Todesfalle Jupiter
- Pabel
- Erschienen: Januar 1955
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Weltraum-Piraten der besonders wirren Art
Die Menschheit hat das Sonnensystem besiedelt. Raumschiffe durchstreifen das All, auf den Monden von Jupiter und Saturn gibt es Kolonien. Da es zu Unfällen und Havarien kommt, wurde ein Rettungsdienst eingerichtet, der in Not geratenen Raumreisenden zu Hilfe eilt. Seinen besonders guten Ruf verteidigt wagemutig Captain Ford, der den Rettungsschlepper „Swan“ befiehlt. Zusammen mit Commander Mayo, der auch sein bester Freund ist, holt man ihn, wenn es wirklich brennt.
Aktuell geht es um die Bergung der Raumyacht „Persephone“, die antriebslos auf die Erde zu stürzen droht. Die Aktion muss gelingen, denn an Bord befindet sich Joan Sutherland, Adoptivtochter von Lady Margaret Lafe Baxter, Eigentümerin einer der größten und wichtigsten Raumschiffwerften des Sonnensystems. Die Rettung hat Ford beinahe erfolgreich abgeschlossen, als ein unbekanntes, fantastisch schnelles Feindschiff aufgetaucht, das sowohl die „Persephone“ als auch die „Swan“ unter Feuer nimmt und nur durch das Auftauchen eines Polizeikreuzers in die Flucht geschlagen wird.
Ein Pirat namens „Weems“ steckt hinter der Attacke, aber er ist beileibe nicht allein: Noch ein Schurke, der sich „Jake“ nennt, sitzt Ford im Nacken. Er agiert unabhängig von Weems und ist sogar sein Gegner, was dem Captain nicht hilft, da beide Gruppen gut bewaffnet sind und die „Swan“ kapern wollen. Normalerweise würde Ford dem Lumpenpack ohne Rücksicht auf Verluste die Felle gerben, doch dummerweise ist just Silver Starling, Journalistin und Freundin des Captains, mit an Bord der „Swan“. Sie muss ritterlich beschützt werden, was sich sowohl Weems als auch Jake zu Nutze machen. Zu allem Überfluss mischt sich die Regierung der Jupiter-Kolonie ein.
Immer wieder geraten die Männer (und Silver) in die Gefangenschaft, können sich befreien und flüchten - um kurz darauf erneut festgesetzt zu werden. In dem ganzen Trubel klärt sich nur langsam, worum es eigentlich geht: Um den Jupiter kreist ein Raumschiffwrack, das ein lukratives Geheimnis birgt und deshalb unbedingt geborgen werden soll …
Schreiben auf Autopilot
Wer tatsächlich in Abrede stellen möchte, dass die Science Fiction seit jeher auch ein Mistbeet für klischeeroutinierte Unterhaltung der anspruchsarmen Art ist, sollte Romane wie diesen lesen. Man ist anschließend ernüchtert - oder erheitert, weil „Die Jupiter-Falle“ unfreiwillig und ungeachtet des Genres zu einem Fenster in die Vergangenheit wurde; eine Vergangenheit, die jenseits noch heute gefeierter Klassiker vor allem durch simple, hierzulande als „Groschenhefte“ erscheinende Abenteuer geprägt wurde.
Autoren wie Kenneth Bulmer schrieben quasi mit dem Gerichtsvollzieher um die Wette. Sie schufteten für eher windige Redakteure und saßen in „sweat shops“ gefangen, wo sie auf ihre Maschinen einhämmerten und die entstandenen Seiten am besten sofort ablieferten. Die Honorare entsprachen den Arbeitsbedingungen, weshalb man sich über die ‚Qualität‘ dieser (Mach-) Werke nicht wundert. Sie entstanden nicht selten binnen weniger Tage und ohne die Gelegenheit zur Überarbeitung, weil sie als reine Produkte und Wegwerfartikel betrachtet wurden. Wer sich in diese Mühle begab, hielt oft nur wenige Jahre durch, war aber unter zahlreichen Pseudonymen für viel zu viele solcher Machwerke verantwortlich.
Bulmer, der durchaus eine Geschichte erzählen konnte, war aus dem harten Holz eines Zeilenschinders geschnitzt. Über Jahrzehnte sorgte er für Nachschub; allein die von ihm als „Alan Burt Akers“ verfasste Fantasy-Serie um den Seemann Dray Prescott, den es auf den Planeten Kregen verschlägt, zählt 53 Bände! „Todesfalle Jupiter“ stammt aus der Frühphase seiner ‚Karriere‘ Zum konfusen Inhalt addieren sich eine krude deutsche Übersetzung sowie die Kürzungen der Vorlage, um das Werk ins vorgeschriebene Seitenkonzept der Reihe „Utopia-Großband“ zu pressen.
Retten, flüchten, zuschlagen!
Vorwerfen wird man Bulmer keineswegs die Schilderung einer ‚analogen‘ Zukunft, die ohne Computer und ähnliche Errungenschaft auskommen muss. Echte Männer und Raumhelden wie Captain Ford und Commander Mayo berechnen einen Kurs mit Papier und Bleistift oder sogar im Kopf. Hightech beschränkt sich auf Röhrenbildschirme und Radar. Im All tummelt man sich in einer Art Taucheranzug, wobei zur Ausrüstung ganz selbstverständlich eine Waffe gehört.
Der Weltraum ist ein Ort der Abenteuer und Gefahren, wobei letztere oft menschengemacht sind. Vor Jahren lag die Erde mit der abtrünnigen Jupiter-Kolonie im Krieg. Jetzt herrscht (ein angespannter) Friede, aber schlimm treiben es Gauner und Piraten, die sich auf Monden und Asteroiden geheime Schlupfwinkel einrichten. Wie einst in der Karibik lauern sie auf fette Beute und feuern aus dem Hinterhalt Breitseiten auf ihre Opfer (auch wenn es immerhin um Raumtorpedos und Todesstrahlen handelt).
Wie es die Gesetze der Trivialunterhaltung verlangen, verfügen solche Strolche stets über größere, schnellere und besser bewaffnete Schiffe. Die Fords und Mayos sind dagegen auf Grips, Erfahrung und Mut angewiesen, um dem Gegner trotzdem ein Schnippchen zu schlagen. Das gelingt, denn schließlich stehen ihnen grobschlächtige Typen mit „niedriger Stirn“ gegenüber, die sich ausschließlich über Drohungen und Gewaltakte artikulieren und von Körperhygiene oder Manieren wenig halten. Als Held muss man sich im Kampf deshalb nicht zurückhalten, was für die erforderlichen Handlungsturbulenzen sorgt, die auch in diesem Roman Logik und Sinn weitgehend ersetzen.
Was geschieht, geschieht eben
Folgt die Rettung der „Persephone“ noch einem roten Faden, löst der sich auf, sobald dieses Kapitel abgeschlossen ist. Von nun an balgen sich die Männer der „Swan“ mit der „Bruderschaft“ des Piraten Weems, dem Halunken Jake und der Polizei vom Jupiter-Trabanten Io. Wieder und wieder werden Ford, Mayo und natürlich die als Faustpfand und Erpressungsobjekt unentbehrliche Silver gefangen und eingesperrt, die Männer zusätzlich verprügelt, um die Unmenschlichkeit des Gegners zu unterstreichen. Trotzdem entkommen sie mit Leichtigkeit - um sofort den nächsten Verfolgern in die Arme zu laufen, woraufhin sich das Spiel wiederholt; so oft, bis nicht nur Ford den mangelhaften Überblick beklagt. Immerhin lassen sich mit jeder Flucht Buchseiten füllen.
Irgendwann kristallisiert sich heraus, dass es um ein Wrack geht, das im Orbit des Gigant-Planeten Jupiter kreist und demnächst auf die Oberfläche stürzen wird (der hier übrigens nicht aus Gas, sondern aus Steinen und Eis besteht). Die Gefahr geht angeblich von der gewaltigen Schwerkraft aus, die jedoch keine Rolle spielt, als sich im Finale sämtliche Protagonisten im besagten Wrack treffen (woraufhin eine gewaltige Schießerei ausbricht). Weltraum-Faszination wird mehrfach geltend gemacht, bleibt aber ein Versprechen des Verfassers, der rabiat am Handlungssteuer reißt (woran wie schon erwähnt die Kürzungen mitverantwortlich sein könnten). Mit entsprechender Takelage sähen die ‚Raumschiffe‘ wahrscheinlich antiken Segelschiffen ähnlich; wen wundert’s, dass Bulmer später zahlreiche Romane zum Thema Schifffahrt und Seekrieg im 18. Jahrhundert schrieb!
Jenseits der Ereignisse findet die Zukunft auch sonst nicht statt. Es existiert wohl eine Welt-Regierung, während sich gesellschaftlich wenig getan hat. Für Entsetzen sorgt bei Ford jedenfalls nicht die ständige Lebensgefahr, sondern die Anwesenheit einer Frau an Bord (die zudem laut über das unausweichliche Ende dieser Beziehung - die Heirat - nachzudenken pflegt). So will sich die selbst verstaubte Alt-SF oft adelnde Nostalgie kaum einstellen; sie wird ersetzt durch die Ungläubigkeit über Wendungen, die man nur dreist nennen kann, und Figurenzeichnungen, die heutzutage für einen (#MeToo-) Shitstorm sorgen würden.
Fazit:
Kunterbuntes Science-Fiction-Abenteuer, das nicht nur alt ist, sondern auch bleibt, weil krauser Inhalt, Flach-Figuren und mehr als sparsame Weltraum-Romantik die Absurditäten dieses „Past-Future“-Garns unterstreichen, während Nostalgie sich selten einstellt: Auch Triviales sollte Sinn ergeben.
Henry Kenneth Bulmer, Pabel
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