Tinte & Siegel: Die Chronik des Siegelmagiers 1
- Klett-Cotta
- Erschienen: Februar 2021
- 3
Ein Feenreich mit mafiösen Strukturen
Al MacBharrais hat einen der spektakulärsten Jobs der Welt. Und damit ist nicht die Arbeit in seiner Druckerei gemeint, denn die ist nur Tarnung. In Wirklichkeit ist er ein Siegelmagier, der allerlei Zauber anfertigen kann und dafür verantwortlich ist, Verträge aufzusetzen. Was zunächst langweilig klingt, ist mitunter eine gefährliche Tätigkeit, denn Al MacBharrais steht in den Diensten der Feenkönigin Brighid und regelt in Verträgen, welche Feenwesen die Welt der Menschen besuchen dürfen, für wie lange und zu welchem Zweck.
Aus diesem Grund bemühen sich Siegelmagier schon früh um einen Nachfolger. Blöd nur, dass Al MacBharrais verflucht wurde: Er kann seine Stimme nicht benutzen (diese zu hören, würde jeder mit dem Tod bezahlen) und seine Lehrlinge sterben reihenweise aus ungewöhnlichen Gründen. Als MacBharrais’ siebter Lehrling Gordie an einem Scone erstickt, entdeckt der Siegelmagier Ungeheuerliches: Gordie war offenbar im illegalen Handel mit Feen verstrickt. Je mehr MacBharrais versucht, die Sache aufzuklären, desto mehr verstrickt er sich in ein Netz aus Lügen und Verrat.
Da geht noch mehr
Autor Kevin Hearne widmet sich mit dem Auftakt seiner Chroniken des Siegelmagiers einem Spin-off zu seiner Romanreihe „Die Chronik des eisernen Druiden“. Für Neueinsteiger eigentlich kein Problem, doch das Worldbuilding in „Tinte und Siegel“ ist etwas schwach auf der Brust. Es gibt nur wenige Details, welche die Welt fassbar machen würden, die Systeme sind für Neueinsteiger nur schwer zu durchschauen. Dank des angenehm flotten Erzähltempos wird man zwar wie im Sog durch die Geschichte gezogen, trotzdem wirkt die Welt recht lieblos zusammengeschustert. Auch wenn es ein Spin-off ist, hätte es für den Start einer neuen Reihe ruhig ein wenig mehr sein können.
Von etwas mehr hätten auch die Handlung und der Protagonist profitiert. Nach einem spannenden Start folgt eine ebenso spannende Detektivarbeit, die jedoch in einer so simplen Auflösung endet, dass man sich ein wenig verschaukelt vorkommt. Sogar Siegelmagier Al MacBharrais schwächelt vor sich hin. Seine Hintergrundgeschichte ist zwar verflucht (Achtung: schlechtes Wortspiel) interessant, allerdings lässt er fast ausschließlich andere die Hauptarbeit erledigen. Wenn er auch sonst recht überflüssig ist – delegieren kann der gute Al schon.
Es leben die Klischees
Obwohl das Worldbuilding nicht unbedingt mit Tiefgang gesegnet ist, fügen sich die fantastischen Elemente mühelos in unsere reale Welt ein. Edinburgh als Großstadtsetting mit riesigen Feenreichen in anderen Dimensionen hat schon was. Wenn nun illegale Grenzüberschreitungen stattfinden, und das auch noch zum Schaden diverser Hobgoblins, Pixies oder Kobolde, gibt es ordentlich Ärger für die Siegelmagier. Trotz der deutlichen Allegorie auf den ganz realen Menschenhandel holt Hearne notorisch den Zaunpfahl raus, was seinem Konzept die Stärke nimmt. Zudem drängelt sich der Autor gerne selbst in den Vordergrund, entweder um seine Meinung zum Brexit abzugeben oder mit seinem Wissen über die Geschichte Edinburghs und eine gewisse Gin-Bar zu glänzen. Infodump sollte man demzufolge verkraften können.
Obwohl Menschen- und Feenhandel ernste Themen sind, muss der Humor keineswegs zurückstehen. Traurigerweise ist ein saufender und fluchender Hobgoblin, der sich klischeebehaftet tollpatschig durch die Welt der Menschen bewegt und sich Buck Foi nennt, noch das Witzigste an dem Buch. Ein stereotyper Hacker und eine rotzige Gothic-Assistentin komplettieren die spaßige Runde. Gähn.
Fazit:
Genug genörgelt. Trotz der angesprochenen Punkte lässt sich das Buch dank des zügigen Erzähltempos schnell lesen. Wer kurzweilige Unterhaltung für zwischendurch sucht, sollte „Tinte und Siegel“ eine Chance geben.
Kevin Hearne, Klett-Cotta
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