Wicca - Tödlicher Kult (Hannah Peters 5)

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: August 2019
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Wicca - Tödlicher Kult (Hannah Peters 5)
Wicca - Tödlicher Kult (Hannah Peters 5)
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Marcel Scharrenbroich
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2020

Mythen und Mysterien vom Blocksberg

The Wicker (Wo)man

Für Thomas Thiemeyers neusten Roman schadet es nicht, wenn man sich ein wenig für das Thema „Film“ interessiert. Nicht nur weil die rasant-abenteuerliche Handlung einem Blockbuster ähnelt, sondern weil speziell auf einen Film besonderes Augenmerk gelegt wird: „The Wicker Man“.

Im Film zieht es einen Polizeibeamten auf die weit abgelegene Insel Summerisle, nachdem er einen anonymen Brief erhalten hat. In diesem steht, dass dort vor einiger Zeit ein zwölfjähriges Mädchen spurlos verschwand, was der Sergeant zu untersuchen gedenkt. Auf der Insel schlägt ihm allerdings kein freudiges Willkommen entgegen und die Bewohner hüllen sich in Schweigen. Sogar so weit, dass niemand das angeblich verschwundene Mädchen gekannt haben will. Der Polizist gräbt allerdings weiter und kommt dahinter, dass die Inselbewohner einem heidnischen Fruchtbarkeitskult angehören und den Naturgöttern huldigen, was sich in nächtlichen Orgien niederschlägt. Je mehr er recherchiert, desto mehr beschleicht ihn der Verdacht, dass das Mädchen während einer Zeremonie als Menschenopfer für eine bessere Ernte gedacht ist. Ganz falsch liegt er mit dieser Vermutung jedenfalls nicht…

Der britische Mystery-Thriller war das Regiedebüt vom Roman- und Drehbuchautor Robin Hardy (1929 – 2016), der an den Genre-Erfolg seines Erstlings nie mehr anschließen konnte. Mit dem damaligen TV-„Equalizer“ Edward Woodward (1930 – 2009), Schauspiel-Legende Christopher Lee (1922 – 2015) und dem schwedischen Bond-Girl Brit Ekland (1974 in „Der Mann mit dem goldenen Colt“ erneut an der Seite von Christopher Lee) eigentlich prominent besetzt, ist es verwunderlich, dass der Streifen von 1973 nie für den hiesigen Markt synchronisiert wurde. „The Wicker Man“ liegt lediglich in Originalsprache mit deutschen Untertiteln vor. Dafür erschien 2016 allerdings eine Blu-ray, die drei unterschiedliche Fassungen des Films enthält: Die reguläre Kinofassung mit einer Laufzeit von 88 Minuten, eine Director’s Cut-Version mit 100 Minuten, sowie den Final Cut, welcher wieder um einige Minuten erleichtert wurde und mit einer Dauer von 93 Minuten angegeben wird. Für viele Freunde des Films ist die endgültige Schnittfassung auch die beste, was aber jeder für sich entscheiden sollte. Christopher Lee nannte „The Wicker Man“ einst seinen Lieblingsfilm… und der Mann hat in seiner Karriere wahrlich viele Filme gedreht.

Hollywoods Ex-A-Ligist Nicolas Cage outete sich ebenfalls als glühender Fan des Films, was er 2006 auch deutlich unter Beweis stellte. Da drehte er nämlich unter der Regie von Neil LaBute („Nurse Betty“, „Besessen“, „Lakeview Terrace“) ein gleichnamiges Remake, welches in deutschsprachigen Gefilden als „Wicker Man – Ritual des Bösen“ in den Kinos startete. Cage übernahm nicht nur die Hauptrolle, sondern produzierte das Remake auch. Bei den Kritikern fiel der Film allerdings durch und auch Christopher Lee, Darsteller des Originals, hatte nur wenig lobende Worte übrig.

Nun hat es diese fast vergessene Perle wieder an die Oberfläche gespült und Schriftsteller Thomas Thiemeyer beweist, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat. Neben genausten Beschreibungen von Örtlichkeiten und geschichtlichen Details, die sich durch den ganzen Roman ziehen, geht er auch auf die Mysterien ein, die sich um „The Wicker Man“ ranken. Eine deutlich längere Filmfassung, die von Regisseur Hardy auch für einen Kinostart vorgesehen war, gilt seit Ewigkeiten als verschollen. Allerdings nicht, wenn man der Geschichte von Thiemeyer Glauben schenken mag…

Rastlose Abenteurerin(nen)

Die deutsche Archäologin Hannah Peters wird, nachdem ihre Arbeit in Honduras durch drohende Kriegszustände kurzfristig ein jähes Ende fand, von einer alten Bekannten kontaktiert. Die ehemalige BBC-Journalistin Leslie Rickert, die Hannah schon auf früheren Reisen kennenlernte, bittet sie um Hilfe. Via Videobotschaft. Eigentlich wollte die Archäologin zu ihrer Familie stoßen, welche sich zwecks einer Tauchexpedition auf einem Forschungsschiff vor Korsika befindet, doch das Wiedersehen mit Mann und Tochter muss noch etwas warten. Zu neugierig ist Hannah darauf, was Leslie ihr da bereits im kurzen Video schmackhaft machte. Zu BBC-Zeiten recherchierte Leslie für einen Bericht über Satanskulte und Geheimbünde und griff diese Suche nach ihrem Ausscheiden erneut auf. Sie arbeitete sich in dieses Thema tiefer als zuvor ein… und wurde fündig. In einem alten Spielfilm aus den 70ern stieß sie auf ein Relikt, das auch Hannah sehr vertraut vorkommt. Eine alte Steintruhe, bedeckt mit Symbolen, die aus Expertinnen-Sicht nur schwer vorstellbar als Requisite nachgebaut wurde. In Nimrud, südöstlich der irakischen Stadt Mossul, erblickte Hannah Peters einst das Abbild eines Lebensbaums, der in vielen Religionen und Kulturen Erwähnung findet, und ihr nun von ihrer Freundin auf einem zweiten Bild präsentiert wird. Die beiden Fotos stehen insofern in Zusammenhang, dass sich in der Steintruhe der seltene Samen eines mystischen Lebensbaumes befinden soll. Scheinbar hatte Leslie einen Volltreffer gelandet. Kurzerhand geht es also nach Südengland.

Im regnerischen England angekommen, wird Hannah herzlich von Leslie empfangen. Nach einem kurzen Plausch über alte Zeiten geht es aber direkt zu Leslies Kontaktperson. Der leicht verschrobene Alt-Hippie Professor Edward Moore – Filmhistoriker mit ehemaligem Lehrstuhl in Oxford – hat sich mit fast besorgniserregender Besessenheit in den Film „The Wicker Man“ verbissen, dem auch das Bild entstammt, das Hannah während der Videobotschaft erstmals zu Gesicht bekam. Um der Archäologin den Grund ihrer Anwesenheit zu erklären, führt Moore ihr den Film vor. Zu Hannahs Überraschung ist die entsprechende Szene aber nicht enthalten. Und hier wird es interessant: Die Szene mit der verzierten Steintruhe, die zu echt aussieht, um zum Requisiten-Fundus zu gehören, stammt aus der angeblich drei Stunden langen Version des Films, die als verschollen galt. Diese Ur-Fassung befindet sich im Besitz des Professors. Sie existiert also wirklich… und ist erschütternder, als alles, was bisher über eine Leinwand flimmerte.

Die Orgien und Rituale im Film sollen real sein, ebenso der Mythos und die Spur zu einem uralten Wicca-Kult. Hannah und Leslie wollen sich vor Ort davon überzeugen und reisen in die jordanische Wüstenstadt Petras, wo sie die mysteriöse Truhe vermuten, die in den verlängerten und zugleich extrem verstörenden Szenen in „The Wicker Man“ zu sehen ist.

Allerdings haben Leslie Rickerts Recherchen in höchsten Adelskreisen schon reichlich Staub aufgewirbelt und auch das Mitwirken von Edward Moore, der seinerseits dafür bekannt ist, ein ausgewiesener Experte mit Schwerpunkt auf „The Wicker Man“ zu sein, blieb nicht unbemerkt. Der englische Adelige Ambrose van Tyne, der an der Südküste in Redcliffe Castle residiert, hat ein ganz besonderes Interesse daran, was die beiden Abenteurerinnen zu Tage fördern könnten… und außerdem könnten die jungen Frauen, die in dieser Gegend kürzlich verschwunden sind, ebenfalls in Zusammenhang mit dem Wicca-Mysterium stehen, das in einer ganz besonderen Nacht seinem unheilvollen Höhepunkt entgegenschreitet.

Mystery in Serie

Tatsächlich war mir am Anfang nicht bewusst, dass es sich bei „Wicca – Tödlicher Kult“ bereits um den fünften Band einer fortlaufenden Reihe handelt. Die mysteriösen Abenteuer der Archäologin Hannah Peters nahmen ihren Anfang in Thomas Thiemeyers „Medusa“, das bereits 2004 im Verlag Droemer Knaur erschien und 2019 von Thiemeyer selbst in einer überarbeiteten Neuausgabe veröffentlicht wurde. Der zweite Hannah Peters-Band kam 2009 mit „Nebra“ in den Handel. Anfang 2014 erschien dann „Valhalla“, dem zwei Jahre später „Babylon“ folgte.

Obwohl in „Wicca – Tödlicher Kult“ mehrfach auf vergangene Ereignisse eingegangen wird, wo vermutlich auch das Kennenlernen der beiden Hauptprotagonistinnen in der Wüste Nordiraks thematisiert wurde, kann der Roman problemlos ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Die Verweise auf Vorgänger halten sich stets kurz, werden (auch für Neuleser) schlüssig erklärt und lassen einen mit fehlenden Informationen nicht rat- und hilflos in der Luft baumeln. Dem Verständnis hat es keinen Abbruch getan, was ich bezeugen kann… höchstens wurde das Interesse geweckt, Hannah Peters‘ vorherige Abenteuer bei Gelegenheit noch mal nachzuholen.

Fazit:

Obwohl es sich hier um bereits etablierte Charaktere handelt, dürfen auch „Hannah Peters“-Neulinge bedenkenlos zugreifen. Thomas Thiemeyer liefert auf 496 Seiten eine spannende Mystery-Schnitzeljagd, die zudem blendend recherchiert ist und dadurch umso greifbarer wird. Das Mysterium um „The Wicker Man“ bietet auch für Filmfreunde einen reißerischen Anreiz, der irgendwo zwischen Fakt und Fiktion schwebt. Ein Pageturner, dessen Zutaten genussvoll harmonieren.

Wicca - Tödlicher Kult (Hannah Peters 5)

Thomas Thiemeyer, Droemer-Knaur

Wicca - Tödlicher Kult (Hannah Peters 5)

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