Das Schwert der Könige
- Heyne
- Erschienen: April 2019
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Wenn die Hälfte doppelt so gut wäre
Fantasy-Bücher sind nicht gerade für ihren geringen Umfang bekannt. Titel unter 300 Seiten zu finden ist in etwa so einfach, wie einen Sechser im Lotto zu haben. Kein Ding der Unmöglichkeit, aber realistisch gesehen eher unwahrscheinlich. Der Auftaktband von Chris Wooding kommt mit knapp 1000 Seiten daher. Also jede Menge Platz für eine tolle Geschichte mit faszinierenden Figuren... oder?
Vom Adelsspross zum Zwangsarbeiter
Ossia war einst ein freies Königreich, doch diese Zeiten sind Vergangenheit. Vor vielen Jahren sind die Krodaner einmarschiert und haben die Herrschaft an sich gerissen. Sie zwingen der Bevölkerung ihre Sitten und Sprache auf und schlagen Aufstände kompromisslos nieder. Selbst die ossianischen Götter mussten weichen.
Der 15-jährige Aren und sein bester Freund Cade sind im besetzten Ossia aufgewachsen. Sein Vater gehört zu den ranghöheren Ossianern, was Aren eine behütete Kindheit und Jugend mit Bildung und Wohlstand ermöglicht. Cade hingegen ist der Sohn eines Zimmermanns und standesmässig weit unter seinem Freund angesiedelt. So erstaunt es nicht, dass Aren zwar Ossianer ist, sich aber viel mehr mit der krodanischen Lebensweise identifiziert als Cade. Dieser verachtet alles, was vom "Feind" kommt und versucht immer wieder, Aren zu bekehren. Doch all seine Bemühungen sind ergebnislos. Erst als Arens Vater wegen Hochverrats umgebracht wird stellen sich bei ihm erste Zweifel ein.
Als Sohn eines Verräters landet er mit Cade als Zwangsarbeiter im Gefangenenlager. Aren merkt schnell, dass er keine Hilfe von den Krodanern erwarten kann und deren "Rechtssystem" sich nicht um Ossianer schert. Seine tiefe Überzeugung, alles krodanische sei gut, schlägt in Wut um und er wird fortan vom Gedanken getrieben, zusammen mit Cade zu fliehen. Die Gefahr ist gross, dass sie ihren Ausbruchsversuch mit dem Leben bezahlen. Aber im Lager zu bleiben, ist ein garantiertes Todesurteil. So setzen sie alles auf eine Karte und wagen das schier Unmögliche.
Fragen über Fragen
Zusammen mit dem Mitgefangenen Grapp gelingt ihnen tatsächlich die Flucht, auf der sie nach kurzer Zeit auf eine ossianische Rebellentruppe treffen. Ihr Anführer, Garric, stellt einen unverhohlenen Hass Aren gegenüber zur Schau. Dabei hat der Junge keine Ahnung, was er dem geheimnisvollen Mann getan hat. Zur Klärung dieser Frage bleibt keine Zeit, denn die Krodaner haben bereits ihre Verfolgung aufgenommen. Und mit ihnen auch drei sogenannten Schreckensritter. Dieses Trio wirkt kaum menschlich, sie abzuschütteln oder gar zu besiegen scheint aussichtslos. Aren und seinen unfreiwilligen Begleitern bleibt nichts Anderes übrig, als ihr Heil in der Flucht zu suchen. Mit letzter Kraft können sie sich auf eine Insel retten, auf der die mystische Burg Skavengard steht. Viel ist über dieses Gemäuer nicht bekannt, nur, dass man sich nach Einbruch der Dunkelheit unter keinen Umständen darin aufhalten sollte. Aren möchte wissen, warum dem so ist. Und auch sonst bewegen ihn gerade sehr viele Fragen: Warum hasst Garric ihn so? Wieso werden sie von Schreckensrittern verfolgt? Welchen Verrat hat sein Vater begangen? Weshalb will Garric unbedingt "Glutbringer", das legendäre Schwert der ossianischen Könige, in seinen Besitz bringen? Aren stellt rasch fest, dass nur ein Mann die Antworten kennt: Garric. Es erscheint allerdings sehr unwahrscheinlich, dass er sein Wissen mit Aren teilen wird...
(Zu)viele Details, (zu)wenig Handlung
Chris Wooding macht vieles richtig. Er lässt klassische High-Fantasy Elemente einfliessen wie etwa die Queste. In unserem Fall die Mission von Aren und Co., das legendären Schwert "Glutbringer" an sich zu bringen. Oder die vielen Völker, die er erschaffen hat. Jedes mit eigener Kultur, Sprache und Religion. Genau hier liegt aber auch das Problem: Der Haufen an Details und Vielfalt begräbt die Story praktisch unter sich. Die eigentlich lockere und süffige Sprache des Autors wird oft durch zu ausführliche Passagen ausgebremst, welche die Handlung zusätzlich träge machen und vom Leser viel Geduld verlangen. Zudem bleiben die meisten der Figuren sehr blass und man fühlt und fiebert nicht wirklich mit ihnen mit.
Es gibt jedoch immer wieder Lichtblicke. So zum Beispiel, als unsere Helden in der Burg Skavengard von einem namenlosen Schrecken durch dunkle Gänge gejagt werden. Dies erinnert in bester Manier an Tolkiens "Ring-Gemeinschaft" bei ihrem beschwerlichen Weg durch Moria. Nicht zu vergessen Woodings "Schreckensritter" die niemals müde werden, Arens Truppe zu verfolgen. In ihrer Unerbittlichkeit und dem Gefühl, dass sie durch nichts zu besiegen sind, ähnelt dieses Trio stark den "Nazgul" aus der "Herr der Ringe". Doch bei den guten und spannenden Ansätzen verhält es sich bei Wooding ähnlich wie beim Feuer machen: Kaum ist eine "Flamme" da, wird zu viel nachgelegt, und sie erlischt.
Fazit:
Für dieses Buch braucht man Ausdauer. Die vielen Figuren, verschiedenen Völker und sonstigen kleinen Details sind zwar gut gemeint und liebevoll ausgearbeitet, ziehen die Handlung aber arg in die Länge. Es dauert fast bis zur Hälfte der Geschichte, bis das Tempo endlich mal richtig anzieht. Interessante Ansätze werden leider häufig von vielen Belanglosigkeiten erstickt. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Chris Wooding, Heyne
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