Crave (Die Katmere Academy-Chroniken 1)
- dtv
- Erschienen: August 2021
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Klischee, Kitsch und "beissende" Kälte
Praktisch alle von uns haben ein "Guilty Pleasure". Ich zum Beispiel bin ein recht grosser Fan der "Twilight-Saga". Immer wieder tauche ich gerne in die von Stephenie Meyer geschaffene Welt von Bella und Edward ab. Wenn ich dann über ein Buch stolpere, welches als das neue "Twilight" gehypt wird, ist klar, dass ich nicht dran vorbei gehen kann. Ist "Crave" ein würdiger Nachfolger?
Ein eisiger Empfang
Das gewohnte Leben kann sich von einer Sekunde auf die andere komplett ändern. Diese Erfahrung muss auch die 16-jährige Grace machen. Sie ist gezwungen zu ihrem Onkel nach Alaska zu ziehen, nachdem sie vor kurzem ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat. Aus dem warmen San Diego in den frostigen Norden zu ziehen, bleibt aber nicht die einzige Schwierigkeit, mit der Grace sich konfrontiert sieht. An ihrer neuen Schule, der Katmere Academy, läuft es auch nicht rund. Obwohl ihr Onkel der Internatsleiter ist, und ihre Cousine Macy sich rührend um sie kümmert, fühlt Grace sich total fehl am Platz. Die anderen Mitschüler benehmen sich ihr gegenüber äusserst kalt und abweisend. Zudem ereignen sich im Internat dauernd merkwürdige Vorfälle... Und immer wieder ist Grace in "Unfälle" verwickelt, die sie in tödliche Gefahr bringen.
An der Katmere Academy scheint aber niemand gewillt zu sein, auf ihre Fragen antworten zu wollen. Selbst von Macy, ihrer einzigen Vertrauten, bekommt Grace bloss Ausflüchte zu hören. Nur Jaxon Vega, der ungekrönte König der Schule, wird deutlicher. Er rät ihr, sich so schnell wie möglich wieder auf den Heimweg zu machen, da die Academy kein Platz für sie sei. Doch Grace denkt nicht daran, die Katmere zu verlassen. Nicht nur dass sie kein anderes zu Hause mehr hat, sie fühlt sich unwiderstehlich von Jaxon angezogen und ist wild entschlossen herauszufinden, welches Geheimnis er und ihre neue Schule verbergen.
Junges Mädchen zieht an neuen Ort und verliebt sich in den mysteriösen Schönling...
Man soll ja nicht dauern Vergleiche anstellen. Wenn es jedoch so viele Parallelen gibt, wie zwischen "Crave" und "Twilight", kommt man einfach nicht drum rum. In beiden Büchern muss ein junges Mädchen umziehen. Weg vom sonnigen zu Hause an einen Ort, mit eher mässigem Wetter. An der neuen Schule ist sie sofort vom mysteriösen Schönling fasziniert, der bisher alle weiblichen Wesen mit Nichtachtung strafte, bei ihr dann aber in leidenschaftlicher Liebe entflammt. Und das obwohl sich die weibliche Hauptfigur nicht für besonders attraktiv hält. Konkurrenz in tierwandlerischer Form darf natürlich auch nicht fehlen...
Selbstverständlich gibt es auch Unterschiede. In "Crave" bevölkern viel mehr übernatürliche Geschöpfe die Buchseiten, und mit prickelnden Liebesszenen wird nicht bis zum finalen Teil der Geschichte gewartet. Kommt hinzu, dass mir Grace schlagfertiger und selbstbestimmter erscheint als Bella. Beim anschmachten ihres Herzallerliebsten schlagen aber beide etwa gleich übertriebene Töne an.
Chancen auf Literaturnobelpreis: eher gering
Grace fand ich eine extrem naive junge Frau, um es mal höflich auszudrücken. Sie braucht eine gefühlte Ewigkeit um zu realisieren, dass ihr angebeteter ein Vampir ist und an der Katmere-Academy einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Dabei werden ihr die Hinweise fast auf dem Silbertablett serviert. Ihre Unfähigkeit, eins und eins zusammen zu zählen, nervt mit der Zeit gewaltig. Aber auch Jaxon kann einem gehörig auf den Zeiger gehen. Er ist praktisch der Proto-Typ des Bad Boys - harte Schale, weicher Kern. Sein Gehabe ist so was von drüber, dass es bereits wieder lustig ist. Dazu knurrt er gefühlt alle fünf Minuten oder schmeisst mit frostigen oder tödlichen Blicken um sich.
Tracy Wolff beglückt uns nicht gerade mit einer anspruchsvollen Handlung. Was in "Crave" passieren wird, kann sich die geübte Fantasy-Leserschaft nach wenigen Kapiteln selbst zusammenreimen. Sprachlich wird man ebenfalls kaum gefordert. Es gibt viele Wiederholungen, der Wortschatz ist überschaubar und bei einigen Szenen sucht man die Logik vergebens. Zudem sind die Figuren dermassen überzeichnet, dass es an einigen Stellen schon wieder zum Lachen ist. Vielleicht war ja genau dies die Absicht von Wolff? Das Zielpublikum, welches ich im Bereich "Young Adults" ansiedle, kann wahrscheinlich grosszügiger über meine Kritikpunkte hinwegsehen.
Witzig fand ich dagegen die von der Autorin gewählten Kapitelüberschriften. Und ich muss gestehen, dass Frau Wolff mit ihrem Schreibstil einen gewissen Sog entfachen kann. Ansonsten hätte ich diese 700-Seiten-Schwarte wohl kaum innert kürzester Zeit durchgelesen.
Fazit:
Wer gerne Fantasy mit Anspruch und Tiefgang liest, hat mit diesem Buch etwa gleich viel Freude, wie ein Vampir mit einer Knoblauchkette. Die Story ist flach, vorhersehbar und bedient so ziemlich jedes Klischee, welches man vom Genre Vampirroman erwartet. Dennoch gebe ich 55 Grad. Warum? Weil Tracy Wolff es geschafft hat, eine Geschichte zu schreiben, deren Sog ich mich trotz aller Kritikpunkte nicht entziehen konnte. "Crave" hat gemacht, was ich von einem Buch erwarte: Mich unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Am 16. März 2022 erscheint unter dem Titel "Crush" die Fortsetzung.
Tracy Wolff, dtv
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