eben… niemand. Sollte es ihr gelingen, fordert Kitty jedoch, dass sie wieder als Lebende in ihren alten Körper zurückkehren darf. Ruff willigt ein, doch das Zeitfenster, in dem Kittys überfahrene Leiche noch „bewohnbar“ bleibt, ist erschreckend klein. Es ist also höchste Eile geboten, doch ihr neues Dämonen-Dasein hat so seine Tücken. Einerseits sprudelt sie voll überschwänglicher Leichtigkeit, dürstet auf der anderen Seite jedoch nach menschlicher Essenz. Um selbst im Tod zu überleben, braucht Kitty Carter während ihrer Kurzzeit-Rückkehr dringend Hilfe!

Weiblich, ledig, mittel-jung sucht nicht…

Das fantastische Cover war das erste, was mich neugierig auf den Titel gemacht hat. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich zuerst an einen reinen Romantasy-Roman dachte, da das Motiv doch sehr verspielt und mit allen Zutaten daherkam, die man aus diesem Genre so kennt: verschnörkelte Schrift, ein bildschönes Gesicht, eine verträumte Kulisse, zartes Mystery-Flair durch geheimnisvollen Schatten… und natürlich das Wort „Kuss“ im Untertitel. Doch die Story klang durchaus interessant. Da ich von Haus aus neugierig bin und meine Nase gerne in Sachen stecke, die ich möglichst unvoreingenommen entdecken möchte, warf ich mich ohne Vorkenntnisse ins viktorianische Geschehen. Und was soll ich sagen, Kitty Carter hatte mich schon nach wenigen Seiten in ihren Bann gezogen. Die unkonventionelle Heldin ist unglaublich sympathisch, überzeugt mit ihrer Frische und Forschheit in Rekordzeit. Lediglich mit ihrem Alter hadere ich etwas. Während des Lesens hätte ich sie stets irgendwo in ihren Dreißigern eingeordnet und musste durch den Text immer wieder daran erinnert werden, dass sie kurz vor der 50 steht. Ginge man nur nach dem Cover, wäre die Altersgrenze höchstwahrscheinlich sogar noch unter 30. Das mal außer Acht gelassen, ist es aber spannend, wie Kitty ihr neues „Leben“ von Grund auf umkrempelt und ihr Dämonen-Dasein ungeahnte Lebensgeister weckt. Ihre Sicht auf die Dinge ändert sich komplett. Nicht nur ihr gerade erst über den Haufen geworfenes Glaubensbild, nein, sie pfeift auf Konventionen, entdeckt die Liebe (ganz ohne geht’s dann doch nicht…) in all ihren Facetten und geht auf Risiko. Das fördert so manche überraschende Wendung zu Tage. Ganz davon abgesehen, dass mit der dämonischen Mörderjagd ja auch noch Krimi-Freunde gut bedient werden.

Autorin Jana Paradigi hat mit „Kitty Carter“ eine immer selbstbewusster werdende, gestandene und selbstbestimmte Heldin geschaffen, die eine spürbare Entwicklung durchläuft. Ihr Buch wirft zudem interessante Fragen auf und eröffnet neue Blicke auf die Dinge. Hier befinden sich viele Zutaten im Topf, wodurch nicht jedes Genre zur vollsten Zufriedenheit bedient werden kann, aber das fällt nicht zu negativ ins Gewicht. Wer einen schwungvollen Mystery-Krimi mit sozialen Aspekten in historischem Setting sucht, wird mit „Kitty Carter - Dämonenkuss“ aus dem NOVEL ARC Verlag jedenfalls sehr kurzweilig bedient.

Fazit:

Jana Paradigi wirft altbekannte Motive über Bord und regt mit ihrem frischen Genre-Mix so manches Gedankenspiel an. Zwischen aberwitzigen Momenten, romantischem Knistern und einem spannenden Plot zwischen dem Dies- und Jenseits hatte ich eine sehr gute Zeit mit dem hochwertig verarbeiteten Hardcover. Gegen ein zweites Date mit „Kitty Carter“ wäre nichts einzuwenden.

Kitty Carter (1) - Dämonenkuss

Jana Paradigi, Novel Arc

Kitty Carter (1) - Dämonenkuss

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