Stranger Things (2): Finsternis
- Penguin
- Erschienen: Juni 2019
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Hopper, übernehmen Sie
„Wunderbare Jahre“
Ähnlich der beliebten TV-Serie (1988 – 1993), die uns bereits im Vorspann mit Joe Cockers „With a Little Help from My Friends“ und Kevin Arnolds deutscher Erzählerstimme von Norbert Langer (auch die deutsche Stimme von Thomas „Magnum“ und He-Man, aus der beliebten „Masters of the Universe“-Hörspiel-Reihe von Europa) mit auf Zeitreise in die 60er nahm, bekommen wir es auch im vorliegenden Roman „Finsternis“ mit einem Trip in die Vergangenheit zu tun.
Das Phänomen „Stranger Things“ ist per se die reinste Nostalgie-Fundgrube und hat mit seinem „Wiederaufleben lassen“ der 1980er-Jahre genau den richtigen Nerv der Millionen Zuschauer getroffen, die jeder neuen Staffel rund um den Globus entgegenfiebern. Dass die Schwingungen des NDW-Jahrzehnts immer noch in vielen Köpfen (nicht nur in Deutschland) vorhanden sind, hat nicht nur der Netflix-Erfolg der Duffer-Brüder eindrucksvoll bewiesen, sondern auch kleine Filmperlen wie „Summer of 84“ vom Regie-Trio RKSS („Turbo Kid“). Als Mischung aus „Die Goonies“ und einer Teenie-Variante des Hitchcock-Klassikers „Das Fenster zum Hof“, erweist sich der wendungsreiche Thriller als gelungene Hommage mit reichlich Reminiszenzen. Zwar kann „Summer of 84“ nicht verbergen, auf den Hype-Train um „Stranger Things“ aufgesprungen zu sein, was jedoch kaum bis überhaupt nicht stört, da der Film auf eigenen Beinen steht und zudem nichts mit Sci-Fi- oder Fantasy-Elementen zu tun hat. Dafür gibt es flotte Sprüche, die uns vor über 30 Jahren schon zum Lachen brachten und eine hervorragende Riege von Jungdarstellern.
Generell scheinen nicht nur Indie-Produktionen wieder Gefallen an den 80ern gefunden zu haben, sondern ganz Hollywood schwimmt momentan auf der Retro-Welle. Das zweite Kapitel von Stephen Kings „ES“ steht an, dessen direkter Vorgänger auch schon seine Handlung, um den jungen „Klub der Verlierer, von den späten 50ern in die hippen 80er-Jahre verlegte, die „Ghostbusters“ bereiten ihre Protonen-Packs für einen dritten Kino-Ausflug im Jahre 2020 vor und ignorieren lässig das Paul Feig-Reboot von 2016, John „Rambo“ spannt für „Last Blood“ erneut den Bogen, um die nächsten Größenwahnsinnigen aus der Jacke zu schießen, die sich mit Mr. Einsilbig anlegen, Hackfresse „Chucky“ bekommt ein Remake - samt neuem Äußeren - verpasst, während sein Original-Gehäuse die langjährige Film-Reihe im TV als Serie fortsetzt, Joe Dantes „Gremlins“ sind für eine weitere Chaos-Tour angedacht, wobei eine animierte Prequel-Serie, die die ersten Abenteuer des knuffigen Gizmo im Shanghai der 1920er erzählt, mit „Gremlins: Secrets of the Mogwai“ bereits von Warner bestätigt wurde, He-Man und seine „Masters of the Universe“ dürfen sich - mit der Macht von Grayskull an ihrer Seite - wieder Skeletor und seinen Schergen in einem neuen Kino-Spektakel entgegenwerfen, wobei sich das Ding nach langjährigem hin und her nun endlich in der Vor-Produktion befinden soll und bei Netflix wird sogar Jim Hensons Puppen-Klassiker „Der dunkle Kristall“ von 1982 mit einer Vorgeschichte in Serie, namens „Der dunkle Kristall: Ära des Widerstands“, bedacht. Long live the 80’s… und jetzt alle: „DAAAAAANN HEBT ER AAAAAB UUUND…“
„Haaawkins, New York, Tokioooooooo…“
…na gut, Tokio jetzt nicht unbedingt, aber Hawkins und New York spielen eine wichtige Rolle in Adam Christophers „Finsternis“. New York nimmt sogar den Löwenanteil der Geschichte ein. Dort arbeitete Jim Hopper als Detective beim NYPD, bevor es ihn wieder in seine Heimatstadt Hawkins verschlagen hat. Gemeinsam mit seiner Frau Diane und der gemeinsamen Tochter Sara, setzte der bärbeißige Cop mit dem guten Herzen alles auf eine Karte und wagte einen Neuanfang in der Metropole. Das war in den 70ern und eigentlich schon längst vergessen, verdrängt… oder in eine hintere Erinnerungs-Ecke verbannt. Doch Elfi, die Hopper bei sich aufnahm, nachdem sie von der „anderen Seite“ zurückgekehrt war und seitdem als Jims Ziehtochter – ganz offiziell: Jane Hopper - mit ihm in der alten Jagdhütte seines Großvaters lebt, langweilt sich am Weihnachtsabend, da ihre Freunde Mike, Dustin, Lucas und Will mit ihren Familien unterwegs sind und somit keine Zeit für sie haben. Das Schneetreiben hat dafür gesorgt, dass der Fernseher den Empfang verweigert und der Abend ist noch jung. Was also tun? Neu- und wissbegierig, wie Elfi nun mal ist - was auch nicht sonderlich überraschend ist, schließlich hat sie den Großteil ihres bisherigen Lebens in einer abgeriegelten Forschungseinrichtung verbracht, wo an ihr experimentiert wurde -, möchte sie von Jim wissen, wieso er einst Cop wurde. Gute Frage… aber er hat sie ja dazu ermuntert, Fragen zu stellen. Elfis Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass Hopper in Plauderlaune gerät, obwohl er sich nicht sicher ist, ob das Mädchen schon bereit für solch eine - nicht gerade weihnachtliche – Geschichte ist…
Im brütenden Sommer des Jahres 1977 hält der berühmt-berüchtigte „Son of Sam“ die New Yorker Polizei auf Trab. Ein realer Serienmörder, hinter dem sich der Amerikaner David Berkowitz verbirgt, der nach seiner Ergreifung im August 1977 zu 365 Jahren(!) Haft verurteilt wurde. Der „Son of Sam“ ist jedoch nicht der einzige Killer, der sich zu dieser Zeit in der Stadt herumtreibt. Hopper und seine neue Partnerin Delgado arbeiten an einem Fall, der ihnen Kopfzerbrechen bereitet. Drei Leichen wurden bereits aufgefunden, die eine gemeinsame Handschrift tragen. Alle hatten weiße Karten bei sich, auf denen ein schwarzes, geometrisches Symbol gemalt wurde. Die Ermittler tappen im Dunkeln, doch das letzte Opfer, ein gewisser Jacob Hoeler, stellt sich als Special Agent des FBI heraus. Es dauert nicht lange, bis sich die Bundesbehörde einschaltet und Hopper und Delgado der Fall entzogen wird. So leicht lässt sich ein Jim Hopper allerdings nicht abspeisen! Er und seine Partnerin ermitteln auf eigene Faust weiter und stoßen auf Hinweise, die auf Gang-Kriminalität deuten. Ein erster Ansatz… dann wird Hopper entführt und er erhält ein Angebot von überraschender Seite, das er unmöglich ablehnen kann… UNMÖGLICH!
Ein ganz und gar nicht „stranger“ Thriller
Obwohl die Netflix-Serie eindeutig im Mystery-Genre zuhause und mit Sci-Fi-, Horror- und Fantasy-Elementen angereichert ist, entpuppt sich der Roman „Finsternis“ als waschechter Thriller, der ohne jeglichen Hokuspokus auskommt. Adam Christopher schreibt seinen 70er-Jahre-Trip sehr ausschweifend und detailliert. Manchmal sogar zu detailliert, wenn jeder Handgriff und jede Bewegung ausführlich beschrieben wird. Ich weiß nicht, wie oft ich den Satz „ …dann machte er/sie/es auf dem Absatz kehrt…“ auf nur wenigen Seiten lesen musste. Ansonsten sind die Kapitel schön knackig gehalten und man liest die 528 Seiten zügig und flüssig weg. Zwischendurch gibt es immer wieder Verschnaufpausen, sowohl für Elfi, als auch für den Leser, wenn die Handlung vom New Yorker Hochsommer in die weihnachtliche Atmosphäre von Hoppers Hütte in Hawkins wechselt. So werden wir immer wieder daran erinnert, dass wir uns noch im „Stranger Things“-Universum befinden und keinen „gewöhnlichen“ Thriller vor uns haben.
Fazit:
Wo Autorin Gwenda Bond mit „Stranger Things: Suspicious Minds“ (ebenfalls im Penguin Verlag erschienen) noch die Vergangenheit von Elfis leiblicher Mutter beleuchtete, nimmt Adam Christopher sich einen wichtigen Part aus Chief Hoppers Werdegang vor. Herausgekommen ist ein durchaus solider Thriller, der stark und spannend beginnt, in der zweiten Hälfte leider an Fahrt verliert. Mit der räumlichen Trennung der Hauptcharaktere geht die Team-Dynamik deutlich verloren und es schleichen sich Längen in die Solo-Ermittlungen. Liebhaber der Serie sollten aber dennoch zugreifen, da es eine Menge über Fan-Liebling Hopper zu erfahren gibt.
Adam Christopher, Penguin
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