Die Eroberung des Weltalls: Die legendären Bilder der NASA-Missionen
- wbg Theiss
- Erschienen: Oktober 2021
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Bilderrausch zwecks Geldbörsenöffnung
Bevor, aber auch während der Mensch ins Weltall aufbrach, wurde mit Stift und Pinsel festgehalten, was zeitgenössische Kameras nicht zeigen konnten. Obwohl die so entstandenen Bilder über Jahrzehnte zum fixen Inventar der Berichterstattung gehörten, galten sie als ‚Verbrauchsware‘ und landeten ungeachtet ihrer Aussagekraft bzw. Pracht oft in der Mülltonne. Vergleichsweise wenige Archive bzw. oft private Sammler haben sich bemüht, diese flüchtigen Schätze zu sichern. Piers Bizony möchte diese Bilder zumindest exemplarisch der Vergessenheit entreißen. Er hat diverse Bestände gesichtet und stellt eine repräsentative Auswahl in fünf chronologisch geordneten Kapiteln zusammen.
„Dieser neue Ozean“ (Kap. 1, S. 14-35) kehrt zum Beginn eines Weltraumzeitalters zurück, das sich vor allem theoretisch mit der Fahrt ins All beschäftigte, bis das All als potenzieller Kriegsschauplatz der nahen Zukunft ins Visier ehrgeiziger Politiker und Militärs geriet. Die Wissenschaft erkannte ihre Chance, nicht nur Kampfraketen, sondern auch Transporter für Forschungs- und Erkundungszwecke zu konstruieren und zu bauen. Nach dem „Sputnik-Schock“ von 1957 investierten die USA gigantische Summen in Projekte wie „Mercury“ oder „Gemini“, die Satelliten und bemannte Raumschiffe in den Weltraum bringen sollten.
Präsident John F. Kennedy ordnete 1961 den „Großen Sprung“ zum Mond (Kap. 2, S. 36-77) quasi an. Das Projekt „Apollo“ wurde den Bürgern multimedial an die patriotischen Herzen gelegt. Eine Flut begleitenden Bildmaterials begleitete das 1969 tatsächlich glückliche Finale: die Landung auf dem Erdtrabanten, die noch mehrfach wiederholt werden konnte.
Nachdem der Mond ‚geschafft‘ war, musste sich die Raumfahrt neue Ziele stecken. Noch waren die Planeten außer Reichweite, aber ferngesteuerte Satelliten konnten sie erreichen und Fotos schicken. Parallel dazu entstanden im Orbit „Inseln am Himmel“ (Kap. 3, S. 78-119) - ständig bemannte Raumstationen sowie Weltraumteleskope, die fern der störenden Erdatmosphäre unser Wissen über das All sprunghaft erweiterten.
Nach Jahrzehnten einer eher erdnahen Raumfahrt mehren sich seit dem Millennium die Zeichen für eine intensivierte Weltallforschung. „Neue Welten“ (Kap. 4, S. 120-153) will man erschließen - dies nicht nur durch Roboter, sondern auch persönlich. Der Mensch soll auf den Mond zurückkehren, und der bemannte Flug zum Mars ist eher ein finanzielles als technisches Problem.
Aufgrund der buchstäblichen Grenzenlosigkeit des Alls wird der Mensch ferne Sterne wohl nie erreichen. Zu den „Unendlichen Weiten“ (Kap. 5, S. 154-187) können nur Maschinen vorstoßen. Schon jetzt haben einige Satelliten die Grenze unseres Sonnensystems hinter sich gelassen. Nichtsdestotrotz stellen sich unerschrockene Forscher den Naturgesetzen, die - eigentlich - keine überlichtschnelle Raumfahrt gestatten. Auch in diesem Umfeld diffuser Spekulationen sorgen Maler und Zeichner dafür, dass der interessierte ‚Normalbürger‘ begreift, worüber kluge Köpfe zerbrochen werden.
Durch das Auge zum Herzen - und zur Geldbörse
In den 1950er Jahren griff der Kalte Krieg zwischen dem ‚freien Westen‘ und den Kommunisten-Teufeln der Sowjetunion auf den Weltraum über. Unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung wurde erprobt, ob und wie man Raketen dorthin schießen konnte, wo bisher noch nie ein Mensch gewesen war. Der Himmel war offen, und wer ihn für sich beanspruchen konnte, war in der Lage, den Gegner von oben nicht nur auszuspionieren, sondern auch mit atomaren, biologischen oder chemischen Waffen zu bepflastern.
Auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ hing man mehrheitlich dieser Schreckensvision an. Nachdem die USA die Zügel nach 1945 hatten schleifen lassen, sorgte der erfolgreiche Start des sowjetischen Satelliten „Sputnik 1“ Anfang Oktober 1957 für einen Schock und für den Beginn des Raumfahrtzeitalters. Binnen weniger Jahre tummelten sich Menschen erst im Erdorbit und schließlich auf dem Mond.
Die forcierte Raumfahrt musste im Westen im kollektiven Bewusstsein der Bürger verankert werden. Schließlich waren sie es, die dafür mit ihren Steuern zahlen mussten - und das für Projekte, die lange vor allem teuer für beim Start explodierende Rohrkrepierer sorgten. Wie verkaufte man ein Ziel, das sich den Menschen nicht vor Augen führen ließ? Die zeitgenössischen Kameras waren nur bedingt weltraumtauglich und konnten nicht für jene Bilder sorgen, die Begeisterung hervorriefen und Spendierhosen weiteten.
„Sehen“ heißt (fast schon) „glauben“
Hier sprangen Maler und Zeichner ein, die das menschliche Wirken im Weltraum ‚sichtbar‘ machten. Talentierte Künstler bzw. Kunsthandwerker arbeiteten für jene Firmen, die Teile für die neuen Weltraumgefährte lieferten. Ab Juli 1958 gehörten Illustratoren auch zum Inventar der NASA, unter deren Dach die US-Raumfahrt vorangetrieben wurde. Die Medien sprangen bereitwillig auf den Zug auf. Sie wurden mit großformatigen, farbenprächtigen, technikbejahenden Bildern versorgt, die nach dem Willen der NASA den stetigen Fortschritt ‚dokumentierten‘ und für zukünftige, noch ehrgeizigere (und kostspieligere) Expedition zu fernen Planeten und Sternen warben.
„Die Eroberung des Weltalls“ fand und findet vorab auf dem Papier statt, wobei in bester Abbildungsqualität oft gar zu optimistisch Szenen gezeigt werden, die so nie stattfanden oder stattfinden können. Eine künstlerische Interpretation der Wirklichkeit kann die Faszination des Dargestellten beträchtlich verstärken, selbst wenn sie scheinbar ‚flüchtig‘ und nur mit einem Bleistift entstanden. Computergenerierte Bilder haben das traditionelle Handwerkszeug übrigens keineswegs ersetzt.
Autor Bizony konnte aus dem Archiv-Vollen schöpfen. Dem Verlag ist zu danken, dass die dabei ans Licht gezogenen Bilder in ihrer ganzen Eindringlichkeit erscheinen. Aufgeschlagen klaftert dieses Buch mehr als 60 cm, und 30 cm beträgt die Höhe. Oft zweiseitig wiedergegeben, entfalten die sorgfältig auf ihre Wiedergabequalität überprüften Abbildungen auf hochwertigem, festen, nicht durchscheinendem Papier in Schwarzweiß oder in Farbe ihre Wucht; dieser Begriff wird abermals sowie mit Bedacht gewählt, weil vor allem die älteren Illustrationen eine Begeisterung ausstrahlen, die uns heute im Zeitalter eines gewandelten, deutlich skeptischer gewordenen Blicks auf die Zukunft abhandengekommen ist.
Fazit:
Großformatig und auf bestes Papier gedruckt zeigt dieser Prachtband die zeichnerischen Interpretationen der (US-) Raumfahrt. Wunderbare Bilder entführen in eine Zukunft, die es oft nie gab, doch verdeutlicht wird auch, dass noch heute ein Bild dem Foto überlegen sein kann: ein Augenschmaus, der zudem knapp, aber kundig kommentiert ist!
Piers Bizony, wbg Theiss
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