Basis Alpha

  • Moewig
  • Erschienen: Januar 1968
  • 0
Basis Alpha
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Michael Drewniok
65°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2020

Kosmische Irrtümer und interplanetare Missverständnisse

- Basis Alpha (Recovery Area; 1963), S. 5-66: Auf der Venus wird die Ankunft der allzu aggressiven Erdmenschen von den intelligenten Ureinwohnern mit Misstrauen beobachtet. Der Kampf auf Leben und Tod scheint unausweichlich, bis ein hellsichtiger Venusianer erkennt, dass beide Planeten eine gemeinsame Vergangenheit besitzen.

- Patrouillenkreuzer von Lumaria (Spawn of Doom; 1961), S. 66-101: Zwecks Vermehrung (und Zerstörung) landete das außerirdische Wesen auf der Erde (und in einem Museum). Sollten seine Verfolger es nicht rechtzeitig ausschalten, wird man vorsichtshalber den gesamten Planeten zerstören.

- Eine Sonne stirbt (The Big Blow-Up; 1961), S. 102-123: Die Sonne ihres Heimatplaneten steht vor der Explosion, doch wieso die Bewohner so ruhig auf Rettung warten, begreifen die von der Erde angereisten Forscher erst bzw. beinahe zu spät.

- Die Ungeheuer des Wirbelnden Nebels (Centipedes of Space; 1964), S. 123-160: Um einem grausamen Feind rechtzeitig die Stirn bieten zu können, wagt sich eine irdische Kriegsflotte wagemutig in einen verrufenen Winkel des Alls, in dem je nach den zu Rate gezogenen Quellen entweder gigantische Ungeheuer hausen oder Gott persönlich thront.

Vertraute Probleme auf fremden Welten

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine bittere Erkenntnis selbst dort Fuß zu fassen, wo man sich wehrhaft und vehement gegen das Erzböse außerhalb der Hölle - den Kommunismus der Sowjetunion und Chinas und ihrer Vasallenstaaten - stemmte. Jene, die über Verstand und selbstständiges Denkvermögen verfügten, sahen voller Furcht auf unmenschlich wirkende Gegner, die nur darauf warteten, dass die Wächter an den Toren des irdischen Paradieses - die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Verbündeten - schwächelten oder - diese Angst begann sich zu mehren - die beiden Machtblöcke es politisch und militärisch soweit trieben, dass ein Dritter Weltkrieg ausbrach. Dieser würde der letzte sein, das wurde ungeachtet obrigkeitlicher Beschwichtigungen  und Durchhalteparolen immer deutlicher. Man sollte sich also tunlichst verständigen und Probleme gemeinsam und friedlich aus dem Weg räumen. Dieser Weg war steinig; wer ihn beschritt, musste mit Rückschlägen sowie Gegenwind aus dem eigenen Lager rechnen.

Jenseits der rudimentären realen Konfliktbewältigung - eine echte Friedensbewegung ließ noch einige Zeit auf sich warten - beschäftigten sich u. a. Schriftsteller mit diesem Thema. Auch in die Science Fiction schlug es durch. Dort wurden jenseits spektakulär ausgemalter Apokalypsen Fragen gestellt: Was könnte geschehen, wenn sich nichts ändert? Was sollte geschehen, damit es nicht zum „Großen Knall“ kommt? Mit welchen Schwierigkeiten ist zu rechnen? Wie lassen sie sich bewältigen?

Natürlich gipfelte dies nicht in einem Feuerwerk literarischer Höchstleistungen. Daniel F. Galouye ist das Beispiel eines guten Geschichtenerzählers, dem in seiner viel zu kurzen Laufbahn einige Höhepunkte der SF gelangen. Ansonsten war er einer im Heer der Autoren, die nach der Zahl der niedergeschriebenen Worte entlohnt wurden und nicht die Zeit hatten, auf großartige Ideen zu warten oder an ihren Werken zu feilen und zu polieren, bis sie für die Ewigkeit glänzten.

Goldene Zukunft und grauer Alltag

Womöglich ist das mit ein Grund, weshalb uns die in „Basis Alpha“ gesammelten Storys noch heute etwas sagen. Ist es der durchscheinende Pessimismus? Galouyes Weltsicht wirkt in einer Hinsicht modern: Selbst wenn technische Großtaten gelingen, entsteht daraus nicht zwangsläufig Gutes. Dass der Mensch in der Titelstory die Venus erreicht, beruht keineswegs auf einem globalen Wunsch, den Nachbarplaneten zu erforschen. Die in dieser Zukunft weiterhin präsenten Sowjet-Teufel haben sich auf dem Mond breitgemacht und jagen den Bewohnern des „freien Westens“ eine solche Todesangst ein, dass diese nun einen fernwaffengespickten Militärstützpunkt auf der Venus errichten wollen.

Dort gibt es (unter dichterisch freier Ignorierung des Wissens um die Lebensfeindlichkeit dieses Planeten) Pflanzen, Tiere - und ‚Menschen‘, auch wenn diese viel größer als die Erdlinge sind. Galouye entwirft einfallsreich eine Kultur, die unter Venus-Bedingungen entstanden ist. Er reichert sie mit Eigenheiten an, die den Konflikt mit den Neuankömmlingen prägen. Hinter trivialen Auseinandersetzungen tritt spannend eine Entdeckung zutage, die der Handlung eine unerwartete Final-Wendung gibt. Das ist keine große ‚Kunst‘ und wirkt inhaltlich wie formal leicht angestaubt, funktioniert aber als Geschichte immer noch, weil Galouye geradlinig erzählt.

Dass sich der Mensch nicht gar zu sehr auf Wissen und Technik verlassen sollte (und kann), weil es in der Regel immer jemanden gibt, der schlauer ist, verdeutlicht Galouye in „Die Sonne stirbt“. Erst gelten die Bewohner des untergehenden Planeten als ‚Tiere‘; als sich ihre Intelligenz herausstellt, haben sie nach Ansicht der Erdlinge, die in Ruhe die Explosion der Sonne beobachten wollen, als Störenfriede bzw. Pechvögel ihr Schicksal verdient, schließlich will man sie doch retten und sich dafür notfalls opfern. Die ‚Einheimischen‘ kümmert die Aufregung überhaupt nicht. Sie haben längst selbst Vorsorge für ihre Rettung getroffen, da sie weitaus intelligenter und weitsichtiger als ihre aufgeregt und planlos umherwirbelnden Besucher sind.

Das Böse: eine Definitionsfrage

Auf eine Statistenrolle bleibt der Mensch in „Patrouillenkreuzer von Lumaria“ beschränkt. Hier spielt sich das dramatische Geschehen fast gänzlich außerhalb des menschlichen Verständnisses ab. Dass es faktisch um die Existenz der Erde geht, wird deren Bewohnern nie klar. Diesbezügliche Gewissensprobleme plagen daher den Befehlshaber einer außerirdischen Einsatztruppe, die ein Wesen aufhalten soll, das mit unvorstellbarer Zerstörungskraft und seiner enormen Reproduktionsrate den (nicht den Menschen) bekannten und bewohnten Kosmos verheeren würde.

Nichtsdestotrotz gibt ein Mensch den Ausschlag im fast schon verlorenen Kampf: Eine Frau gewinnt ihn, weil sie von ‚weiblicher Panik‘ beherrscht den Abzug betätigt, ohne über ihre Absicht nachzudenken, wodurch sie die telepathisch begabte Kreatur überrascht - eine ‚Lösung‘, für die Galouye in der „#MeToo“-Gegenwart ordentlich Gegenwind erfahren hätte …

Ein sehr (und vielleicht zu) großes Rad dreht der Autor in „Die Ungeheuer des Wirbelnden Nebels“. Hier packt er zu viele Ideen in eine Story, die unter den in Szene gesetzten Ungeheuerlichkeiten schier zusammenbricht. Ebenso negativ wirkt sich der ungefilterte bzw. ungebrochene Zeitgeist aus. Militärdisziplin = eingedrillter Gehorsam bestimmen die Handlung. Dass sich ein Mann mit der korrekten Lösung des Mysteriums durchsetzen kann, liegt nicht an der Einsicht der Kameraden, sondern an seinem Rang und der Fähigkeit, lauter als seine Kritiker zu brüllen. Kaum ein Drittel der Flotte übersteht das Abenteuer, aber die Mission gelingt: Der Feind dreht ab. Fraglich ist, ob man die Reaktion der gerade den „Ungeheuern des Wirbelnden Nebels“ knapp entronnenen Überlebenden schwarzhumorvoll deuten darf: „Wir kurbeln unsere Alpha-Suppressoren auf volle Touren und jagen in der anderen Richtung durch den Nebel. Wir schnappen uns ihre Welten, bevor sie merken, dass wir überhaupt angekommen sind.“ (S. 160)

Anmerkung: Die deutsche Ausgabe ist angeblich die Übersetzung einer Originalausgabe mit dem Titel „Recovery Area and other Stories“. Tatsächlich wurde dieser Sammelband von H. W. Mommers und A. D. Krauß für die Terra-Reihe zusammengestellt.

Fazit:

Vier Kurzgeschichten belegen den Stand der ‚durchschnittlichen‘ Science Fiction in den frühen 1960er Jahren. Neben reiner Abenteuer-Action regt sich zaghaft die Erkenntnis, dass der Fortschritt Schattenseiten aufweisen kann und altbekannte Probleme mit zum Reisegepäck der tief im All forschenden (oder kämpfenden) Zukunfts-Menschen gehören dürften.

Basis Alpha

Daniel F. Galouye, Moewig

Basis Alpha

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