Neptunation

  • Fischer
  • Erschienen: September 2019
  • 1
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Marcel Scharrenbroich
40°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2020

Kalter Krieg + wülstig-warme Worte = laues Lüftchen

Lift Me Up!

Kurz vorm Ende des Kalten Kriegs schickten die DDR und die Sowjetunion ein Schiff ins All. Die Gemeinschafts-Mission sollte den bröckelnden Erd-Sozialismus in die unbekannten Gefilde des Weltraums tragen… irgendwo in Richtung Neptun. Allerdings lief damals so Einiges schief. Und 30 Jahre später erreicht ein Notsignal die Erde…

In den ersten Kapiteln lernen wir eine überfordernde Menge an Charakteren kennen. Diese stammen nicht nur aus verschiedenen Teilen der Welt, nein… sie werden uns auch noch in gänzlich unterschiedlichen Zeiten vorgestellt. Hier ein Aiguo Sun in den späten 80ern, dort der Soldat Meinhard Budde im Jahr 2015, bevor wir den Linguisten Christian Winseck und Andrej Sirilko kennenlernen. Ersteren 2017, den Russen 1991. 2017 machen wir auch Bekanntschaft mit der siebzehnjährigen Schülerin Filipa Scholz und den beiden Amerikanern Max und Liz, die vom mysteriösen „Licht“ gelesen wurden - was wiederum auf Dietmar Daths Roman „Der Schnitt durch die Sonne“ verweist, in dem die Schülerin Filipa auch erstmalig in Erscheinung trat - und sich redlich Mühe geben unentdeckt zu bleiben. Klappt aber nicht, denn nach über 150 Seiten finden all diese Teilnehmer (und noch einige mehr) einen gemeinsamen Nenner: Cordula Späth.

Späth trat schon in anderen Romanen des Autors in Erscheinung („Cordula killt Dich!“, „Die Abschaffung der Arten“) und erweist sich als Multitalent in… Allem. Aktuell hat sie 30 Jahre nach der als gescheitert geltenden DDR/UdSSR-Mission ein waghalsiges Himmelfahrtskommando zusammengestellt, das den Kosmonauten von 1989 hinterherreisen soll. Eine Kooperation zwischen Deutschland und China. Sie unterrichtet ihre Crew, dass es einst zu einer Meuterei auf dem ’89 entsendeten Schiff gegeben haben muss und die Besatzung sich gespalten hat. Die DDR-Mannschaft flog weiter Richtung Neptun, während die Russen eine Kolonie in einem nahegelegenen Asteroidengürtel gründeten. In 30 Jahren hat sich dort allerdings so einiges getan, auf das Cordula und ihr Team nicht wirklich vorbereitet sind.

?????

Ehrlich? Gut. Also die grobe Handlung, die ich mir mühsam aus der mindestens 200 Seiten zu langen Lektüre gequetscht hab, kann ich mir noch irgendwie zurechtbasteln. Aber den Rest, der den Hauptteil des Buches einnimmt, würde ich selbst dann nicht verstehen, wenn man mich 23 Stunden am Tag mit dem kompletten Brockhaus verschwarten würde. Scheinbar war das Ziel des Autors, jedes existierende Fremdwort mindestens einmal durch die Schreibwalze zu drehen. Nach spätestens zwei Kapiteln (die pro Passage auch gerne mal 30 Seiten umfassen können) dröhnt der Kopf, die Konzentration klopft schreiend an die Schädeldecke und das Kleinhirn schaltet auf Durchzug, während heißer Dampf aus den Ohren steigt.

Hinzu kommen die flachen Charaktere, die auch nach seitenlangen Beschreibungen überraschend flach bleiben und sich eigentlich nur dadurch unterscheiden, dass ein kleiner Teil von ihnen immer wieder ins Englische wechselt. Meist mitten im Satz. Für den Fall, dass ein Satz überhaupt mal zu Ende gesprochen wird. Dieses hier „…“ werdet Ihr nämlich noch VIEL häufiger sehen als in diesem Text. Ob dies ein „realistisches“ Gespräch wiederspiegeln soll, bleibt wohl (wie so vieles) ein Geheimnis des Autors. Zumal mitten im Satz auch gerne mal das Thema gewechselt wird. Das Englische wird dann ebenfalls gerne mal einige Zeilen durchgezogen. Auch hier spart Dietmar Dath dann nicht mit protzigem Fachwissen, was für mich in die Kategorie „Autoren-Angeberei“ fällt. Schön, wenn jemand ein breites Wissen hat… das muss er mir aber nicht in jedem Satz genüsslich unter die Nase reiben.

Geeignet für:

Raketentechniker, Atomphysiker, Geschichtsprofessoren, Sprachwissenschaftler… Anders kann ich mir dieses Sammelsurium von Fachbegriffen nicht erklären. Lässt man das hochtrabende Technik-Geschwurbel, die ausufernden, scheinbar nie enden wollenden Gespräche der Crew, die offensichtlich komplett auf dem gleichen Wissensstand ist - egal, ob Kommandant, Techniker oder Soldat -, das philosophische Abdriften, physikalische und mathematische Ausführungen bis die Schwarte kracht und das ohne-Punkt-und-Komma-Schwadronieren über Kapitalismus, Faschismus, Marxismus und dem ein oder anderen -ismus, der mir gerade aus dem Container, in dem bis zum Beenden des Buches noch mein schreiendes Hirn wohnte, herausgepurzelt ist, mal weg… ja, dann bleibt tatsächlich noch so etwas wie eine Geschichte übrig. Diese ist dann einigermaßen in Ordnung, wenn auch nicht bahnbrechend. So manches Plot-Detail erinnert an die NETFLIX-Serie „Dark“, während ein bestimmter Twist erstaunliche Ähnlichkeit zu einer bestimmten Folge von „Game of Thrones“ aufweist. Hochzeits-Freunde werden sich erinnern. Lässt man also die Luft raus, dümpelt die Spaceopera, bei der es eine Gruppe von A nach B verschlägt, so dahin… und macht es dem Konsumenten dabei unnötig schwer.

Fazit:

Als Gerne- und Viel-Leser hat mich „Neptunation“ gnadenlos überfordert. Es mag Leser geben, die sich mit dieser komplexen Art der Science-Fiction gerne befassen… und von mir aus auch Gott und die Welt in die aufgeblasenen Worte interpretieren möchten. Bitte, gerne! Aber für ein entspannt-gemütliches Eintauchen auf der heimischen Couch, dem Balkon oder gar am Strand, ist dieses Werk wohl denkbar ungeeignet.

Neptunation

Dietmar Dath, Fischer

Neptunation

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