Der Exorzismus der Gretchen Lang
- Droemer-Knaur
- Erschienen: März 2019
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High School-Horror und andere pubertäre Sorgen
Gretchen und Abby sind schon befreundet, seit sie 10 sind. Eine nicht ganz so gelungene Geburtstagsparty hat die beiden ungleichen Mädchen – nach anfänglichen Schwierigkeiten – untrennbar aneinandergeschweißt. Nun genießen sie, gemeinsam mit ihren anderen Freundinnen Glee und Margaret, den Spätsommer 1988 in ihrem sauberen Südstaatenstädtchen Charleston, Carolina. Bei einem Ausflug zum nahegelegenen Strandhaus von Margarets Eltern beschließen die Mädels ihren ersten Acid-Trip – natürlich gemeinsam, wie sich das für Freundinnen gehört. Der Stoff scheint nicht anzuschlagen. Nur Gretchen wandert hinaus in die Dunkelheit und bleibt über Nacht verschwunden, bevor sie bei einem verwahrlosten Haus im nahegelegenen Wäldchen wieder auftaucht. Und noch wissen es die Mädchen nicht, aber dieses Ereignis verändert ihr Leben.
Gretchen erinnert sich nicht, wo sie die ganze Nacht abgeblieben ist. Doch beginnt sie sich, zu verändern. Zuvor eine der Schönheitsköniginnen der Schule, lässt sie sich plötzlich gehen, verlottert zusehends, wirkt angespannt, nervös, beinahe verrückt. So schnell es begann, so schnell scheint es wieder vorbei. Doch nun beginnt mit ihr eine innere Wandlung. Sie wird kalt, berechnend und beginnt, ihre Mitschüler – sogar ihre engsten Freundinnen – auf heimtückische Art und Weise zu Dummheiten zu verleiten, die ihnen richtig Ärger machen. Ihre Machenschaften werden immer bösartiger, und schließlich muss Abby sich fragen: Ist das noch die Freundin, die sie kannte? Und falls nein: was könnte hinter der seltsamen Wandlung stecken? Und wie weit wird sie gehen, um etwas dagegen zu unternehmen?
„Dämonen sind fleischgewordene Emotionen […]. Schlechte Emotionen.“
Der Exorzist ist zweifellos das bekannteste fiktive Werk über dämonische Besessenheit, und sein Einfluss ist bis heute spürbar, z.B. in der Umsetzung der teuflischen Elemente in der Conjuring-Reihe auf der großen Leinwand. Zeitgenössischen Horror dieser Sorte verspricht auch schon die Covergestaltung von Der Exorzismus der Gretchen Lang. Leider ist dies aber nicht ganz zutreffend. Grady Hendrix legt seinen Roman als Liebeserklärung an die 80er an, so sind z.B. die Kapitelüberschriften Songtitel bekannter Hits aus der Zeit. Auch spiegelt sich das in den vielen Anspielungen auf die bekannten Hysterien der Ära um AIDS, Drogen und Okkultismus. Fiktive Jahrbuchauszüge der prestigeträchtigen Albermale Academy, welche die Freundinnen besuchen, dienen jeweils als Prolog und Epilog, und lassen in Fotos die Epoche wieder aufleben. Sogar Klassenkonflikte werden treffsicher angedeutet, denn in Charleston sind Leute, die aus der Reihe tanzen, ungern gesehen und schnell stigmatisiert. Allerdings lässt es Hendrix bei diesen guten Ansätzen bewenden, ohne sie unterhaltsam zu nutzen.
Der Storyverlauf entspricht nicht unbedingt dem klassischen Muster, das man von einer Exorzismus-Geschichte erwarten würde. Was stattdessen geboten wird, geht aber nicht voll auf. Das viele Auf und Ab der Handlung wirkt oftmals planlos, und einen Großteil des Buches passiert relativ wenig. Auch die Charaktere kommen deshalb zu kurz, da es – von Abby und Gretchen abgesehen – schwer ist, sich als Leser ein klares Bild von ihnen und ihrer Funktion für den Plot zu machen. Hendrix trifft zwar gekonnt den Ton verflossener Jugendsprache – die in der deutschen Übersetzung von Jakob Schmidt auch überzeugend nachgebildet ist – aber insgesamt ist das Buch dann doch nicht witzig genug für vollwertige Comedy; die satirische Schärfe fehlt, weil nicht genug in die Tiefe gegangen wird; und auch der Horror bleibt – abgesehen von ein paar effektiven Szenen, wie der Besuch eines Anatomielabors oder eine plötzliche, übernatürliche Vogelplage – auf der Strecke. Was ein abgefahrener Genremix hätte sein können, wirkt somit in der Ausführung etwas halbgar. Erst im letzten Drittel, in dem Abby ein recht unkonventioneller Exorzist unterkommt und sie sich das Ritual nicht ganz überzeugend, aber originell zu eigen macht, geht es zur Sache. Kurz vor Schluss tritt dann noch eine überraschende emotionale Vielschichtigkeit zutage, die der Rest des Buches vermissen lässt und die den Gesamteindruck leider nicht komplett retten kann.
Fazit:
Der Exorzismus der Gretchen Lang bietet eine Menge guter Ideen, die sich aber einfach nicht zu einem durchweg gelungenen Ganzen zusammenfügen wollen. Mit Horrorstör hat Grady Hendrix bewiesen, dass er das auch besser kann. Vielleicht wird das nächste Buch ja wieder ein Volltreffer.
Grady Hendrix, Droemer-Knaur
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