Spannendes Kammerspiel im Weltall
Stellt euch vor, bei Reparaturarbeiten im Weltraum explodiert euer Raumschiff. Alle Crew-Mitglieder kommen ums Leben und ihr treibt alleine im Weltraum umher - ohne Hoffnung auf schnelle Rettung. Genau das ist die Ausgangssituation für Techniker Roman Briggs in „Der Besucher“.
Lange hält sich Autor Tyler R. Parsons nicht mit der Vorgeschichte oder gar großer Ursachenforschung des Unglücks auf. Nachdem das Raumschiff zerstört ist, überlebt neben Roman Briggs zunächst noch ein weiteres Crew-Mitglied. Das aber auch nur noch für wenige Stunden, bevor Briggs schließlich in den Weiten des Alls ganz auf sich allein gestellt ist. Und die Ressourcen seines Raumanzuges reichen nur noch für wenige Tage...
Ein Platz in der Nische
Glücklicherweise sammelt ihn schon bald ein Raumschiff der Manti ein - eine außerirdische insektenartige Spezies, mit gliedrigem Körperbau und Mandibeln als auffälliges Mundwerk. Das Problem: Briggs kann nicht einfach an Bord, da die Lebenserhaltungssysteme im Raumschiff der Manti nicht mit dem menschlichen Bio-Organismus kompatibel sind.
Doch dank Trägheitssystem und weiterer Hilfsmittel, die ihm die Manti zur Verfügung stellen, kann Briggs in einer Nische des Raumschiffes am Weiterflug teilnehmen.
Von Einsamkeit und Voyeurismus
So vom normalen Raumschiff-Alltag ausgeschlossen ist Briggs froh, dass sein Aktionsradius dann doch größer ist, als zunächst befürchtet. Er kann sich um das Schiff bewegen und findet im Beobachten der Manti durch die Fenster des Raumschiffes die willkommene Abwechslung gegen die Einsamkeit. Auch ein Manti wird abgestellt, um die Kommunikation mit Briggs aufrecht zu erhalten. Ein interessantes Treffen der Kulturen beginnt.
Aus der Sicht von Briggs erzählt, wird so auch der Leser zum Beobachter und Zuhörer. Wir warten gebannt auf neue Details und Eindrücke, wenn Briggs bei seinen Spaziergang an der Außenseite des Raumschiffes der Manti über Eigenheiten und sonderbare Verhaltensweisen berichtet. In den vielen Gesprächen werden sich Briggs und einer der Manti vertrauter. Bis Briggs eines Tages offenbar Zeuge eines Verbrechens wird...
Mit einfachen Mitteln zum Ziel
Natürlich musste ich gleich an „Das Fenster zum Hof“ denken. In Hitchcocks Film - auf Basis einer Kurzgeschichte von Cornell Woolrich - spielt James Stewart den durch ein gebrochenes Bein an den Rollstuhl gefesselten Fotoreporter Jefferies. Dieser beobachtet aus Langeweile seine Nachbarn und glaubt Zeuge eines Mordes zu sein. Aber trotz ähnlichem Motiv ist „Der Besucher“ deutlich anders.
Tyler R. Parsons Roman besticht keineswegs durch übermäßige Originalität oder sprachliche Raffinesse. Aber, der US amerikanische Autor macht in seinem kurzen Science Fiction Roman eigentlich alles richtig. Parsons konzentriert sich auf das überschaubare Setting im All und die zügige, wirkungsvolle Entfaltung seiner Geschichte - ohne große Umwege oder ausschweifende Erzählstränge.
Briggs, der als einfacher Techniker auf eine offenbar weit entwickelte Spezies trifft, hat die Sympathie des Lesers schnell auf seiner Seite. Auch ernsthafte Situationen bekommen gelegentlich einen humorvollen Unterton. Trotz ungewöhnlichem Aussehen werden die Manti - insbesondere durch ihren „Vertreter“ - in ein durchaus positives Licht gerückt. Umso dramatischer, wenn beiden Seiten gewahr wird, dass es kriminelle Strukturen an Bord gibt. Doch im Rechtssystem werden Zeugenaussagen fremder Spezies schlicht nicht anerkannt. Briggs ist wieder auf sich allein gestellt, oder doch nicht?
Fazit:
„Die Besucher“ ist ein überaus kurzweiliges und spannendes Kammerspiel im Weltall. Das durch ein Unglück im Weltall ungeplante Aufeinandertreffen zweier Kulturen bekommt durch ein grausames Verbrechen besonderen Zündstoff. Auf knapp 200 Seiten ist bei kompakter Dramaturgie und Schlussakt mit einer guten Portion Action für Langeweile kein Platz.
Tyler R. Parsons, Piper
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