Liber Bellorum - Band I: Blut & Feuer
- Mankau
- Erschienen: Oktober 2021
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Wut im Blut
Ungleiche Brüder
In Familien kennt man sowas: Bei jeder Feier gibt es den einen, der komplett aus dem Rahmen fällt. Entweder ist es der Cousin, der still vor sich hin wippend in der Ecke hockt und gedanklich seine ganz eigene Party feiert, die Tante, die nach dem dritten Gläschen schmutzige Witze erzählt und sich selbst am besten dabei amüsiert, oder der Bruder, der mit offener Hose und der Krawatte um die Stirn gebunden gegen Mitternacht zum Berserker mutiert und sich kopfüber in den Glastisch schmeißt, während er eine beklemmende Version von „Cotton Eye Joe“ furzt. Lacht nicht! Alles schon dagewesen. So manche schlagen halt vollkommen aus der Art. Und es ist vor allem interessant zu sehen, wie unterschiedlich Brüder (selbst ohne Eingreifen des Postboten) geraten können.
Kyle und Raven sind solche komplett gegensätzlichen Brüder. Ein verheerendes Feuer, bei dem ihre Eltern ums Leben kamen, ließ die beiden zu heimatlosen Waisen werden. Der ältere Kyle musste viel zu jung „erwachsen“ werden und sich um seinen kleinen Bruder kümmern. So zogen sie jahrelang umher, ohne irgendwo länger zu verweilen. Und daran ist der aufbrausende Kyle nicht ganz unschuldig. So ganz und gar nicht. Sein übertriebenes Temperament sorgt noch immer dafür, dass die beiden sich niemals fühlen können, als wären sie angekommen. Darunter leidet vor allem der schüchterne und in sich gekehrte Raven. Doch jedes Mal, wenn er seinem großen Bruder die Leviten lesen will, beißt er auf Granit. Kyle lässt sich von niemandem etwas sagen und nimmt sich was er will. Nicht die besten Eigenschaften, die einen immer größeren Kyle… äh, Keil zwischen sie treiben.
Nachdem es familiär mal wieder ordentlich gerappelt hat (natürlich wegen Kyle), trennen sich ihre Wege. Allerdings sind sie nur kurz auf Solo-Pfaden unterwegs, denn beide machen die Bekanntschaft von Melenis. Melenis ist ein Kind des Blutes, was bedeutet, dass Magie durch ihre Adern fließt. Spezielle Magie. Nichts Ungewöhnliches in ihren Gefilden, ist es für die Novizin doch unvorstellbar, dass es laut Gerüchten im „verbotenen Land“ hinter den Bergen tatsächlich Menschen ohne magische Fähigkeiten geben soll. Um den Umgang mit der nicht ungefährlichen Blut-Magie zu erlernen, besucht Melenis die ebenso imposante wie ruhmreiche Akademie. Dort werden die Besten ihres Fachs von den sogenannten Altmagiern höchstpersönlich unterrichtet. Nicht uninteressant für Kyle und Raven, denn in ihnen schlummert unbemerkt ebenfalls Magie, welche sich über die Jahre bedrohlich angestaut hat und nur darauf wartet, entfesselt zu werden…
Leistungskurs: Elementarmagie
Das durchaus kreative Magie-System stellt das Highlight vom Trilogie-Auftakt „Blut & Feuer“ von Autorin Warda Moram dar. Aufgeteilt in zehn Elemente, wurden die genauen Eigenschaften der jeweiligen Kraft in dem Nachschlagewerk „Farben der Magie“ (nicht verwandt oder verschwägert mit Terry Pratchetts „Scheibenwelt“-Debüt) von der Wissensmeisterin Pharis festgehalten. Kategorisiert werden die Kinder des Wassers, Kinder des Feuers, Kinder der Erde, Kinder des Windes, Kinder des Waldes, Kinder der Wüste, Kinder des Wissens, Kinder des Blutes, Kinder des Dunkels und schließlich die Kinder des Lichts. Speziell letztere Magie ist in dem so sorglos erscheinenden Reich von großem Nutzen, lassen sich durch die sogenannten Lichter doch Krankheiten und Verletzungen heilen. Detaillierte Beschreibungen finden sich im Anhang des Romans, was durchaus hilfreich ist und bestimmte Charaktereigenschaften (sowie äußere Merkmale) des oder der Magie-Begabten besser erklärt.
Im ersten Band stehen besonders Blut- und Feuer-Magie im Fokus, was der Titel bereits vorwegnimmt. Unnötig zu erwähnen, dass unsere beiden Hauptfiguren (der Zeternde und der Nölende) damit in Verbindung stehen. Interessierte Leserinnen und Leser können ab April 2022 erfahren, wie es weitergeht, denn dann bringt der MANKAU Verlag unter seinem Imprint JULOS mit „Licht & Schatten“ die Fortsetzung raus, bevor mit „Liber Bellorum: Asche & Phönix“ im Oktober 2022 das Trilogie-Finale ansteht.
Spätzünder?
Ich musste echt noch mal zurückblättern, um mich zu vergewissern, dass ich mich bei den Altersangaben der Brüder nicht verlesen hatte. Da sowohl Kyle als auch Raven bereits die Volljährigkeit überschritten haben und der ältere Bruder sogar mitten in seinen Zwanzigern steckt, hätte ich etwas mehr Reife erwartet. Ob ein solch eindimensionales Bild von jungen Männern nicht viel zu klischeebeladen ist, sei mal offen dahingestellt, aber die Brüder erscheinen doch arg ungestüm und triebgesteuert. Der Bad-Boy und der Emo. Klar, schwere Kindheit und so… aber trotz der inhaltlich notwendigen Schwarz-Weiß-Zeichnung, um die charakterlichen Unterschiede klar gegeneinander zu stellen, sind mir die beiden Holzköppe einfach zu tumb geraten. Leider ein Bild, das sich durch den gesamten Roman zieht. Keine Figur kann wirklich durch Tiefe glänzen. Nicht einmal Melenis, die eher neutral zwischen den Stühlen steht und vielleicht am ehesten Identifikationsfigur für die Leserinnen und Leser sein könnte, dies aber selbst durch ihre wankelmütige Verhaltensweise sabotiert und als Charakter die Story wenig vorantreibt.
Ein weiteres Manko ist der Erzählstil. Sprachlich einfach gehalten gibt es zwar einige nette Ideen im Rahmen des Magie-Systems, doch speziell im Mittelteil läuft man über weite Strecken auf der Stelle. Hier verläuft die Spannungskurve ohne nennenswerte Höhepunkte neutral. Im letzten Drittel vergaloppiert sich die Story und gerät durch ihr plötzlich angezogenes Tempo gehörig ins Stolpern. Ein nicht nachvollziehbarer Zeitsprung hüpft über gar nicht so uninteressante Entwicklungen hinweg, die vielleicht dazu beigetragen hätten, die Motivation einer der Hauptfiguren eher nachvollziehen zu können. So bleibt die Geschichte aber oberflächlich und endet trotz Cliffhanger mit der Vermutung, die sich bereits nach den ersten Kapiteln andeutete.
Fazit:
Wenn man noch recht frisch im Fantasy-Genre unterwegs ist, könnte „Liber Bellorum: Blut & Feuer“ ein guter Einstieg sein, um erstes Blut zu lecken. Für fortgeschrittene Lese-Hasen und -Häsinnen in diesen Phantastik-Gefilden bietet der Trilogie-Auftakt nicht viel neues. Das unberechenbare Verhalten der Figuren ist schwer nachzuvollziehen, weshalb es fraglich ist, ob ich mehr Zeit mit Melenis, Raven und Kyle verbringen möchte.
Warda Moram, Mankau
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