Die Götter müssen sterben
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Juni 2021
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Amazonen an die Macht
Als Kind der 90er fällt mir beim Stichwort "Amazone" als erstes "Xena - Die Kriegerprinzessin" ein. Die Frauen aus dem Roman von Nora Bendzko haben mit der Figur aus der TV-Serie aber nicht wirklich viel gemeinsam. Ob sie mich dennoch so gut unterhalten haben, wie Lucy Lawless als schwertschwingende Heldin?
Die Auserwählte
Die junge Areto hat als Verwalterin von Athens König Theseus ein angenehmes, aber auch sehr langweiliges Leben. Da erstaunt es nicht, dass sie sich in Träumereien flüchtet. In diesen reitet sie als wilde Amazone frei und ohne Zwänge durchs Leben. Ihre Phantasien werden schlagartig Wirklichkeit, als ein Heer von Amazonen in den Palast einfällt, um die von Theseus entführte Prinzessin Antiope zu befreien. Bevor Areto richtig realisiert, was sie tut, greift sie selbst zum Schwert, um die Kriegerinnen zu unterstützen. Im Gegenzug für ihren selbstlosen Einsatz erhält sie von Königin Orithya die Erlaubnis, sich ihrem Stamm anzuschliessen.
Ihr neues Leben in Themiskyra bei den Amazonen ist aber mitnichten nur "traumhaft". Es tobt der trojanische Krieg und die Frauen müssen entscheiden, wie sie am besten in die Schlacht eingreifen. Mit dem Erscheinen ihrer Schutzgöttin Artemis hoffen die Amazonen auf tatkräftige Unterstützung. Umso erstaunter sind sie, als diese ausgerechnet Areto mit ihrer Macht segnet. Die göttliche Entscheidung wird nicht von allen gutgeheissen und führt dazu, dass sich das Heer der Amazonen entzweit. Sollten sie sich nicht bald zusammenraufen um rechtzeitig in Troja anzukommen, könnte das ihren Untergang bedeuten.
Drei Sichtweisen
Die Geschichte wird uns aus drei Perspektiven erzählt. Neben der Auserwählten Areto gibt es noch die Kriegerin Clete sowie die Amazonenkönigin Penthesilea. Obwohl Areto die Hauptfigur ist, konnten mich ihre Passagen am wenigsten überzeugen. Sie ist mir zu zaghaft und unsicher. Dies mag daran liegen, dass sie an einer psychischen Krankheit leidet, welche in der Handlung als "Schatten" bezeichnet wird. Trotzdem schafft es Bendzko nicht, bei mir grossartig Sympathien für Areto zu wecken.
Clete ist mit ihrer mutigen und selbstsicheren Art so ziemlich das Gegenteil von Areto. Die kampferprobte Amazone hat deutlich mehr Feuer als Areto und bietet in ihren Szenen als Kriegerin einiges an Action. Über die ganze Story gesehen bleibt sie aber dennoch relativ blass.
Und Penthesilea? Anfangs war ich von der Königin nicht sehr angetan, da sie stets darauf bedacht ist, ihre Emotionen zu verbergen und dadurch kühl und unnahbar wirkt. Mit der Zeit konnte ich jedoch hinter ihren Schutzwall blicken und eine faszinierende Frau entdecken, die dem Erbe ihrer verstorbenen Schwestern gerecht werden will und als Königin das Wohl ihres Amazonenvolkes kompromisslos über ihr eigenes stellt. In Rückblenden erfahren wir zudem, wie Penthesilea den grossen Held Achilles und dessen Kindheitsfreund Patroklos kennenlernt. Das Beziehungsgeflecht dieses Trios wird mit zunehmender Dauer immer komplexer und dramatischer. Gerne hätte ich mehr davon gelesen, da dieser Handlungsstrang für mich einer der besten war.
Diversität und nichtbinäre Pronomen
Bei den Amazonen darf frei geliebt werden. Hetero- und homosexuelle Paare sind genauso an der Tagesordnung wie Polyamorie. Dementsprechend kommt im Buch auch die Erotik nicht zu kurz. Wer nur seichte Liebesszenen mag sei gewarnt: Sex kommt in dieser Geschichte oft vor. Und dabei geht es manchmal doch eher heftig zur Sache.
Nicht nur bei den Beziehungen gibt es Diversität. Nora Bendzko legt auch bei den Charakteren Wert auf Vielfalt. So habe ich mit Iphito zum ersten Mal Bekanntschaft mit einer geschlechtsneutralen Figur gemacht. Um diesem Umstand sprachlich gerecht zu werden, greift die Autorin auf nichtbinäre Pronomen wie "sihre" oder "sier" zurück. Als ich diese Worte anfangs las, dachte ich irrtümlich an einen Schreibfehler. Im Nachwort klärte Bendzko mich schliesslich über die Schreibweise auf. Ich wäre jedoch froh gewesen, hätte sie diese sprachliche Besonderheit bereits im kurzen Vorwort erklärt.
Fazit:
"Die Götter müssen sterben" bietet einen lehrreichen Ausflug in die Welt der Amazonen und der griechischen Mythologie. Die Autorin vermittelt viel Wissenswertes über die sagenumwobenen Kämpferinnen und den trojanischen Krieg. Dabei spart sie nicht an Gewalt und Brutalität. Zartbesaiteten dürften manche Passagen zu blutig daherkommen. Das grosse Figurenensemble gepaart mit zahlreichen Themen wie Mythologie, Diversität, Sexualität, psychische Erkrankungen usw. machen das Buch aber über weite Strecken zu einer eher anstrengenden Lektüre.
Nora Bendzko, Droemer-Knaur
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