The Art of THE LAST OF US
- Splitter
- Erschienen: Oktober 2021
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Hinter den Kulissen einer Pandemie
NAUGHTY but Nice
Erwähnt man in Anwesenheit von Gamern NAUGHTY DOG, werden wohl nur die wenigsten beleidigt reagieren. Viel mehr würde sich ein wohliges Grinsen über deren Gesichter ziehen, da unzählige Highlights vor den inneren Augen der Zocker aufplöppen dürften. Neben den illustren Charakteren „Jak and Daxter“ und dem quirligen Nasenbeutler „Crash Bandicoot“ sind es vor allem die über alle Kontinente verstreuten Abenteuer von Nathan Drake, die die „Uncharted“-Reihe bis heute zum Genre-Primus machen. Als First-Party-Entwickler gehört NAUGHTY DOG seit 2001, das Jahr in dem „Jak and Daxter: The Precursor Legacy“ für die PlayStation 2 erschien, zu den SONY INTERACTIVE ENTERTAINMENT WORLDWIDE STUDIOS. Das heißt, dass das US-Unternehmen exklusiv für SONYs Gaming-Plattformen entwickelt und neben den Kollegen von INSOMNIAC GAMES („Spyro“, „Ratchet & Clank“, „Resistance“, „Spider-Man“) oder SUCKER PUNCH PRODUCTIONS („Sly Raccoon“, „Infamous“, „Ghost of Tsushima“) für absatzstarke Top-Titel der verschiedenen Konsolen-Generationen verantwortlich ist. Als Ende 2007 mit „Uncharted: Drakes Schicksal“ das erste Abenteuer des schießwütigen Schatzsuchers mit dem flotten Mundwerk Konsolen-exklusiv für die PlayStation 3 auf den Markt kam, wurde schnell klar, dass „Grabräuberin“ Lara Croft vorerst das Zepter als Königin der Action-Adventures abtreten muss. Mit mittlerweile drei Reboot-Games ist die Action-Heldin zwar wieder recht solide im Rennen, muss sich aber stets an Drakes exotischen Raubzügen und den kreativen Rätseln messen lassen. Dabei toppte sich jedes der vier „Uncharted“-Hauptspiele selbst. Den letzten großen Knaller lieferte man im Mai 2016 mit „Uncharted 4: A Thief’s End“ ab. Nathan Drakes angeblich finalem Abenteuer… was eigentlich schwer zu glauben ist, dass man bei SONY so eine gewinnbringende Marke, die Zocker UND Kritiker gleichermaßen überzeugt, vorzeitig in den Ruhestand schickt. Frischen Wind dürfte die gefühlt seit Jahrzehnten angekündigte Verfilmung bringen. Die ist nämlich endlich im Kasten! Mit Spider-Man Tom Holland in der Titelrolle und Allzweck-Waffe Mark Wahlberg als väterlichen Freund Victor "Sully" Sullivan, wird „Uncharted“ voraussichtlich ab Mitte Februar 2022 (zeitgleich erscheint eine PS5-Collection der „Uncharted“-Spiele) zeigen, ob sich das Warten gelohnt hat, sich das Abenteuer-Genre nach und vor „Indiana Jones“ und Nicolas Cages „Tempelritter“-Filmen neu beleben lässt und ob endlich der Fluch der gurkigen Videospiel-Verfilmungen gebrochen werden kann. Mit „Resident Evil“ hat man es ja aktuell erneut verkackt und zum kläglichen „Mortal Kombat“-Reboot möchte ich mich aus Gründen des Selbstschutzes nicht äußern. Obwohl Regisseur Richard Fleischer die handzahme „Venom“-Verfilmung verbrochen hat, machen erste bewegte Bilder durchaus Lust auf eine wilde Jagd rund um den Globus, bei der bereits im Trailer einige Parallelen zu den Games auszumachen waren. Hoffnung kommt zusätzlich auf, weil NAUGHTY DOGs Co-Präsident Neil Druckmann einen Produzenten-Posten bekleidet. Und „Uncharted“ ist nicht das einzige Projekt des Entwicklungsstudios, das in Hollywood gerade in der Weiterverarbeitung steckt. NAUGHTY DOG hat ein weiteres heißes Eisen im Feuer, welches sich grundlegend von den launigen Adventure-Games mit übermäßigem Schusswaffen-Gebrauch unterscheidet. NAUGHTY DOGs nächster Top-Seller warf die Leichtigkeit über Bord und spielte die Blut-Polka auf der Klaviatur der Zocker-Nerven. Nach der Rätsel-lastigen Schatzsuche kam das knüppeldicke Ende. Und zwar…
Das Ende der Welt, wie wir sie kannten
Es war das ausgehende Jahr 2009, als NAUGHTY DOG den Auftrag für ein komplett neues Spiel erhielt. Ihre bisherigen Veröffentlichungen waren Verkaufsschlager und weitestgehend familientauglich. Mit dem brandneuen Projekt wagte man sich dann auf unbekannteres Terrain. Die Zielgruppe, die mit „The Last of US“ angepeilt wurde, klärte sich bereits mit dem Blick auf das Freigabe-Siegel. Nichts für Kinderhände. Und selbst erwachsene Spieler mussten bereits während des spielbaren Prologs schwer schlucken. Der herzzerreißende Beginn, in dem Hauptfigur Joel im nächtlichen Chaos brutal seine Tochter genommen wurde, zeigte früh, dass die Entwickler eine ordentliche Story-Schüppe draufgepackt hatten. Als das Spiel im Sommer 2013 exklusiv für die PlayStation 3 erschien, überschlugen sich die positiven Reviews der Branchen-Magazine. In Sachen Gameplay und Storytelling hatte NAUGHTY DOG sich selbst übertroffen und legte ein knüppelhartes Action-Adventure vor, an dem sich Genre-Kollegen noch heute messen lassen müssen. Doch… worum ging es eigentlich genau?
Der Kern der Story ist recht schnell erzählt. Die Weltbevölkerung wurde durch einen mutierten Pilz drastisch dezimiert. Infizierte verwandelten sich in rasende Bestien und griffen alles an, was nicht bei Drei auf den Bäumen oder in einem sicheren Versteck war. Der Ausbrauch kam schnell, unerwartet und heftig. Das Militär konnte der Lage nicht Herr werden und während Joel und sein jüngerer Bruder Tommy versuchten mit Joels Tochter Sarah zu flüchten, wurde diese von einem Soldaten erschossen. Joels ganz persönlicher Weltuntergang, der auch keine Spielerin und keinen Spieler kaltgelassen haben dürfte. Zwanzig Jahre sind seit dieser schicksalhaften Nacht ins Land gezogen. Zwanzig Jahre, die Spuren und Sporen hinterließen. Die Welt ist nun eine andere. Die Überlebenden bewohnen Quarantänezonen. Die Regierung brach zusammen und es haben sich verschiedene Fraktionen gebildet. Dazu gehören auch die Fireflies, die sich mit dem Militär auf Kriegsfuß befinden. Der desillusionierte Joel verdingt sich derweil als Schmuggler. Gemeinsam mit seiner Partnerin Tess nimmt er einen heiklen Auftrag an. Marlene, die Anführerin der Fireflies, vertraut ihnen die 14-jährige Teenagerin Ellie an. Eine Waise, die mit höchster Priorität aus der Quarantänezone Bostons geschafft werden soll. Ziel ist eine Firefly-Basis in Salt Lake City. Anfangs nicht begeistert von der minderjährigen Fracht mit dem großen Mundwerk, wachsen Joel und Ellie auf ihrer beschwerlichen Reise durch die Apokalypse immer enger zusammen. Joel ist fest entschlossen, das Mädchen heil zu ihrem Bestimmungsort zu bringen. Doch an jeder Ecke lauern Gefahren. Nicht nur die zahlreichen Infizierten haben es auf das ungleiche Duo abgesehen… sondern auch Plünderer, Kannibalen und der größte menschliche Abschaum, den man sich nur vorstellen kann.
Es hat etwas gedauert, bis ich selber mit „The Last of Us“ warm wurde. Auf der PlayStation 3 mochte ich das Spiel, legte es aber nach einem erfolgreichen Durchgang zu den Akten. Als nur ein Jahr später, im Sommer 2014, „The Last of Us: Remastered“ für die PS4 erschien, wollte ich noch mal reinlünkern. Eigentlich nur, ob die schon vorher tolle Grafik nochmals aufpoliert wurde. Nun, bei einem flüchtigen Blick blieb es nicht. So gar nicht. Ich kann noch nicht mal sagen, woran es genau lag, doch beim erneuten Anlauf hat das Game bei mir so richtig gezündet. So sehr, dass ich jede Ecke abgegrast hab, jedes Sammelobjekt abgriff und sogar die nervigen Multiplayer-Pfade einschlug, um das Spielerlebnis mit einer „Platin“-Trophäe zu krönen. Allerdings hatte ich selbst danach noch nicht die Schnauze voll und schmiss mich in den DLC-Schwierigkeitsgrad „Erbarmungslos“… und danach (und etliche Nervenzusammenbrüche später) in „Erbarmungslos Plus“. Klingt nach einer deftigen Portion Größenwahn, oder? Rückblickend betrachtet… ja. Aber die 100% Spielabschluss nimmt mir keiner mehr!!!
Und nun, nachdem zu „The Last of Us“ ein Stand-Alone-DLC namens „Left Behind“, ein Comic-Prequel mit dem Titel „The Last of Us: American Dreams“ (CROSS CULT) und 2020 mit „The Last of Us – Part II“ eine waschechte und schwer umstrittene Fortsetzung (darauf werden wir bei der Besprechung des zugehörigen Artbooks genauer eingehen) erschienen sind, laufen die Dreharbeiten zur kommenden Live-Action-Serie auf Hochtouren. In den Hauptrollen werden der „Mandalorian“ Pedro Pascal und die aus „Game of Thrones“ bekannte Bella Ramsey zu sehen sein. Grund genug, um die Vorfreude schonmal mit dem offiziellen Artbook zum ersten Game anzuheizen. Dieses hat der Bielefelder SPLITTER Verlag nun für den deutschen Markt herausgebracht. Eigentlich auf großartige und mindestens ebenso hochwertige Comic-Veröffentlichungen spezialisiert, steht „The Art of THE LAST OF US“ qualitativ mindestens ebenbürtig auf einer erhöhten Stufe des Luxus-Treppchens.
Ist das Kunst?
Ganz klar: Ja! „The Art of THE LAST OF US“ hält sich nicht mit ellenlangen Textpassagen auf. Das großformatige Hardcover liefert nach einer kurzen Einführung von Creative Director Neil Druckmann und Game Director Bruce Straley genau das, was man von solch einem Wälzer erwartet: Bilder, Bilder… und noch mehr Bilder. Und da reden wir nicht von Screenshots aus dem Spiel. Nein, denn wenn man ein solches Buch bewusst erwirbt, kann davon ausgegangen werden, dass man mit dem Konsolen-Kracher vertraut ist. Deshalb kommen ausschließlich Konzeptzeichnungen, detaillierte Hintergrund-Gemälde, Charakter-Entwürfe, Skizzen und Umgebungs-Artworks auf den Tisch. Und die können sich derart sehen lassen, dass es mir fast die Kinnlade aus der Verankerung gerissen hätte. Die zum Teil ganz- und doppelseitigen Bilder sind so unglaublich schön und fein ausgearbeitet, dass man sie direkt rahmen möchte. Unglaublich, welch winzigsten Details Aufmerksamkeit geschenkt wurde, um ein realistisches Städtebild im Spiel abzuliefern. Man orientierte sich an echten Umgebungen, was auf dem Bildschirm schon unheimlich viel Atmosphäre versprühte. Die gemalten Artworks, die den Entwicklern schon mal ein Gefühl für die Spielwelt vermitteln sollten, stehen dem „Wow!“-Erlebnis des Spiels in nichts nach. Bei manchen Bildern rätselt man tatsächlich, ob es sich um Zeichnungen handelt und nicht um Fotografien.
Den Charakteren des Spiels wird aber mindestens genau so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Wir sehen Joel, Ellie und die Personen, die sie auf ihrem Weg treffen, in unterschiedlichen Design-Stadien. Dazu noch, wie man mit Gestik und Mimik experimentierte und den Look Stück für Stück perfektionierte, damit sich alles nahtlos in die postapokalyptische Welt einfügte. Selbstverständlich tauchen auch die Infizierten in unterschiedlichen Stadien auf.
Fazit:
Ein Artbook, wie es sein sollte: reich bebildert, informativ, hochwertig. Schöner kann man eine verseuchte Welt nicht präsentieren. Fans des Spiels bekommen großartige Artworks auf dickem Papier zu Gesicht. Es wäre eine Schande gewesen, wenn diese tollen Bilder nicht den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten.
Neil Druckmann, Splitter
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