Der Teufel kriegt sie (fast) alle!
13 klassische und moderne Storys über Hexerei, Teufelsbeschwörung und Voodoo:
- Peter Haining: Vorwort (Introduction; 1969), S. 7
- W. H. Ainsworth: Das nächtliche Treffen (The Nocturnal Meeting; 1849), S. 8-21: Die alte Hexe will ihre Tochter vor dem Bösen bewahren, aber der Plan misslingt, und der Teufel hasst es hintergangen zu werden.
- H. P. Lovecraft: Das Peabody-Erbe (The Peabody Heritage; 1957), S. 22-42: Das geerbte Haus entpuppt sich als Brutstätte des Bösen, das umgehend dem Neubewohner im Nacken sitzt.
- William B. Seabrook: Die Rache der Hexe (The Witch’s Vengeance; 1930), S. 43-52: Da die alte Tirelou ihre Enkelin nicht ziehen lassen will, belegt sie deren Freier mit einem Fluch.
- Dennis Wheatley: Die Schlange (The Snake; 1933), S. 53-66: Der Wucherer begeht einen tödlichen Fehler, als er einen zauberkundigen Medizinmann wegen dessen Schulden gar zu sehr bedrängt.
- August Derleth: Die Messe des Fürsten Borgia (Prince Borgia's Mass; 1931), S. 67-71: Der italienische Fürst bedient sich Schwarzer Magie, um einige Teufelsanbeter zu bestrafen.
- Algernon Blackwood: Heimliche Anbetung (Secret Worship; 1908), S. 72-103: Der Besuch der alten Schule führt den nostalgisch gestimmten Harris an eine vom Bösen heimgesuchten Spukstätte.
- Francis Prevot: Der Teufelsanbeter (The Devil-Worshipper; 1923), S. 104-106: Das verfluchte Buch wird während der Lektüre buchstäblich lebendig - und dann tödlich.
- Basil Copper: Totenarchiv (Archives of the Dead; 1968), S. 107-136: Taucht ein Name in diesem Verzeichnis auf, wird sein Träger ein teuflisch böses Ende nehmen.
- Robert Bloch: Mutter der Schlangen (Mother of Serpents; 1936), S. 137-146: Der Sohn legt sich scheinbar erfolgreich mit der Mutter an, die allerdings als Hexe zuletzt lacht.
- Estil Critchie: Cerimarie (Cerimarie; 1924), S. 147-151: Ein Mann wagt sich in die Hölle der Voodoo-Sümpfe, wo er Grausiges erlebt.
- Shirley Jackson: Die Hexe (The Witch; 1949), S. 152-155: Eine Zufallsbegegnung im Reisezug erzählt dem faszinierten Jungen eine wahrlich unvergessliche Geschichte.
- Ray Bradbury: Heimkehr (Homecoming; 1947), S. 156-168: Der arme Timothy ist ein Freak, denn er muss nachts schlafen, wenn seine Familie putzmunter ist.
- Edgar Allan Poe: Wette nie mit dem Teufel um deinen Kopf (Never Bet the Devil Your Head; 1845), S. 169-175: Toby wettet mit jedem um seinen Kopf, was einem besonderen Herausforderer zu Ohren kommt.
Verlockung und Verderben
Das Leben ist erwiesenermaßen schwer, weshalb der Mensch hellhörig wird, hört er von ‚Abkürzungen‘, die ihm den damit verbundenen Kampf erleichtern. So etwas klingt in den Ohren jener, die an eine bewusste Lenkung des Universums glauben, nach unlauterem Drücken vor einem an Nackenschlägen reichen Dasein, wie es vor allem der Christengott vorsieht; nicht grundlos nennt sich das irdische Leben auch „Jammertal“.
Aber auch die anderen Religionen dieser Welt Sind überaus einfallsreich, wenn es darum geht, ihren Schäfchen entsprechende Fluchtgedanken auszutreiben. Im Rahmen der hier vorgestellten Sammlung ist wieder das Christentum herauszustellen, das hinter solchem Bemühen und dessen (scheinbaren) Gelingen stets den „Teufel“ agieren sieht. Der verbringt seine Zeit damit, unter großem Aufwand Menschenseelen zu jagen, die er erbeutet, indem er seinen Opfern Macht und Reichtum verspricht, wenn sie sich ihm unterwerfen. Am Ende steht selbstverständlich der Sturz in die Hölle als ewig währende Strafe, die im Christentum die böse Tat an Intensität stets um Längen übertrifft.
In fast reiner Ursprünglichkeit schildert dies William Harrison Ainsworth (1805-1882) in einer frühen Kurzgeschichte, die eigentlich ein Kapitel aus seinem 1849 erschienenen, sehr erfolgreichen Roman „The Lancashire Witches“ ist. Obwohl er die Charaktere zeitgenössisch üblich überzeichnet, greift der Autor auf Mythen und Legenden über (weibliche und männliche) Hexen als Nutznießer und Sklaven des Satans zurück, was in der lebendigen Schilderung eines teuflischen „Sabbats“ gipfelt. Mit einem ähnlichen Höhepunkt endet August Derleth (1909-1971) in der ‚historisierenden‘ Darstellung einer ‚im Namen des Guten‘ verhinderten Hexenrunde, wobei der Autor ironisch eine denkbar verrufene, historische Persönlichkeit „im Namen Gottes“ handeln lässt, was hier nichts anderes bedeutet als das brutale Foltern der „Ketzer“, bevor sie ihr Meister - der Teufel - holt.
Der wertlose Lohn der bösen Tat
Obwohl „The Evil People“ - so der Originaltitel dieser Kollektion - in einer Reihe eher auf Grell-Action und Haudrauf-Spuk zielender Taschenbücher erschien, garantierte Herausgeber Peter Haining (1940-2007) für thematische Sorgfalt und die Vermittlung interessanter Hintergrundinformationen, die - selten genug - für die deutsche Übersetzung übernommen wurden. Haining mischt klassische und moderne Gruselgeschichten und schreckt auch vor trashigem ‚Pulp‘ nicht zurück. Im Vordergrund steht für ihn die Seltenheit der jeweiligen Erzählung, was seinerseits intensive Genrekenntnisse und den Zugriff auf längst vergriffene Publikationen erfordert, aus denen er manches Juwel bergen kann.
Besonders stolz ist er auf eine lange nicht mehr gedruckte Story des Großmeisters Edgar Allan Poe (1809-1849), der den damals bereits ausgelaugten Plot durch trockenen Humor belegt sowie zeitgenössische Klischees konterkariert. („The Evil People“ erschien erstmals 1969; womöglich wusste Haining in seiner internetlosen Ära noch nicht, dass Regisseur Federico Fellini [1920-1993] Poes Story im Vorjahr für den französisch-englischen Episodenfilm „Histoires extraordinaires“ [dt. „Außergewöhnliche Geschichten“] verfilmt hatte. Auch die beiden anderen Regisseure gehörten zu den Großen des Films: Louis Malle und Roger Vadim.)
Unschuld schützt vor Strafe nie
Formal und inhaltlich erstklassig verdeutlicht Algernon Blackwood (1869-1951), dass sich das Böse nur bedingt unter Kontrolle halten lässt. Der betont harmlose, in Jugenderinnerungen schwelgende Reisende gerät nicht unter alte Freunde, sondern unter böse Geister, die ihn, der sich nichts zuschulden kommen ließ, als willkommenes Opfer betrachten. Nur das Erscheinen eines ‚Fachmanns‘, der sich mit okkulten Umtrieben auskennt, verhindert im letzten Moment das Schlimmste; es ist Dr. John Silence, eine Figur, die Blackwood in eine Serie phantastisch-gefährlicher Abenteuer verwickelt hat.
Ebenso übel ergeht es dem ahnungslosen Erben, der seiner Familiengeschichte nicht entrinnen kann. Nicht Howard Phillips Lovecraft (1890-1937), sondern ebenfalls August Derleth (s. „Die Messe des Fürsten Borgia“) hat „Das Peabody-Erbe“ nach einer angeblichen Story-Skizze Lovecrafts und Jahre nach dessen Tod geschrieben, was den Unterhaltungsfaktor aber nicht negativ beeinflusst.
Generell ist Neugier gefährlich. Francis Claire Prevot (1887-1967) beschreibt das Schicksal eines Forschers, der - auch dies eine bekannte Warnung - sich um Wissen bemüht, das dem Menschen nicht zusteht, weil es umgehend böse Mächte des Jenseits‘ auf den Plan ruft, die den jeweiligen Pechvogel packen - ein Schicksal, das auch den ‚Helden‘ der speziell für diese Sammlung entstandenen Erzählung von Basil Copper (1924-2013) ereilt. Leider geht Copper, der eigentlich ein profunder Kenner geschriebenen und verfilmten Grusels war, zu sehr und unnötig in die Breite. Als Leser weiß man viel zu früh, worauf dieses Garn hinauslaufen wird. „Das Totenarchiv“ ist das Schlusslicht dieser Kollektion.
Der Teufel und sein Personal
Außer Ainsworth erzählen auch William Buehler Seabrook (1886-1945) und Robert Bloch (1917-1994) von bösen Hexen, wobei letzterer in der politisch korrekt gewordenen Gegenwart sicherlich Schwierigkeiten mit seiner bitterbösen, aus heutiger Sicht ‚rassistischen‘ Sicht auf die Insel Haiti bekäme, die er als Höllenloch schwarzmagischer Umtriebe unter einer dünnen zivilisatorischen Tünche darstellt. Auch Estil Critchie (d. i. Arthur J. Burks, 1898-1974) schwelgt in populärkulturellen Klischees, lässt dabei aber jegliche Ironie vermissen und seine Story enden, indem der ‚Held‘ dem grausamen Voodoo-Meister sadistisch ein Ende beschert, das an drastischem Grauen nichts zu wünschen übrig lässt, aber eben ‚gerecht‘ ist.
Ebenfalls in einem eindimensionalen und so nur in der Trivialkultur ‚existierenden‘ Afrika spielt Dennis Wheatleys (1897-1977) Geschichte. Überall lauern wilde Tiere (und Menschen), Krankheiten, Wahnsinn und Hitze auf den „weißen Mann“, den Abenteuerlust, Not oder (so nie direkt genannte) Gier in „den Dschungel“ locken. Nicht nur im kolonialen Großbritannien waren solche Garne beliebt, wie vor Wheatley Autoren wie H. Rider Haggard (1856-1925) und vor allem Edgar Rice Burroughs (1875-1950) mit seinen „Tarzan“-Abenteuern unter Beweis stellten.
Zwei Storys fallen aus dem Rahmen. Shirley Jackson (1916-1965) beschwört eindringlich jenen echten Schrecken herauf, der im Menschenhirn haust und sich wahnsinnig, aber warnungslos meldet. Ray Bradbury (1920-2012) bürstet das Genre lyrisch gegen den Strich. Der Außenseiter ist hier ein Menschenjunge, der in eine Sippe von Vampiren, Werwölfen u. a. Wesen hineingeboren wurde. Timothy verfügt nicht über deren übernatürlichen Kräfte und leidet darunter, was uns Bradbury mit dem ihm eigenen Talent glaubhaft zu vermitteln weiß.
Fazit:
Dreizehn bis auf eine Ausnahme ausgezeichnete und/oder unterhaltsame Erzählungen loten das gewählte Thema (literatur-) historisch, ernsthaft oder (schwarz-) humorig aus. Die deutsche Übersetzung ist ungekürzt, was eine besondere Erwähnung wert ist!
Peter Haining, Fischer
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