Gefallene Helden
- Heyne
- Erschienen: August 2021
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Soll das ein Scherz sein?!
Die Welt steht am Abgrund: Eine namenlose (und bis zum Ende nicht weiter definierte) Gefahr bedroht das Reich! Zumindest behauptet das eine Prophezeiung. Nur gut, dass diese Prophezeiung auch gleich die Lösung des Problems parat hat: Mathias, starker Held, Frauenschwarm und Überflieger. Natürlich wusste der junge Mathias nichts von seinem Glück und wurde als Waise von einer alten Tante aufgezogen, die sich als die Hohezauberin persönlich herausstellt. Nach einem ordentlichen Infodump geht es für die beiden dann auch schon los – die Welt muss schließlich so schnell wie möglich gerettet werden! Doch halt … da war doch noch jemand? Natürlich! Aaslo, der beste Freund unseres Helden, der Fels in der Brandung – wird zu Hause zurückgelassen. Er schleicht sich jedoch hinter Mathias und der Zauberinnen-Tante hinterher und wird Zeuge, wie sein bester Kumpel niedergemetzelt wird. Tja: Held tot, Prophezeiung widerlegt, das Ende der Welt besiegelt. Doch niemand hat die Rechnung mit Sidekick Aaslo gemacht. Dieser nimmt sich kurzerhand der Aufgabe an und macht sich auf den Weg, die Welt vor dem unbekannten Grauen zu bewahren. Doch ist er dafür überhaupt geeignet?
Einfach nur: wow
Ich habe eigentlich keine Lust, über dieses Buch zu reden. Trotz der tollen Idee, den Helden der Geschichte gleich auf den ersten 50 Seiten das Zeitliche segnen zu lassen, ist daraus eine der größten buchgewordenen Katastrophen entstanden, wie man sie sich nur schwerlich vorstellen kann.
Das Buch konfrontiert den mutigen Leser mit 500 Seiten miserabel übersetzten Fantasy-Murks. Stilistische Schnitzer, Wortwiederholungen, grotesker Satzbau und Schreibfehler reihen sich aneinander, und das in einem Maße, wie ich es selten erlebt habe. Neben sprachlichen Glanzleistungen finden sich auch ein inflationärer Gebrauch von Inquit-Formeln und ein Wortschatz, wie man ihn bei einem Fantasy-Werk nicht erwarten würde (beispielsweise wird ein „Wäscheladen“ (!) oder ein „Kaufhaus“ besucht). Kurz: Das Buch mutet wie ein erster Entwurf an, dem keine weitere Beachtung geschenkt wurde.
Fremdscham bis zum Gehtnichtmehr
Vielleicht hat sich die Übersetzung aber auch nur der inhaltlichen Qualität des Textes angepasst. Die ist nämlich sogar noch schlimmer. Hauptaufreger sind hier die Figuren, die so flach und fad sind, dass man sie während einer Lesepause sofort wieder vergisst. „Held“ Mathias hat sein baldiges Verfallsdatum knallrot auf der Stirn stehen und scheint nur die Funktion eines Dummschwätzers zu haben. Die Hohezauberin verkörpert mit ihren magischen Fähigkeiten die absolute Deus-ex-machina-Gewalt, welche das Elend eigentlich gekonnt hätte abkürzen können. Nur leider wurde die begabte Hohezauberin irgendwann einfach vergessen. Dann gibt es noch Todesengel Myropa, die … halt einfach da ist. Und noch einen ganzen Haufen anderer hoffnungsloser Gestalten, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, die aber bestimmt ganz wichtige Aufgaben im Plot erfüllen (haha).
Anführer dieser Riege an Nichtsnutzen ist natürlich Aaslo. Am Anfang schlägt er sich in seinem Heimatdorf noch mit Teenie-Problemen herum à la „Willst du mit mir gehen? Ja, nein, vielleicht?“ (wohlgemerkt: Mathias und Aaslo sind 26 und 27 Jahre alt!). Doch im weiteren Verlauf muss er mit dem Tod seines besten Freundes, Diebstählen, cholerischen Soldaten, seinem ersten Mord, einer lüsternen Königin und mörderischen „Kreaturen“ fertig werden. Und wer hätte es gedacht: Der Hinterwälder steckt das alles weg, als wäre es nichts. Eine Charakterentwicklung liegt dem Ganzen also genau so fern wie die Etablierung eines anständigen Antagonisten, der die Geschichte vielleicht zumindest ein bisschen interessant gemacht hätte – oder ihr überhaupt eine Daseinsberechtigung gegeben hätte. Und so ist Teflon-Aaslo am Ende innerlich am selben Punkt wie zu Beginn des Buches. Aber wo soll sich auch etwas entwickeln, wenn von Anfang an nichts da war.
Mach, dass es aufhört! Bitte!!!
Wenn die Figuren schwächeln, ist meistens auch der Plot eine Katastrophe. In diesem Fall hat man sich auch noch in einfallsloser Weise am Fantasy-Setzkasten bedient. Kulisse ist eine wenig durchdachte Welt, die mit nicht vorhandenen Details glänzt, aber Hauptsache es gibt Burgen, Schwerter, ein sehr flexibles Magiesystem, Götter und natürlich Drachen. Alles wird zusammen in die Brühe aus Unlogik geschmissen, gewürzt mit Dialogen des Grauens und einer ordentlichen Prise Stumpfsinn. Heraus kommt ein Konstrukt, das so abgrundtief lächerlich ist, dass man gleichzeitig lachen und weinen möchte.
Der Grund, warum dieses Buch nicht gleich 0° bekommen hat, ist Trottel, das Pferd. Und wenn ein Pferd, das in geistiger Umnachtung versucht, ein Stachelschwein zu fressen, mit Abstand das beste in einem Buch ist, ist das schon sehr, sehr traurig.
Fazit:
„Gefallene Helden“ kann einfach nur ein schlechter Scherz sein. Es MUSS ein schlechter Scherz sein. Anders ist diese erschütternde inhaltliche und sprachliche Qualität nicht zu erklären. Aber lest und leidet einfach selbst!
Kel Kade, Heyne
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