Hidden Worlds 1 - Der Kompass im Nebel
- Fischer
- Erschienen: August 2020
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Shopping-Trip der etwas anderen Art
Neuer Job, neues Glück?
Elliot Craig ist Anfang 20 und lebt mit seinem Dad in Edinburgh. An seine Mutter hat er keine Erinnerung mehr, da diese die Familie früh im Stich ließ. Da sein Vater seinen Job nicht mehr ausüben kann, muss Elliot dafür sorgen, dass der Haushalt läuft und warmes Essen auf den Tisch kommt. Dies gelingt dem jungen Burschen eher schlecht als recht. Seinen aktuellen Job in einer miefigen Burger-Bude ist er unverschuldet nämlich schon wieder los. Jemand griff in die Ladenkasse und Elliot darf den Ärger ausbaden. Ein weiterer Stein, der auf seinem schmalen Kreuz abgelegt wird. Die anderen Brocken hat sein Vater dort zwischengelagert, der sich nach einem Arbeitsunfall nie wieder gefangen hat. Elliot und er leben praktisch aneinander vorbei und nur selten werden Gespräche zwischen ihnen mehrsilbig. Dafür sitzt der alte Herr den lieben langen Tag vor der Glotze und schaut Tier-Dokus in Dauerrotation. Da die aktuelle Lage, ohne Job und entsprechende Perspektiven, nun mal wieder extrem dürftig ausschaut, hat der Vater aber einen Tipp, der wieder Bares in die leere Familienkasse spülen könnte.
Elliots Vater nennt ihm eine Adresse in Old Town. Dort hat ein alter Bekannter angeblich ein Geschäft, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Obwohl es Elliot komisch vorkommt, macht er sich am nächsten Morgen auf in die George Street, einer recht belebten Einkaufsstraße. Tatsächlich findet er unter der Adresse einen kleinen Laden. Für Kilts. Ihr wisst schon, diese modisch-karierten Herren-Röcke, bei denen man nie weiß, was einen darunter erwartet. Als er dem Inhaber gegenüber den Namen John Craig erwähnt, macht Theodore Fizzles große Augen. Es macht wirklich den Anschein, dass sein Dad einen Stein beim guten Theodore im Brett hat, denn er bekommt den Job. Allerdings soll er keine Kilts verkaufen, sondern andere „Sachen“. Und sich um diverse „Besorgungen“ kümmern. Elliot denkt zuerst an irgendwelche mafiösen Strukturen und sieht sich fast schon mit einem Bein im Kittchen… oder mit beiden in Beton… auf dem Grunde eines Flusses. So schlimm kommt es aber nicht, dafür… GANZ anders als er es sich hätte träumen lassen.
Staatsfeind(in) Nr. 1
Theodore „entführt“ Elliot Craig ins Merlin-Center. Ein ganz, GANZ besonderes Kaufhaus, das den meisten Normal-Sterblichen verborgen bleibt. Mit sogenannten Schnellreisetickets - und ein wenig Hokuspokus - reisen die beiden im Handumdrehen von Edinburgh in die abgelegenen schottischen Highlands. Als er das imposante, mehrstöckige Gebäude sieht, muss der geschockte und noch immer von der Reise durchgeschüttelte Neu-Mitarbeiter erstmal schlucken. Wow… dies soll also sein neuer Arbeitsplatz sein? Soll es. Und die Überraschungen reißen nicht ab. Das Merlin-Center führt so ziemlich alles Phantastische. Schriftrollen, Tränke, Artefakte, Bücher, Kleidung, Waffen… und so manches Fabelwesen. Da kann selbst der größte Online-Händler nicht mithalten.
Elliot soll dem Buffaloman Gerry zur Hand gehen, welcher allein schon durch sein bulliges Auftreten und seine imposante Größe einschüchternd wirkt. Die zwei Stierhörner, die Gerry aus der Dunstkiepe wachsen, sind da noch nicht mitgerechnet. Dafür hat der Minotaurus-ähnliche Riese, der sich anfangs noch etwas wortkarg gibt, aber das Herz am rechten Fleck. Elliot soll Gerry in der Fabelwesen-Abteilung unterstützen.
Kaum im Merlin-Center angekommen und die ganzen Eindrücke noch gar nicht richtig verarbeitet, wird Elliot gleich mehrfach mit seiner ihm unbekannten Mutter konfrontiert. Er erfährt, dass Cecile Craig keineswegs grundlos ihre Familie verließ. Tatsächlich ist sie in der magischen Welt eine Art Legende. Schließlich stahl sie die Avalon-Formel und wurde daraufhin von der Inquisition inhaftiert. Und angeblich lebt sie noch! Die Kirche sorgte vor Hunderten von Jahren dafür, dass der Weg von Avalon, jenem mythischen Ort, wo alle phantastischen Wesen leben, zu unserer Welt geschlossen wurde. Alle sich in unserer Welt befindenden Wesen werden lediglich geduldet und der Inquisition ist sehr daran gelegen, deren Existenz vor den Augen Sterblicher zu verbergen. Auch ein Grund, warum das Merlin-Center von der Metropole Londons in die Abgeschiedenheit der Highlands umzog. Bis heute scheint Cecile den Fundort der Formel, die das Portal nach Avalon wieder öffnen kann, nicht preisgegeben zu haben. Doch da der Name Craig der Inquisition nur allzu bekannt ist und deren sämtliche Alarmglocken zum Klingeln bringt, haben die Häscher der Kirche bereits Elliot ins Visier genommen…
Auf den Spuren von Percy und Harry
Was sich im Grunde wie eine Mischung aus „Harry Potter“ und „Percy Jackson“ anhört, ist im Grunde eine Mischung aus „Harry Potter“ und „Percy Jackson“. Ja, man kann es nicht anders sagen. Und obwohl allzu große Überraschungen ausbleiben und altbekannte Pfade abgelaufen werden, macht Mikkel Robrahns Fantasy-Abenteuer irgendwie Spaß. Das Buch liest sich unkompliziert und zügig weg. Im besten Sinne leichte Lektüre, ohne dies despektierlich zu meinen. Zwar vergaloppiert er sich an manchen Stellen etwas und die Handlung holpert und stolpert durch die eine oder andere Passage, was ich persönlich aber mit einem zugedrückten Auge wegstecken konnte. Alte Fantasy-Hasen werden sicherlich schwerer zu begeistern sein, aber Urban-Fantasy-Neulinge könnte das Phantastik-Debüt von Robrahn, der zuvor den Roman „Viggo: A PietSmiet Story“ schrieb, durchaus in den Bann ziehen. Gute Ansätze, welche in den folgenden Ablegern hoffentlich noch etwas Feinschliff bekommen, sind im Reihen-Auftakt definitiv vorhanden.
Nur Elliot bleibt für mich erschreckend blass. Angeblich Anfang 20, war ich froh, dass er sich unfallfrei die Schuhe zubinden konnte. Etwas unbeholfen, der Gute. Auch schwankt meiner Ansicht nach, in welchem Alter die eigentliche Zielgruppe von „Hidden Worlds - Der Kompass im Nebel“ liegen soll. Für Erwachsenen-Fantasy deutlich zu seicht und auch zu leicht durchschaubar, für Jugend-Fantasy mit seinen offensichtlich erwachsenen Charakteren dann wieder zu… ja, erwachsen. Obwohl bestimmt auch die jüngsten Leser Freude an lispelnden Drachen hätten. Hier wirkt die Mischung also etwas unausgegoren.
Fazit:
Fantasy-Debütant Mikkel Robrahn, der für Gaming-Freunde kein unbeschriebenes Blatt und organisatorischer Kopf der PietSmiet-Truppe ist, hat mit dem ersten Band seiner „Hidden Worlds“-Saga einen abenteuerlichen Auftakt vorgelegt, der immer wieder Erinnerungen an die großen Vorbilder weckt, sich dafür aber flüssig lesen lässt. Große Überraschungen bleiben zwar aus, dafür merkt man jederzeit die Schreibfreude des Autors. Den zweiten Band, „Die Krone des Erben“, der ab 10. März 2021 im FISCHER Verlag erscheint, werde ich mir trotz aufgeführter Kritikpunkte anschauen.
Mikkel Robrahn, Fischer
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