Grüße aus der Totengruft
- Pabel
- Erschienen: Januar 1975
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Neun Begegnungen zwischen uns und ihnen
Kunterbunte Story-Mischung aus klassischem Grusel und wüstem Horror-Trash:
- Robert Bloch: Der Star aus dem Grab (Return to the Sabbath; 1938), S. 7-25: Ausgerechnet nach Hollywood flüchtet ein abtrünniger Teufelsanbeter, weshalb es nicht lange dauert, bis ihn seine rachsüchtigen ‚Brüder‘ aufgespürt haben.
- Hugh Walker: Mimikry (1974), S. 26-38: Der alte Vampir stellt fest, dass eine jüngere Generation von Blutsaugern sich erfolgreicher als er an die Gegenwart angepasst hat.
- Eddy C. Bertin: Was er wohl gewollt hat? (Ik zou wel eens willen weten wat hij wou; 1972), S. 39-50: Die junge Frau zieht in ein Haus, dessen Vorbesitzerin verstorben, aber keineswegs tot ist.
- Wilkie Collins: Das unheimliche Bett (A Terribly Strange Bed; 1852), S. 51-63: In einer üblen Spelunke gerät der Gast in eine raffinierte Todesfalle.
- Simon Jay: Die Spinne (Spider Woman; 1970), S. 64-73: Da die verhasste Gattin eine Hexe war, verhilft dem Gatten der gelungene Mord nicht zur ersehnten Freiheit.
- N. Dennett: Das Haus im Moor (Unburied Bane; 1933), S. 74-92: Die böse Hexe ist nicht so tot, wie es ihre allzu arglosen Gäste glauben.
- Michael Joseph: Die gelbe Katze (The Yellow Cat; 1924), S. 93-104: Sie bringt dem Spieler Glück, aber als er sie wegen einer Frau verjagt, wendet sich sein Leben zum Furchtbaren.
- Tom Hood: Ein Schatten aus dem Jenseits (The Shadow of a Shade; 1869), S. 105-122: Die Liebe veranlasst den Nebenbuhler zum hinterlistigen Mord, aber der so aus dem Rennen Geworfene kehrt als Rachespuk zurück.
- James R. Burcette: Das Spiegelkabinett (1974), S. 123-144: Das seltsame Ding will nur leben, und da es sich zurückhält, wird es sein mörderisches Unwesen auch weiterhin treiben können.
Grell, aber nicht unbedingt minderwertig
Die „Vampir“-Taschenbücher des Pabel-Verlags gehören zu den oft mit einem Naserümpfen zur Kenntnis genommenen Werken einer Zeit, als der Phantastik-Fan mit Horror-Nachschub jeglichen Niveaus versorgt bzw. förmlich überschüttet wurde. Vom übelsten Schund über unterhaltsamen Trash bis zum ‚literarischen‘ Grusel reichte die Palette. Wer sich ein wenig im Genre auskannte, konnte seiner Liebe zum spannenden Spuk problemlos frönen.
Solche Leser wussten, dass man um die ungeraden Nummern der „Vampir“-Taschenbücher in der Regel einen Bogen schlagen konnte. Hier wurden Horror-Romane präsentiert. Sie waren meist von fragwürdiger Qualität, dazu gekürzt und eher lachhaft als unheimlich. Interessanter waren die geraden Nummern, denn dies waren Story-Sammlungen. Auch hier gab es viel Mist, denn der Verlag gab ungern Geld für guten Horror aus, sondern griff auf Werke zurück, die in Mittelmaß-Verlagen erschienen oder copyrightfrei waren.
Allerdings war dies nicht automatisch von Übel, denn auch in diesem Umfeld fanden sich Autoren und Herausgeber, die ihr Herzblut in solche Kollektionen fließen ließen. Auch wenn in der Übersetzung meist Storys fehlten, weil sie der deutschen Seitennormierung zum Opfer fielen, erschienen im „Vampir“-Taschenbuch erstmals oder sogar ausschließlich Erzählungen, die das Jenseits im rechten Licht bzw. Schatten zeigten, also intensiv und spannend waren.
Das Böse naht mit lautem Poltern
„Grüße aus der Totengruft“ unterscheidet sich von den üblichen „Vampir“-Sammelbänden, denn es handelt sich um eine Originalausgabe, die der österreichische Autor Kurt Luif (1942-2012) zusammenstellte. Man darf davon ausgehen, dass er seine Wahl auf jene Storys beschränken musste, die der Verlag bereits angekauft hatte. Doch Luif machte nicht nur das Beste daraus, sondern nutzte listig die Gelegenheit, dem deutschsprachigen Horror eine Plattform zu geben.
In den 1970er Jahren galt der Prophet wenig im eigenen Land. ‚Guter‘ Horror kam aus dem Ausland, deutscher Horror fand im Groschenheft statt. Natürlich gefiel dies den betroffenen Autoren nicht, denn sie konnten zumindest denen, die den Horror unterhaltsam flach hielten, durchaus das Wasser reichen. Luif nahm zwei deutschsprachige Erzählungen auf die sich im Story-Umfeld behaupten können. Hugh Walker (d. i. Hubert Strassl, *1941) - ebenfalls Österreicher - weicht einfallsreich vom typischen Vampir-Stereotyp ab, während sich hinter „James R. Burcette“ Luif selbst mit einer soliden „Blob“-Variante verbirgt.
Die übersetzten Storys lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Da sind klassische Gruselgeschichten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückgreifen und das Genre in der Entwicklung zeigen. Schon sehr düster, aber gleichzeitig auffällig rational geht Wilkie Collins (1824-1889) das Thema an; dass die daraus resultierende Erzählung zu denen gehört, die immer wieder in Sammelwerken aufgenommen werden, kündet von der Zeitlosigkeit, die Wilkie seiner quasi dokumentarischen Schilderung verleihen konnte. Tom Hood (1835-1874) lässt es dagegen wirklich spuken. Sein Garn kommt uns sehr vertraut vor, doch man muss der Verfasser zugutehalten, dass er es schon 1869 und unter Berücksichtigung der für das Thema erforderlichen Gruselelemente spann; die aus heutiger Sicht übertriebene Sentimentalität ist zeitgenössisch und muss in Kauf genommen werden.
Noch eine Schauer-Schippe drauf!
Die übrigen Storys gehören ins Reich der „Pulp Fiction“: Sie wurden für jene Magazine geschrieben, die bis in die 1950er Jahre die (angelsächsische) Trivialliteratur dies- und jenseits des Atlantiks dominierten. Hier schrieben meist junge Autoren, die um die Gunst der Leser kämpfen und deshalb rasch herausfinden mussten, womit diese unterhalten werden wollten. Feingeistiger Grusel wich oft dem spekulativen Horror, wobei die talentierten Verfasser - die es in diesem Haifischbecken immer gab - trotzdem einen Spuk entfesseln konnten, der das Publikum nicht beleidigte.
N. Dennett gehört zu denen, die in Vergessenheit gerieten. Sein Betrag ist nicht wirklich überragend, zeigt aber die Liebe zum Effekt, der diese „Pulp“-Stories kennzeichnet. Michael Joseph (1897-1958) greift sehr traditionell auf die „Moral“ zurück, indem er seinen kurzsichtigen Helden ins Unglück stürzt, sobald dieser vergisst, wem er Ruhm und Geld zu verdanken hat: Die Mächte des Jenseits verzeihen selten, und sie machen ihrem Zorn drastisch Luft!
Einer der Großen der „Pulp“-Magazine, der auch als ‚richtiger‘ Schriftsteller erfolgreich wurde sowie Drehbücher für Film und Fernsehen schrieb, war Robert Bloch (1917-1994). Alfred Hitchcock verfilmte 1960 „Psycho“ - und Bloch landete dort, wo man ihn nach seinem Tod nicht vergaß, obwohl auch er oft eher Profi als genial war, was leider ausgerechnet die hier vorgelegte Erzählung widerspiegelt. Eddy Charly Bertin (1944-2018) und Simon Jay kommen nicht einmal in Blochs Nähe; zumindest ihre hier vorgestellten Storys sind schwach, obwohl Bertin sich (ein wenig zu sehr) um Relevanz und Eindruck bemüht: Eine gute Idee allein garantiert keine gute Geschichte, während handwerkliches Geschick selbst längst Bekanntes glänzen lassen kann.
Fazit:
Interessant inhomogene Sammlung sehr alter und junger, klassischer und trivialer bzw. trashiger Kurzgeschichten, die durch zwei deutschsprachige Beiträge angereichert wird: Kann (und wird) man lesen und vermutlich rasch vergessen, aber sich leidlich unterhalten fühlen.
Kurt Luif, Pabel
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