Die schwebende Zitadelle
- Piper
- Erschienen: März 2022
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Ich bin dann mal weg: Wenn die Aussicht auf Reichtum ein ganzes Dorf mobilisiert
Raythe Vyre flieht seit Jahren zusammen mit seiner Tochter vor den feindlichen Bolgravianern, die ihn einst seiner Heimat beraubten. In Teshveld erfährt er jedoch etwas, das alles zum Guten wenden könnte: Ein Kartomagiker scheint im hohen Norden ein Istariol-Vorkommen entdeckt zu haben. Mithilfe dieses äußerst seltenen magischen Minerals könnte Raythe mit seiner Tochter ein neues Leben beginnen. Allein würden sie es jedoch niemals schaffen, die wertvolle Ressource zu bergen. Also schart Raythe Verbündete um sich: Bärenmensch Vidar, Revolverheld Jesco Duretto, Heilerin Kemara, Ritter Elgus Rhamp und die nicht ganz so fromme Priesterin Varahana sind ebenso mit von der Partie wie das gesamte Dorf Teshveld. Zusammen machen sie sich auf den gefahrenvollen Weg nach Norden, immerzu verfolgt von den Bolgravianern.
Die Spannung ist nicht auszuha... oh, schon vorbei
Ein ganzes Dorf auf Schatzsuche – das kann ja was werden. Welchen Herausforderungen sich die Menschen wohl stellen müssen? Wilde Bestien? Versorgungsschwierigkeiten? Unwegsames Gelände? Krankheit, Hunger, Streit, Verrat? Irgendwie ist von allem etwas dabei, aber so richtig fesselnd ist das Ganze trotzdem nicht. Das Problem ist hier David Hairs eigenwilliger Umgang mit dem Spannungsaufbau. Konflikte kann er wunderbar etablieren und sich ganz fiese Gefahren für seine Figuren ausdenken. Doch kaum sehen wir uns mit einer ausweglosen Situation, einem unglaublich starken Gegner oder einer schier unlösbaren Meinungsverschiedenheit konfrontiert, ist das Problem auf der nächsten Seite schon wieder gelöst. Diese Taktik verfolgt Hair so konsequent, dass man beim großen Showdown am Ende nicht einmal mehr mit der Wimper zuckt – zu groß waren die Enttäuschungen und zu sicher ist man, dass sich ein paar Zeilen später alles wieder in Wohlgefallen auflösen wird.
Viel Angst muss man um die Figuren (die sich ohnehin immer so verhalten, wie man es von ihnen erwartet) also nicht haben. Ohne Spannung und Wendepunkte gestaltet sich die Handlung so geradlinig, dass das einzig Überraschende ist, wie oft Raythe meint, sich mit seiner Teenager-Tochter über deren Jungfräulichkeit unterhalten zu müssen. Worüber soll man mit Frauen auch sonst reden? Anders ist das natürlich bei Heilerin Kemara: Hier haben wir eine weibliche Figur, die ihren eigenen Weg gehen will, sich keinen Regeln beugt und die keinen Mann an ihrer Seite braucht. Aber natürlich besteht ihre Charakterentwicklung daraus, festzustellen, dass dem nicht so ist. Na herzlichen Glückwunsch.
Trotzdem ist dieses Konstrukt recht unterhaltsam. Besonders das Magiesystem kann mit einigen Raffinessen punkten. Und entgegen klassischer High-Fantasy-Welten wird hier sogar mit Pistolen geschossen. Das ist eine Mischung, die der Handlung immer wieder tolle Momente beschert, genauso wie Jesco Duretto, der mit seinen kessen Sprüchen jede noch so träge Szene aufwerten kann. Kleine Logikfehler muss man jedoch verkraften können, denn es finden sich oft Sätze wie: „Es gab kaum genug Platz, dass zwei Leute nebeneinander hergehen konnten, aber mit etwas Vorsicht konnte ein Wagen hier fahren.“ Wenn man bedenkt, was alles in diesen Wagen vor sich geht und Platz findet, ist das eine ganz unglaubliche Beobachtung.
Fazit:
„Die schwebende Zitadelle“ ist ein buchgewordenes Roadmovie, das sein Potential leider oft verschenkt. Trotz paradoxem Umgang mit der Spannungskurve und anderer Schwächen ist die Geschichte aber ganz unterhaltsam und eignet sich gut als leichte Urlaubslektüre.
David Hair, Piper
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