Stone Man - Die Ankunft (Stone Man 1)
- Piper
- Erschienen: Mai 2021
- 2
Unaufhaltsam
Im Anmarsch
Publicity-Stunts hat man schon so einige gesehen. Von Firmen, Organisationen und jedem, der sich in den Vordergrund spielen will. Sei es jemand, der beflügelt von einem klebrig-süßen Kaugummi-Gebräu aus dem Weltall Richtung Erde hüpft, eine scheinbar reale Wald-Hexe, die sich dann als verwackelter Kino-Spaß mit Schleudertrauma-Garantie entpuppt oder ein Aktivist, der vor einem Millionen-Publikum live mit dem Gleitschirm abschmiert und dabei fast eine Stange Blei vor den Helm gepustet bekommt. Man mag zu solchen Aktionen stehen, wie man will, aber eines haben sie gemeinsam: Sie erregen medienwirksame Aufmerksamkeit. Da ist es nicht verwunderlich, dass zu solch fragwürdigen Mitteln gegriffen wird. Ähnliches dachte man auch, als eine rund zweieinhalb Meter hohe Statue auf dem Millennium Place auftauchte…
Andy Pointer kurbelte gerade seinen beruflichen Alltag runter und interviewte eine neue Girl-Group, die nach ihrer ersten Single - was nach den heutigen schnelllebigen Maßstäben irgendwas zwischen einer Stunde und vier Wochen bedeuten konnte - mit größter Wahrscheinlichkeit wieder in der Belanglosigkeit verschwinden würde. Da die Gluthitze am Abend einer leichten Brise weichen würde, wollte er den Feierabend im Freien genießen. Doch mitten auf dem weitläufigen Platz, erregte eine Menschenansammlung sein Aufsehen. Nicht nur seines, denn immer mehr Schaulustige strömten herbei. Wie immer bewaffnet mit seiner Kamera, konnte für den Journalisten vielleicht noch eine spontane Story herausspringen. Dass dieser Abend sein ganzes Leben auf den Kopf stellen würde, konnte Andy zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen. Die ratlosen und ebenso neugierigen Menschen versammelten sich um die große Steinfigur, von der niemand wusste woher sie kam und welchem Zweck sie diente. Zwei Passanten beschworen, dass sie urplötzlich aus dem Nichts erschien. Allerdings war bei einer dieser Personen auch ordentlich Hysterie im Spiel, während Andy die Worte der anderen, eines dauerfluchenden Halbstarken, nicht zwingend auf die Goldwaage gelegt hätte. Es kam wortwörtlich Bewegung ins Spiel, als plötzlich Aktivitäten von dem steinernen Ungetüm in übergroßer Menschenform ausgingen. Der Stone Man bewegte sich. Zuerst nur minimal. Kurze Zuckungen, dann ein Schritt vorwärts. Erst als er konstant ein Bein vor das andere setzte und sich unbeirrt seinen Weg bahnte, kam Unruhe auf. Ein bedrohliches Gefühl, begleitet von ungewöhnlicher Kälte, machte sich breit.
Schnell realisierten alle Anwesenden, darunter auch Ordnungshüter, dass es sich bei dem massiven Koloss nicht um einen pfiffigen Werbeträger oder einen PR-Gag handelte. Der Stone Man lief… und blieb nicht mehr stehen. Autos und andere Hindernisse schob er mühelos aus dem Weg. Demolierte sie regelrecht, ohne an Geschwindigkeit zu verlieren. Diese war generell eher behäbig, aber wozu Eile, wenn einen eh nichts und niemand aufhalten kann? So durchbrach der Stone Man Wände, lief durch Gebäude und brachte diese sogar zum Einsturz. Auf seiner Route befand sich auch das Wohnhaus von Andy, der immer noch nicht fassen konnte, was sich da gerade im Vereinten Königreich abspielte. Und mit ihm rätselte die ganze Nation, die das Geschehen in allen verfügbaren Medien live mitverfolgte. Würde diese Zerstörungsmaschine unbekannten Ursprungs irgendwann wieder stehenbleiben? Vielleicht wenn sie an ihrem Ziel angekommen ist? Möglich… doch was war ihr Ziel?
Das ungleiche Duo
Andys journalistische Neugier war mehr als geweckt. Und er war direkt am Ort des Geschehens, als die ganze Scheiße überkochte und außer Kontrolle geriet. Wie Kollege Zufall es wollte, traf Andy inmitten dieser Ausnahmesituation auf Shaun, einen Arbeitskollegen seines Mitbewohners Phil. Shaun hatte in den Medien bereits mitbekommen, was mit Andys Bleibe passiert war und bot kurzerhand eine Bleibe für die Nacht an. Dieses gastfreundliche Angebot konnte der Journalist nicht ausschlagen, musste doch erstmal ein Plan her, wie es weitergehen sollte… und er seinen leichtsinnig angesoffenen Rausch ausschlafen. Bei Shaun und dessen Frau Laura erlitt Andy dann eine Art Anfall. Krämpfe und wilde Zuckungen überkamen ihn. Dabei erschien ihm das Gesicht eines Mannes. Jemand, den er noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
Wieder nüchtern und unter den Lebenden, dominierten die Berichte über den Stone Man auch am nächsten Tag sämtliche Medien. Als er gemeinsam mit Shaun die Nachrichten verfolgte, traf es Andy wie ein Blitzschlag. Es handelte sich um eine Art Sog. Irgendwas, das schwer zu beschreiben war. Als bestände eine Verbindung zum dem unaufhaltsamen Berserker. Plötzlich fühlte er sich dem Ding seltsamerweise nah. Fast so, als wären sie beide auf einer Frequenz. Andy ließ zu, dass seine mit reichlich Skepsis betrachteten Gefühle die Kontrolle übernahmen. Und da… auf einmal sah er klar und deutlich, wohin ihn seine Reise führen sollte.
Recht überhastet brach er auf. Unterwegs ins Ungewisse schaltete sich jedoch ein weiteres Signal in seinem Kopf ein. Diesmal war es nicht der Stone Man. Es war ein ihm unbekannter Mann. Paul Winter. Paul hatte ebenfalls Visionen, die ihn quälten und auch er empfing eine Art Signal. Fast wie Brüder im Geiste. Und so zog es die beiden Fremden magnetisch zueinander. Noch konnten sie sich keinen Reim darauf machen, wieso ausgerechnet sie in einer Art magischen Verbindung zu dem unaufhaltsamen Wesen aus Stein zu stehen schienen. Genau so wenig, was es mit dem mysteriösen Mann auf sich hatte, der in ihren Gedanken aufblitzte. Doch eines stand fest: Sie würden es herausfinden…
Auftakt mit Déjà vu-Problematik
Der Schreibstil von Luke Smitherd geht größtenteils in Ordnung. Er schreibt klar verständlich, macht es nicht zu kompliziert, wenn der Großteil der Geschichte aus Andys Sicht rekapituliert wird, und setzt die Sprache weitestgehend authentisch um. Soll heißen, es wird auch gerne mal in tiefere Schubladen gegriffen und ordentlich geflucht. Damit habe ich absolut kein Problem. Wenn ein halbgehangener Gossenbengel mit verbalen Fäkalienbrocken um sich wirft, wie es sonst nur die Affen im Zoo handhaben, und recht einsilbig und stammelnd seinem Lifestyle folgt (unglaublich, aber solche Leute gibt es tatsächlich… habe ich gehört), soll er verdammt noch mal auch so reden, als hätte man ihm herausgerissene und bis zur Unkenntlichkeit verschmierte Seiten des Dudens durch diverse Körperöffnungen bis ins Hirn getreten. Blumige Formulierungen erwarte ich da garantiert nicht. Daran kann man sich reiben, sollte sich aber bewusst sein, dass es der Authentizität nur förderlich zu Gute kommt. Fahrt mal in einer Ruhrgebietsstadt ein paar Stationen mit der U-Bahn, dann wisst Ihr, was wirklich „blumig“ ist. So kam ich mit Smitherd und seiner Umsetzung also sehr gut klar.
Ebenfalls gefällt die Dynamik zwischen Andy und Paul. Zwei komplett gegensätzliche Charaktere, die sich in klassischer Buddy-Manier trotzdem gut ergänzen. Dabei ist es vor allem Hauptfigur Andy Pointer, die von einem strahlenden Helden meilenweit entfernt ist. Zuerst nur auf seine Vorteile bedacht, macht er es den Leserinnen und Lesern deshalb nicht gerade leicht, dass man Mitgefühl für ihn uns seine Lage aufbringt. Der sanfte Riese Paul ist da deutlich zugänglicher, wenn auch etwas mehr im Hintergrund.
Was weniger erfreulich war, ist, dass die Kapitel ellenlang geraten sind. Das gesamte Buch besteht aus gerade einmal neun Kapiteln, was bei ziemlich genau 400 Seiten schon eine Ansage ist. Vielleicht ist es eine Monk’sche Angewohnheit, aber ich beende gerne einen Abschnitt, bevor ich einen Roman weglege, um beim Weiterlesen möglichst bei einem Szenenwechsel fortsetzen zu können. Da fehlt mir der klare Schnitt und so stieg ich nach kurzen Lese-Sessions immer wieder mit einer kurzen Wiederholung ein… blätterte also nochmals zwei bis drei Seiten zurück, um das löchrige Hirn wieder auf Betriebstemperatur hochzufahren. Wechselnde Szenarien gibt es in „Stone Man“ somit kaum. Wir sind stets dicht am Geschehen und folgen den Hauptfiguren. Eigentlich zu begrüßen…, wenn man denn die nötige Zeit mitbringt und ein Kapitel in einem Rutsch durchzieht. Ansonsten vielleicht nicht ganz optimal, aber da wird jeder so seine eigenen Lese-Routinen haben.
Etwas mehr stößt mir auf, dass - ohne jetzt zu viel von der Story vorwegzunehmen - die ansonsten extrem fesselnde Geschichte in der Mitte auf der Stelle zu laufen beginnt. Vorangegangene Ereignisse wiederholen sich. Zwar nicht 1:1, aber dafür gleich mehrfach. Das nimmt einiges an Tempo raus und kann zur Geduldsprobe werden. Ziemlich schade, denn der zuvor eingelegte Vorwärtsgang muss immer wieder runtergeschaltet werden, um reichlich Kurven zu nehmen. Und es sei direkt gesagt, dass es sich bei „Stone Man“ um eine Trilogie handelt und man kein zufriedenstellendes Ende ohne Fragen erwarten sollte. Dennoch kann ich den „Stone Man“-Auftakt empfehlen, da die Ausgangssituation zugleich absurd erscheint und mindestens ebenso neugierig macht. Ich möchte unbedingt erfahren, was das große Ganze am Schluss offenbart…
Fazit:
„Die Ankunft“ verlief nicht ohne kleinere Turbulenzen und es gab hier und da holprige Luft… ich meine Logik-Löcher, doch im Großen und Ganzen bin ich mit dem Reisekomfort zufrieden. Kleinere Zwischenlandungen sorgten zwar für Verzögerungen, doch die inhaltlichen Sehenswürdigkeiten entschädigten weitestgehend. Bleibt zu wünschen, dass „Die Rückkehr“ im September 2021 noch mal voll durchstartet, bevor „Die Wiedergeburt“ Anfang 2022 hoffentlich ohne Komplikationen verläuft.
Luke Smitherd, Piper
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