Geister ohne Erscheinungsscheu
David Caine hat sich einen Namen als ‚Ghostbuster‘ gemacht: Er besucht Orte, an denen es angeblich umgeht, und geht dem Phänomen wissenschaftlich auf den Grund. Obwohl er nie einen ‚echten‘ Spuk entdeckt hat, werden seine Bücher oft gekauft. Sogar ein Dozenten-Posten ist für Caine herausgesprungen, der längst davon überzeugt ist, dass übernatürliche Phänomene nicht existieren bzw. der Glaube daran auf Wunschdenken, Irrtum und Betrug basiert.
Die Untersuchung von Alexander House scheint nur eine weitere Station auf Caines Liste zu sein, obwohl er auch Freunden gefällig sein möchte: Chris Gardiner und Gattin Katherine Mayr haben das im US-Staat Virginia am Rappahannock River gelegene Haus gekauft, um es in ein Hotel umzuwandeln. Dessen Anziehungskraft auf Gäste würde sich deutlich steigern, sollte es dort tatsächlich spuken.
Die Voraussetzungen sind günstig. Alexander House wurde 1664 vom wahnsinnigen Judson Alexander erbaut, den sein mächtiger Vater vor dem Gesetz schützte. Judson war ein Soziopath, Sadist und Serienmörder; außerdem ging er einen Pakt mit dem Teufel ein. In den vielen Jahren nach seinem Tod sind in dem Haus immer wieder Mieter auf grausige Weisen zu Tode gekommen. Alexander House wurde berühmt und berüchtigt. Auch David Caines großes Vorbild, der Okkult-Spezialist John Weir, fand hier sein Ende. Dies inspiriert Caine zusätzlich, der sich für einen Monat im Alexander House niederlässt.
Das dort hausende Grauen denkt gar nicht darin sich zaghaft zu enthüllen. Sobald Caine eingezogen ist, beginnt ein Spuk, der nicht an die Geisterstunde gebunden ist. Obwohl sich Caine weigert einzuknicken, werden die Manifestationen immer heftiger - und gewalttätiger - und bleiben nicht auf das Haus beschränkt, weshalb sich Caine nirgendwo sicher fühlen kann …
Phantastik mit durchdrehenden Reifen
Spukhaus-Grusel wird traditionell gern gut gekühlt präsentiert: Die Vor-Ort-Phantome gehen eine Weile wie auf Katzenpfoten um, weshalb man sie höchstens aus dem Augenwinkel erspäht und sich eine Sinnestäuschung einreden kann, bis die Übergriffe aus dem Jenseits allmählich nachdrücklicher werden, während sich gleichzeitig die Ursache solcher Umtriebe herausschälen.
Natürlich geht es auch anders. Autor Jonathan Janz verliert jedenfalls keine Zeit, um die Geister von Alexander House auftreten zu lassen. Der Mitternachtsschlag der Uhr ist ihnen gleichgültig. Sie tummeln sich notfalls auch im Sonnenschein. Scheu sind sie erst recht nicht. Sie zeigen sich dem Neuankömmling so deutlich, dass dieser gerade deshalb an seinem Verstand zweifelt: Treiben es Gespenster wirklich so bunt? Diese schon, was es ein wenig erschwert, Gänsehaut dort aufkommen zu lassen, wo es primär rabiat zur Sache geht.
Es dauert eine Weile, bis sich dem Leser erschließt, wie viele Phantome sich eigentlich in und um Alexander House aufhalten. Letztlich lassen sich drei unterschiedliche Kreaturen identifizieren, die einerseits keineswegs spuktechnisch an einem Strang ziehen, während sie andererseits Sub-Geister heraufbeschwören können, die das esoterische Durcheinander noch verstärken.
Zweifrontenkampf gegen Schuld und das Böse
Genretypisch ist es ein sowohl skeptischer als auch psychisch angeschlagener Zeitgenosse, der dem Spuk im Alexander House auf den Grund gehen will. Faktisch ist dies eine doppelte Schwäche, denn bis David Caine endlich akzeptiert, dass es dort tatsächlich nicht mit rechten Dingen zugeht, haben ihn die Finsterbolde schon mehrfach ordentlich beim Wickel gehabt. Bis er endlich vom Saulus zum Paulus wird, zwicken ihn die erwähnten Privatprobleme, die Caine seinen Mitmenschen (aber leider nicht uns Lesern) weitgehend vorenthält: Er hat eine schwere Kindheit hinter sich und später seine große Liebe in den Tod getrieben.
Böse Geister lieben solche Angriffsflächen und machen folgerichtig weidlich Gebrauch von ihrem Wissen. Dass auch die tote Anne plötzlich im Alexander House auftaucht, ist freilich phantastisch übers Ziel hinausgeschossen. Der Plot ächzt nicht nur hier in seinen Fugen, wenn Janz sich müht ihn so hinzubiegen, dass solche Wendungen plausibel wirken. Es gelingt nicht, weshalb die Geister, die der Autor zahlreich rief, ihm auf der Nase herumtanzen, statt uns eine spannende Geschichte zu erzählen.
Eine Fessel ist auch die Dickfelligkeit, mit der Hauptfigur Caine auf das Pandämonium reagiert, das um ihn herum tobt. Er soll aufgrund seiner charakterlichen Schwächen sympathisch wirken, damit die Leser um ihn bangen, wenn sich die fiesen Phantome seiner trüben Vergangenheit bedienen. Doch damit sich sein verkrustetes Hirn endlich in echte Bewegung gerät, möchte man Caine als Leser zu gern gemeinsam mit den Geistern das Fell gerben, während sich viel zu viele Seiten mit Klischee-Erinnerungen und Vorwürfen füllen.
Jahrmarkt des Grusel-Grobsinns
Im Verlauf der Ereignisse fasert die Handlung zusehends aus. Die Geister sind keineswegs auf Alexander House beschränkt. Sie können sich überall zeigen und zuschlagen. Nach und nach entwickeln sich sämtliche (noch) lebendigen Figuren zu Verdächtigen, denn der Spuk ist zwar 350 Jahre alt, arbeitet aber auch in der Gegenwart mit Unterstützung der okkult geknechteten Nachbarschaft. (Es kommt übrigens zur üblichen Epilog-Überraschung: Eigentlich steckt ein noch älterer Unhold hinter allen übernatürlichen Übeltaten!)
Jederzeit schießt Janz mit Kanonen auf Spatzen. Er weiß durchaus Gotik- und Grusel-Atmosphäre zu erzeugen, übertreibt es dann jedoch. Tote Indianer, tote Siedler, tote Sklaven, besessene Kinder, dazu geil-verderbte Ortsprominenz, dauermisstrauische Ordnungshüter und immer neue ‚Geheimnisse‘, die sich zu einem finalen Gesamt-Mysterium formen, auf das die Story höchstens im Zickzack zuläuft: Janz ist gänzlich auf der Seite jener Leser, die es hassen, dass sie Vorstellungskraft an den Tag legen sollen. „Im Spukhaus“ gehen ‚reale‘ und übernatürliche Bosheit nahtlos ineinander über, weil das Böse so, wie Janz es definiert, als quasi eigenständige Kraft existiert - freilich ohne Finesse, ohne Sinn, ohne Verstand, was dadurch verstärkt wird, dass Janz kein Gefühl für Timing besitzt und ‚erschreckende‘ Auseinandersetzungen zwischen Gut und Böse schrecklich in die Länge zieht.
So mögen die Geister von Alexander House einst wie jetzt ihre Opfer buchstäblich in Stücke reißen sowie Inzest und Kannibalismus für zusätzliche ‚Spannung‘ sorgen, doch die Effekte rauben einander die geplante Wirkung, und zu viele ‚überraschende‘ Wendungen bleiben folgenfreie Episoden. „Im Spukhaus“ ist nicht der moderne, aber entbehrliche Brechstangen- (bzw. Brechreiz-) Horror, der Handlung und Logik durch Gewalt und noch mehr Gewalt ersetzen will. Nichtsdestotrotz stellt sich statt Schauer eher Schauder ein, in die sich die Furcht vor einer möglichen Fortsetzung mischt.
Fazit:
Einerseits wird klassischer Spukhaus-Grusel heraufbeschworen, der andererseits in Splatter-Horror umschlagen kann. Die Mischung funktioniert, leidet aber unter einer stereotypen Figurenzeichnung und dem mangelhaften Timing des Verfassers, der das Grauen allzu ungezügelt toben lässt, bis Schrecken in Verdruss nicht nur umzuschlagen droht.
Jonathan Janz, Festa
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