Terra Fantasy 1: Schiff der Seelen - Brak, der Barbar, und seine Abenteuer
- Pabel
- Erschienen: Januar 1974
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Barbar auf Reisen und in ständiger Lebensgefahr
Nachdem er aufgrund seiner notorischen Unfähigkeit zum Gehorsam von seinem Stamm verstoßen wurde, beschließt Brak, der Barbar aus den eisigen Steppen des hohen Nordens, seinen heimlichen Traum zu verwirklichen: Er will nach Süden und ins sagenhafte Wunderland Khurdisan reisen. Doch der Weg ist weit, und viele Gefahren lauern auf Brak, wobei skrupellose Zeitgenossen dem naiven Barbaren mindestens ebenso zu schaffen machen wie Magier und Monster.
- Das Heiligtum des Schreckens (The Unspeakable Shrine, 1968), S. 13-66: Khambda Kai ist die erste Stadt, die Brak jemals betreten hat. Mit der ‚Zivilisation‘ wenig vertraut und allzu selbstbewusst auf seine gewaltige Körperkraft vertrauend, gerät er umgehend in Schwierigkeiten. Der böse Dämonen-Gott Yob-Haggoth will auf die Erde zurückkehren, um sein vor Urzeiten gebrochenes Schreckensregiment neu zu errichten. Drei Menschenopfer sind dazu erforderlich, die Septegundus, der grausame „Amyr“ oder Priester des genannten Gottes, vollziehen soll.
Mit Brak finden sich Bruder Jerome vom Orden der Nestorianer, die Yob-Haggoth seit Äonen in Schach zu halten versuchen, und der blinde Sänger Tyresias in der Opfergrube wieder. Ihr Ende scheint besiegelt, doch die schöne Hexe Ariane - Septegundus‘ Tochter - verliebt sich in Brak, der dies nutzt, um dem Dämonen-Priester einen Strich durch die Rechnung zu machen.
- Geister im Stein (Ghosts of Stone/The Pillars of Chambalor, 1965/68), S. 67-88: In der Wüste trifft Brak auf den Händler und Glücksritter Zama Khan, der mit seiner Tochter Dareet die verfluchte Ruinenstadt Chambalor gesucht und gefunden hat, um einen riesigen Schatz zu heben. Da es dort umgeht und Zama Khan die schweren Türen der Kammer nicht öffnen kann, findet er einen Weg, Brak in seine Dienste zu zwingen.
- Schiff der Seelen (The Barge of Souls, 1968), S. 89-145: Auf einem Schlachtfeld findet Brak einen kostbaren Schild, der ihn prompt in Schwierigkeiten bringt, denn sein Besitzer war Nixor, der gefallene König von Phrixos. Dass Brak Nixor sehr ähnlich sieht, nutzt Thronräuber Hel, der mehr über Nixors Tod weiß, als er bekanntwerden lassen möchte, für ein Komplott. Bald liegt Brak giftgelähmt neben dem Körper der ebenfalls toten Königin an Bord einer Barke, die der Fluss ins Paradies tragen soll - oder in die Hölle.
Wiederkehr der Barbaren
Ein Mann folgt seinem Traum. Weil es sich um einen Barbaren handelt, kommt dabei primär Körperkraft zum Einsatz. In der Regel bleiben jene, die dem Träumer in die Quere kommen, gliedmaßen- oder kopflos zurück: So lässt sich nach Ansicht skeptischer Kritiker das Fantasy-Subgenre „Schwerter & Zauberei“ zusammenfassen. Dieses ungünstige Urteil stützt sich schwer und oft korrekt auf eine Flut mittelmäßiger bis minderwertiger Fantasy, die vor allem auf Gewalt setzt/e; je weiter wir uns der Gegenwart nähern, desto expliziter wurden außerdem die Sexszenen.
Dabei war besagtes Subgenre in den 1930er Jahren gut gestartet. Robert E. Howard (1906-1936), Fritz Leiber (1910-1992) oder Catharine L. Moore (1911-1987) hatten mit Figuren wie Conan, Fafhrd & dem Grauen Mausling oder Jirel, der Amazone, unter Beweis gestellt, welches Unterhaltungspotenzial der „sword & sorcery“ innewohnte. Doch schon in den 1940er Jahren dünnte das Feld der schlagkräftigen Schwertträger/innen aus; vor allem Howard fehlte.
Er war es dann, der in den 1950er Jahren wiederentdeckt wurde. Conan kehrte zurück und sorgte für beachtliche Leserzahlen, was Verlage und Autoren aufhorchen ließ: Offenbar gab es hier Geld zu verdienen! Folge 1: Neue Conan-Storys entstanden. Folge 2: Conan-Klone stürmten den Magazin- und Buchmarkt. Zu ihnen stieß 1963 Brak.
Kopie mit Eigenheiten
Der oft und lange als „Schundautor“ verunglimpfte Howard hatte sich große Mühe gegeben, für Conan eine Welt zu schaffen, die gleichermaßen urzeitlich wie plausibel wirkte. Er konnte deshalb auf eine Chronologie verzichten: Mal war es der junge, mal der alte Conan, der irgendwo seine Abenteuer er- und überlebte. Dem Leser blieb es überlassen, diese Episoden zu einer Historie zu verknüpfen, die rudimentär blieb und es nach Howards Willen bleiben sollte.
Solche Mühe gab sich Jakes nicht. Er verband den Norden - Braks Heimat - mit dem fernen Khurdisan und schuf weniger einen roten Faden als ein Gummiband, das sich beliebig dehnen ließ, indem der Autor immer neue Zwischenfälle ersann, die Brak auf dem Weg ins gelobte Land straucheln ließen.
Mit dem Erfolg wuchs durchaus der Ehrgeiz. So entwickelte sich eine Hintergrundstory: Brak fordert den Erz-Magier Septegundus heraus, der dies sehr persönlich nimmt und seinem Widersacher später immer wieder tückische Todesfallen stellt. Ansonsten gerät Brak in den für diese Sparte der Fantasy üblichen Sog einer Zivilisation, die nicht unbedingt fortschrittlich, sondern eher dekadent und niederträchtig wirkt. Dass Brak ein „Barbar“ ist, hebt ihn aus Sicht seines geistigen Vaters über solche Niederungen durchaus hinaus. „Barbarisch“ bedeutet auch „rein“, was eine moralische Sichtweise bedingt, die jenseits aller Gemetzel ernstgenommen wird. Deshalb gerät der kampfstarke Brak ständig in Situationen, in denen er Schwächeren zur Seite springt, selbst wenn diese ihn gar nicht darum bitten: Mitleid ist eine Tugend, die man auf Braks Welt kaum kennt.
Der Weg - das Ziel
Zumindest bei seinem ersten Auftritt bleibt Brak eine vergleichsweise blasse Gestalt. Er ist groß und stark und hat einen Traum. Ansonsten durchquert er Wüsten, Dschungel u. a. Wildnisse, wo er an blutgierige Ungeheuer gerät; es ist beinahe ein Muss, dass Brak irgendwann ein Ungetüm erlegt. In den Städten sind es vor allem menschliche Unholde, die ihn übervorteilen oder umbringen wollen.
Interessant wird es dort, wo schnöde Körperkraft und ein scharfes Schwert wirkungslos bleiben. Heldenhafte Barbaren und Zauberer sind quasi geborene Feinde; sie stehen jeweils an den Endpunkten der zeitgenössischen Werteskala. Magier wie Septegundus verfolgen einen ‚großen Plan‘. Da sie in der Regel ewig leben, haben sie schon in der Vergangenheit hinterlistig zu tücken begonnen. In der Gegenwart versteht kaum jemand, was hinter ihren Kulissen geschieht. Kluge Zeitgenossen halten sich von Zauberern fern, Pechvögel (und Dummköpfe) sterben.
Jemand wie Brak ist ein Quertreiber. Septegundus kann ihn zunächst nicht opfern und später nicht möglichst grausam zu Tode bringen. Stattdessen stirbt seine Tochter, und von Chef Yob-Haggoth setzt es sicherlich mehr als eine Abmahnung, denn Dämonen-Götter sind nie für Geduld und Nachsicht bekannt. Damit hat Brak eine Nemesis erschaffen, die sich ihm immer wieder in den Weg stellen wird, während er gen Khurdisan zieht. Das ist unterhaltsam, kann auf die Dauer jedoch eintönig werden. Ohnehin sollte man zwischen die Lektüre der Brak-Abenteuer ein wenig Zeit legen.
Brak in Deutschland
In Deutschland unterlagen Taschenbuchausgaben lange dem Diktat der sog. Seitennormierung: Sie zählten entweder 128 oder 144 oder 160 Seiten, was es dem Verlag ermöglichte, die für die vorgesehene Auflage erforderliche Papiermenge präzise zu bestimmen. Während die Marketing-Abteilung zufrieden war, schaute die Kundschaft (lange unwissend) in die Röhre: Originalausgaben wurden in der Übersetzung gekürzt bzw. der vorgesehenen Seitenzahl ‚angeglichen‘. Mancher Autor erkannte sein Romanwerk nicht mehr wieder.
Leidlich besser erträglicher erging es Storysammlungen, die zwar insgesamt gekürzt wurden, indem einzelne Erzählungen entfielen, während die Geschichten selbst unangetastet blieben. „Hugh Walker“ (= Hubert Straßl), Herausgeber der Fantasy-Reihe „Terra Fantasy“, versuchte aus der Not eine Tugend zu machen, indem er ‚fehlende‘ Storys in andere Bände verlagerte. Bis zur Aufgabe der Normierung (ab „Terra Fantasy“ Nr. 71) unterschieden sich viele deutsche Ausgaben von den Originalen. Auch „Schiff der Seelen“ stellt keine Ausnahme dar; es fehlen die Storys „Flame Face“ und „The Courts of the Conjurer/The Silk Of Shaitan“. Sie folgten als „Das Flammengesicht“ und „Das Seidentuch Scheitans“ in „Terra Fantasy“ Nr. 19.
„Schiff der Seelen“ kommt eine besondere Stellung in der deutschen Fantasy-Literatur zu: Mit diesem Roman begann die „Terra-Fantasy“-Reihe, die ab den 1970er Jahren ein deutsches Publikum mit wichtigen Werken des Genres bekanntmachte. Herausgeber Straßl lieferte in ausführlichen Vorworten Hintergrundinformationen, die in der Prä-Internet-Ära sonst kaum oder gar nicht eingeholt werden konnten. 94 Ausgaben erreichte die Reihe schließlich - und Brak tauchte noch mehrfach dort auf. Mehr als vier Jahrzehnte versank er hierzulande anschließend in Vergessenheit, bis ihn das digitale Veröffentlichungsnetz erneut den Weg nach Khurdisan antreten ließ.
Fazit:
In den Fußstapfen Conans wandelt Brak, ohne diese ausfüllen zu können. Autor Jakes erzählt von einer Reise, die er durch immer neue Episoden beliebig verlängern konnte: Durchschnittliche Abenteuer-Fantasy als unterhaltsames Lesefutter.
John Jakes, Pabel
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