Interview mit einem Vampir
- Blanvalet
- Erschienen: Oktober 2021
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Das faszinierendste Interview aller Zeiten
Für jeden Journalisten wäre es wohl der Karrierebooster schlechthin: Ein Interview mit einem echten Vampir! In Anne Rice’ Roman ergreift ein namenloser junger Reporter genau diese Gelegenheit und führt ein Gespräch mit Vampir Louis. Dieser berichtet nur zu gerne von seinen Abenteuern und seinem untoten Leben. Zu erzählen hat er in der Tat sehr viel, denn bereits 1791 wurde er von Vampir Lestat in einen Blutsauger verwandelt. Nachdem die beiden einige Zeit auf der Plantage von Louis’ Familie lebten und schließlich vertrieben wurden, treffen sie auf das kleine Mädchen Claudia, die sie kurzerhand auch zum Vampir machen und als Tochter aufnehmen. Es beginnt ein Roadtrip, der die Vampire von den USA nach Osteuropa und Paris führt, immer auf der Suche nach dem Sinn ihres untoten Daseins und gleichzeitig auf der Flucht vor sich selbst.
Eine neue Richtung in der Vampir-Literatur
Als Anne Rice 1976 Louis und Lestat erschuf, läutete sie eine neue Ära der Vampir-Literatur ein. Louis ist nun nicht mehr länger ein böser Blutsauger, der von finsteren Mächten angetrieben wird, sondern ein fühlendes und leidendes Wesen, das mit seinem Schicksal nicht klarkommt: der melancholische Vampir ist geboren. Trotzdem blieb Rice dem Dracula-Mythos weitestgehend treu; auch bei ihr schlafen die Vampire in Särgen und meiden die Sonne.
Der Erfolg des Romans bescherte Louis sogar mehrere Fortsetzungen, die sich zu der „Chronik der Vampire“ bestehend aus 13 Bänden entwickelten. Der letzte erschien 2018, drei Jahre vor dem Tod der Autorin. Teile der Reihe wurden zudem verfilmt, am bekanntesten wohl der erste Band, der 1994 mit Brad Pitt und Tom Cruise in den Hauptrollen in die Kinos kam. Nun hat „Interview mit einem Vampir“ neu aufgelegt und mit einer frischen Übersetzung von Karl Berisch und C. P. Hofmann eine Rundumpolitur bekommen.
Depressive und manische Blutsauger
Dass Lestat und Louis eine toxische Beziehung verbindet, wird in der Geschichte sehr schnell deutlich. Lestat ist ein Vampir durch und durch: Sehr von sich selbst überzeugt, geht er voll in seinem Vampirdasein auf; er ist gewalttätig, blutdürstig auf allen Ebenen und genießt seine Macht über die Lebenden. Der sensible Louis ist da das genaue Gegenteil. Er hadert mit seinem Vampir-Dasein, ist melancholisch bis depressiv und verlangt Antworten, die ihm Lestat nicht geben kann. Obwohl so unterschiedlich, sind beide untrennbar miteinander verbunden und treffen im Verlauf der Jahrhunderte trotz mehrfacher Trennungen fast schon zwangsläufig immer wieder aufeinander. Fast noch tragischer als Louis’ Schicksal ist jedoch Claudias Los: Sie entwickelt sich zu einer erwachsenen Frau gefangen im Körper eines Kindes. Die Geschichte um diese drei Vampire ist entsprechend dramatisch, tragisch und immer wieder sehr philosophisch. Stellenweise bekommt man durchaus Mitleid mit den Blutsaugern, die ihr Dasein in der Dunkelheit fristen müssen, immer mit der Gewissheit, dass vor ihnen unerträgliche Unendlichkeit liegt.
Ein Vampir erzählt. Und erzählt … und erzählt
Auch wenn der Titel es schon ankündigt, muss eines betont werden: Man liest hier tatsächlich ein Interview! Das heißt, Louis erzählt und wird ab und zu von den Fragen des Reporters unterbrochen. Das gesamte Buch besteht also aus einem Dialog bzw. eher aus einem Monolog: Die Handlung wird meist nur zusammengefasst, genauso wie die Dialoge (wörtliche Rede gibt es kaum). Dadurch entsteht eine Distanz zum Geschehen, die auch Louis mit seiner eindrücklichen Erzählweise teilweise nicht zu überbrücken vermag. Gerade spannende Szenen wirken oft blutleer (haha!) und man hat das Gefühl, dass hier einiges an Potential verschenkt wurde. Auf diesen speziellen Erzählstil muss man sich also einstellen.
Fazit:
„Interview mit einem Vampir“ hat seit seinem Erscheinen nichts von seinem Charme verloren. Auch wenn man sich auf den eigenwilligen Erzählstil erst einmal einlassen muss, ist dieses Buch zurecht ein moderner Klassiker, der das Bild des literarischen Vampirs entscheidend geprägt hat.
Anne Rice, Blanvalet
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