Future - Die Zukunft gehört dir
- Heyne
- Erschienen: Januar 2022
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Was kümmert mich mein Geschwätz von morgen…
Blick in die Glaskugel
Einen kurzen Blick in die Zukunft wagen. Schauen, was sich in… sagen wir einem Jahr so verändert hat. Mit zukünftigem Wissen arbeiten. Hier. Jetzt. Wem kommen da nicht zuerst die künftigen Lotto-Zahlen in den Sinn? Oder Sportwetten? Der ganz persönliche Grays Sports Almanach in der Tarnung eines Quantencomputers für den Heimgebrauch. Zukunftsmusik? Bald vielleicht schon nicht mehr, denn zwei ehemaligen College-Studenten ist Bahnbrechendes gelungen.
Zuvor jedoch die nicht ganz unwichtige Frage: Möchten wir überhaupt wissen, was mit uns in der Zukunft geschieht? Wie es uns geht, wo wir dann stehen? Vor allem dann, wenn wir nicht in der Lage sind, mit der neuen Kenntnis den kommenden Verlauf der Geschichte zu verändern? Das wäre nämlich der Fall. All das, was wir ab diesem Zeitpunkt tun würden, würde unweigerlich zu dieser prophezeiten Zukunft führen. Diese höchstwahrscheinlich mit der Initialzündung durch das Zukunfts-Lünkern erst in die vorhergesagten Bahnen lenken. Würde uns solch ein Wissen nicht in eine Lethargie stürzen? Wenn ich wüsste, dass in einem Jahr geliebte Menschen nicht mehr bei mir wären, dass Krankheit oder gar Tod zu bestimmenden Themen werden würden, dass Kriege andauern… vielleicht sogar eskalieren, dass Kriegsverbrecher weiter unbehelligt schalten und walten, während Leid und Not weiter wachsen und eine nicht unwesentliche Pandemie immer noch zum Tagesgeschehen gehört, dann würde mir ein Jahr voller guten Hoffnungen und positiver Glaube auf eine aussichtsreiche Zeit genommen werden. Nein… irgendwie verliert der anfangs verlockende Blick in die Glaskugel damit sogar gänzlich seinen Reiz. Zu wissen, dass kommende Bemühungen in in Stein gemeißelten Fehlschlägen enden, wäre nicht nur kontraproduktiv, sondern existentiell gefährlich. Sinnkrisen, Depressionen… Es mag jedem Einzelnen freistehen, ob er solch eine Technik nutzen möchte, aber würde dies nicht Befürworter und Gegner extrem spalten? Könnten wir einer medialen Berichterstattung, welche zweifelsfrei über Katastrophen des zukünftigen Jahres erfolgen würde, überhaupt entfliehen? Internet abschalten, Zeitungen meiden und den TV aus dem Fenster werfen? Einigeln und im Keller einschließen? Welch lebenswerte Zukunft…
News from The Future
Ben Boyce und Adhvan Chaudry lernen sich während ihrer Studienzeit kennen und werden trotz unterschiedlicher Persönlichkeiten schnell Freunde. Ben ist eher ein Macher. Ein wortgewandter Redner, der selbst dem Papst einen rabattfreien Jahresvorrat Kondome andrehen könnte. Also eine richtige Rampensau, die die richtigen Knöpfe drückt und Leute mitreißen kann. Adhi hingegen ist der kluge Kopf im Hintergrund. Jemand, der lieber im Schatten bleibt. Ein introvertiertes Genie mit Sorgen, Ängsten und einer anfälligen Psyche. Gemeinsam ergeben diese Persönlichkeiten aber ein explosives Gemisch. Wie Nitro und Glycerin in der Bit-und-Byte-Welt von Silicon Valley. Dorthin haben die beiden es mit ihrer Firma The Future nämlich geschafft. Ben konnte Adhi mit seiner unvergleichlichen Art überzeugen, dass dieser alle anderen beruflichen Zelte abbricht und voll und ganz in das risikoreiche Start-up einsteigt. Fest überzeugt davon, eine funktionierende Zeitmaschine herstellen zu können, geht es aber zuerst auf Investorenjagd. Was sich in der (Quanten)theorie nämlich so „einfach“ anhört, muss in der Praxis erstmal bewerkstelligt werden. Ein funktionstüchtiger Prototyp muss her.
Nach einigen Fehlschlägen gelingt es tatsächlich. Auf dem Bildschirm lassen sich die Internet-Einträge des kommenden Jahres lesen. Nachrichten, E-Mails, einfach alles! Das Zauberwort heißt „Quanteninformationsverarbeitung“. Durch Quantenverschränkung lassen sich Daten schneller als das Licht transferieren. Und durch einen Rechner, der in der Zukunft mit sich selbst verbunden ist, werden die Informationen in der Zeit zurück geschickt und lassen sich in der Gegenwart abrufen. Wie gesagt… ganz „einfach“.
Die zunächst skeptischen und noch zurückhaltenden Geldgeber sind natürlich Feuer und Flamme, nachdem die fragwürdige Geschäftsidee positive Erfolge vermeldet. Die Fakten lassen sich nicht von der Hand weisen: The Future hat die erste Zeitmaschine der Welt erfunden. Und Ben plant Großes. Die Technologie soll für alle Menschen zugänglich gemacht werden. Die modifizierten Rechner sollen zu erschwinglichen Preisen in Serie gehen, was die revolutionäre Einführung des iPhones rückwirkend wie einen müden Witz erscheinen lässt. Allerdings ist es fraglich, wie gut es ist, ZU viel über die Zukunft zu wissen. Schon bald häufen sich die Probleme, was auch die Freundschaft der beiden Firmengründer Ben und Adhi sehr belastet…
schreibt …
Hervorzuheben ist, dass die Grundidee durchaus spannend und sehr interessant ist. Bis zu einem gewissen Punkt steigert sich diese Spannung auch, bevor die Kurve dann deutlich abflacht. Noch schlimmer ist, dass sie irgendwann in der Belanglosigkeit verläuft. Die privaten Probleme dominieren die Geschichte und die auf der Rückseite des Buches vielversprechenden „verstörenden“ Nachrichten aus der Zukunft entpuppen sich als mehr oder weniger leere Versprechen. Wären mir die Hauptfiguren sympathischer, hätte ich vielleicht noch mitfiebern können, aber so ist es letztendlich ein Roman, der nicht lange im Gedächtnis bleibt.
Das ist vor allem schade, weil die Erzählweise von Dan Frey sich erfrischend von anderen Büchern abhebt. War ich anfangs noch erstaunt und regelrecht skeptisch, dass komplett auf einen „Erzähler“ verzichtet wurde und die Charaktere ausschließlich via E-Mails, Textnachrichten etc. miteinander kommunizieren, funktionierte dieses Konzept aber überraschend gut. Ben Boyce erzählt die Geschichte von The Future rückwirkend, während er bei einer Kongressanhörung aussagt. Aus dieser finden sich immer wieder Auszüge. Ebenso gibt es Tweets, Blog-Postings, Briefe und offizielle Schreiben von Behörden. Erfreulicherweise nutzt sich dieser erzählerische Kniff nicht schnell ab, obwohl man sich erstmal daran gewöhnen muss, um in einen Lesefluss zu kommen.
Fazit:
Mit der interessanten Idee, einen Blick in die Nachrichten des kommenden Jahres zu werfen, hat man eigentlich schon die halbe Story-Miete. Leider verrennt sich die Geschichte in die Probleme ihrer Hauptfiguren und verläuft mit zunehmender Dauer zu spannungsarm. Erzählerisch durchaus kreativ und versiert, bleiben große Überraschungen aber aus.
Dan Frey, Heyne
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