Planet zu verkaufen
- Moewig
- Erschienen: Januar 1966
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Kauf- statt rauflustige Aliens erobern die Erde
Parker Graves, Journalist für eine mittelgroße Zeitung in einer ebensolchen US-Stadt, stolpert eines späten Abends beinahe in eine bizarre Falle: Vor seiner Wohnungstür hat jemand ein Loch ausgehoben und ein Fangeisen darin verborgen. Als Graves die Installation überprüfen will, faltet sich die Falle zu einer Kugel zusammen, rollt aus dem Haus und verschwindet.
Graves zweifelt nicht an seinem Verstand, kann aber keine Beweise für sein Erlebnis vorlegen. So schweigt er, bis ihm weitere Seltsamkeiten auffallen: Eine mit unendlichen Geldmitteln ausgestattete Scheinfirma kauft in der Stadt sämtliche Geschäfte und Wohnhäuser auf, um sie zu schließen, die Mitarbeiter zu entlassen und die Mieter auf die Straße zu setzen. Als Graves sich heimlich Einlass in das Büro dieser Firma verschafft, stößt er auf ein Loch in der Wand, das direkt zu den Sternen führt, und auf täuschend ähnliche Puppen von ‚Menschen‘, die ihm lebensgroß in der Stadt begegnen. Dass eine Invasion der besonders tückischen Art im Gang ist, bestätigt ihm ein sprechender Hund, der sich ebenfalls als außerirdisch outet: Die ‚anderen‘ Aliens erobern die Erde nicht, sie kaufen sie. Was mit den Menschen geschehen wird, ist ihnen gleichgültig; der Weiterverkauf des Planeten an den galaktisch Meistbietenden steht bereits fest.
Nachdem man ihnen auf die Schliche gekommen ist, versuchen die Invasoren Graves durch Bestechung ruhig zu halten. Zum Schein geht er darauf ein, während er nach einer Möglichkeit sucht, die Menschheit zu warnen. Niemand hört ihn an, und die Aliens sind dem „Verräter“ bereits hart und mordlüstern auf den Fersen, als Graves zufällig ihre Achillesferse entdeckt …
Invasion mit dickem Geldbeutel
Wer sich in der Science-Fiction-Literatur ein wenig auskennt, wird nicht überrascht sein, dass Clifford D. Simak ‚seine‘ Außerirdischen die Erde nicht mit waffenstarrenden Raumschiffen und in Gestalt der berühmt-berüchtigten „bug eyed monsters“ erobern lässt. Diese Aliens ziehen ein raffinierteres, auf ihre Opfer abgestimmtes Vorgehen vor. Sie haben die Menschen aufmerksam studiert und handeln nach einem alten Sprichwort: „Geld regiert die Welt!“. Auf diese Weise müssen sie gar nicht mit Gewalt vorgehen. Die Aliens beschaffen sich das nötige Kleingeld und kaufen die Erde, die ihnen auf diese Weise auch noch völlig unbeschädigt in die Hände (bzw. Tentakel) fällt.
Mit der ihm eigenen milden Ironie schildert Simak, wie reibungslos diese spezielle Invasion funktioniert. Nicht mit der Androhung von Blut und Mord, sondern mit einer Vertragsklausel verwandeln die Aliens ihre Opfer in willfährige Komplizen: Sie zahlen gut und fordern Schweigen über das jeweils abgeschlossene Geschäft. Ein kluger Schachzug, können sie doch auf die Gier ihrer ‚Kundschaft‘ zählen: Niemand will sich einen Handel verderben, der viel Geld einbringt. Bis die Betroffenen endlich registrieren, dass ihre Mitmenschen ebenso handeln, ist es zu spät: Die Außerirdischen haben das Sagen, und sie haben es sich legal und juristisch wasserdicht erworben.
Große Ereignisse in kleiner Stadt
Simak beschränkt sich auf einen kleinen Ausschnitt, wenn er die Eroberung der Erde beschreibt. Die kleine, namenlos bleibende Stadt, die er als Muster-Schauplatz dessen wählt, was überall auf der Welt vor sich geht, kennt er aus eigener Erfahrung. Parker Graves ist ein der Handlung angepasstes Alter Ego des Verfassers, der über drei Jahrzehnte als Journalist tätig war. Folglich muss man die Stadt irgendwo im US-Mittelwesten vermuten. Dort bildet sie einen in sich geschlossenen Mikrokosmos, denn die Globalisierung war zum Zeitpunkt unserer Geschichte noch unvorstellbarer als eine Invasion aus dem Weltall.
Nur unter dieser Prämisse lässt sich Simaks Geschichte wirklich begreifen, denn der heutige Leser versteht nicht mehr, wieso der Ausverkauf örtlicher Geschäfte und Wohnhäuser einer Gemeinschaft buchstäblich den Boden unter den Füßen fortziehen kann: 1962 war (nicht nur) der US-Bürger des Mittelwestens deutlich heimatverbundener, und zur Heimat zählte auch der Arbeitsplatz, den man nicht selten das gesamte Berufsleben innehatte.
Die Invasion profitieren zusätzlich von einer Gesellschaft, die auch medial in quasi isolierte Einzelzellen zerfällt. In der namenlosen Stadt kommen Neuigkeiten aus der großen Welt nur gefiltert an, denn die Medien sind noch längst nicht so präsent wie heute. Nachrichten werden zur Kenntnis genommen aber nicht verinnerlicht, wenn sie nicht das heimische Umfeld betreffen.
Gegenmaßnahmen mit Köpfchen
Der ‚Krieg‘ gegen die Eindringlinge fällt bei Simak aus. Zwar kann der Mensch nicht auf den Faktor Verständigung setzen, denn die Aliens sind weder fähig, die Regeln des irdischen Zusammenlebens zu verstehen, noch interessieren sie sich dafür. Aber nicht Unwissenheit und Gleichgültigkeit werden ihr Verderben, denn die Menschen sind umgekehrt außerstande, eine Invasion durch Ausverkauf zu begreifen. Als die Zahl der arbeits- und heimatlos gewordenen Bürger steigt, wird nicht die Ursache der Krise hinterfragt. Stattdessen ist sich jeder egoistisch selbst der Nächste, und die ersten Überlebenskünstler decken sich mit Schusswaffen ein: Die vielbeschworene Solidarität ist vor allem Mundpropaganda.
So bleibt es wie so oft dem Individuum überlassen, altruistisch über den Schatten springend und gegen den allgemeinen Strom schwimmend die Rettung einzuleiten. Parker Graves ist alles andere als ein Supermann. Er irrt sich, gerät in Sackgassen, zeigt sich allzu begriffsstutzig dort, wo sogar der Leser längst erfasst hat, wie der Hase läuft (bzw. die Alien-Kugel rollt). Dennoch bleibt Graves bodenständiger US-Pionier genug, um notfalls selbst zum Gewehr zu greifen und sich seiner Gegner im Namen der Menschheit zu erwehren.
In einem Punkt endet die zeitlose Konventionsfreiheit unserer Geschichte: Zwar stellt Simak der männlichen Hauptfigur eine Frau an die Seite, doch diese verhält sich entstehungszeitkonform ‚weiblich‘: Stets nennt man Joy „Mädel“, und obwohl sie notfalls ihren Kampfgeist unter Beweis stellt, schickt sie Graves immer wieder in die Etappe zurück: Ein wahrer Mann kämpft allein und beschützt ‚seine‘ Frau!
Rettung ohne Feuer und Flammen
Die Rettung kommt - auch dies ist typisch Simak - nicht aus dem Hightech-Standort Stadt. Das Land bzw. die Natur selbst bietet ein Anti-Alien-Mittel an; der Mensch muss es nur zu entdecken wissen. Schon H. G. Wells fand so die überraschende und logische Auflösung für seinen „Krieg der Welten“. Dieses Mal sind es keine Bazillen, die den Invasoren den Tod bringen. Ihre Rettung verdankt die Menschheit dem oft verschmähten Stinktier, dessen Odeur eine unkontrollierbare Verlockung auf die Außerirdischen ausübt.
Den Freunden der „military science fiction“ werden ob solch slapstickhafter Anti-Militanz die Tränen kommen, doch Simak lehnt die Gewalt als logisches aber einfallsloses Mittel zum Zweck ab - ohne ihre Existenz übrigens zu verleugnen: Die US-Regierung plant rachsüchtig die atomare Vernichtung der hilflos gewordenen Aliens, was Parkes Graves als unnötig erkennt, ohne es vermutlich ändern zu können.
Simak klammert aus, was geschieht, nachdem die Invasoren ihre Macht verloren haben: Es ist für diejenige Geschichte, die er erzählen wollte, nicht mehr wichtig - eine auch sonst geübte erzählerische Ökonomie, die zu bewundern ist und der Handlung ein sauberes Ende beschert, ohne sie ad infinitum auszuwalzen. Schade, dass die deutschen Leser dies nur schwer genießen können: Während die meisten Simak-Romane in den Verlagen Goldmann und Heyne erschienen, wurde „Planet zu verkaufen“ in die „Terra-Taschenbuch“-Reihe des Moewig-Verlags aufgenommen, auf das dort übliche 160-Seiten-Schema zurechtgestutzt und nie wieder aufgelegt.
Fazit:
SF-Altmeister Simak variiert die bekannte Geschichte von der Invasion aus dem All ebenso einfallsreich wie witzig; sympathische Figuren und eine nostalgisch verklärte Handlungs-‚Gegenwart‘ runden diese gewaltarme und trotzdem spannende Geschichte unterhaltsam ab.
Clifford D. Simak, Moewig
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