Wenn die einzige interessante Figur eine Ziege ist ...
... dann stimmt irgendetwas nicht. So wie in Peter Newmans Debut „Vagant“, in dem der Leser den namenlosen und stummen Protagonisten auf einer Reise durch ein postapokalyptisches Fantasy-Setting begleitet. Bei sich trägt der Vagant ein magisches Schwert und ein besonderes Baby, an einer Leine zieht er besagte Ziege hinter sich her. Auf sich allein gestellt kämpft er sich in den Norden durch, wo das Leben der Menschen im Vergleich zum Süden besser sein soll. Doch bis dahin liegt vor dem Vaganten noch ein beschwerlicher Weg, auf welchem er viele merkwürdige Gestalten, aber auch hilfreiche Gefährten trifft.
Die düstere Atmosphäre gehört zweifellos zu den Stärken des Romans. Es handelt sich um eine Welt, die vor sieben Jahren von dämonischen Monstern befallen wurde und in der die Menschen seit jenem Tag ums Überleben kämpfen müssen, und das nicht unbedingt gegen unmenschliche Monster: Sklaverei, Armut, Hunger und Auseinandersetzungen mit Schwert und Schusswaffen stehen an der Tagesordnung. Die bösartigen Kräfte, die die Welt beherrschen, machen auch vor Verstümmelungen nicht Halt und die merkwürdigen Wesen, welche die Menschen unterdrücken, machen das Leben buchstäblich zur Hölle. Interessanterweise wird das Setting beherrscht von einer originellen Mischung aus technologischem Fortschritt und Magie, eingebettet in eine Welt, die kurz vorm menschlichen Abgrund steht. Ein makabrer, aber hochinteressanter Schauplatz. Fehlt nur noch eine packende Handlung ...
Planlose Reise durchs Endzeit-Getümmel
Was uns wieder zur Ziege führt. Denn das gefräßige Tier ist mit seinen einfach gestrickten Bedürfnissen in dem wirren Figurenensemble noch am besten zu verstehen. Die zahlreichen Nebencharaktere bleiben dagegen sehr blass, was vermutlich auch auf die einseitigen Dialoge mit dem stummen Protagonisten zurückzuführen ist. Über den sprachlosen Vaganten selbst erfährt man dementsprechend wenig, seine Handlungsmotivation bleibt in vielen Situationen undurchsichtig. So lässt sich auch über seine allgemeinen Beweggründe nur rätseln, tatsächlich bleibt seine Mission bis zum Ende des Buches im Dunkeln. Sogar dann bleiben zu viele Fragen offen, selbst für den ersten Teil einer Trilogie. Bei rund 450 Seiten eine zermürbende Angelegenheit. Andererseits besitzt der Mangel an Information auch Potential zur Spannung, möchte man doch endlich herausfinden, was es mit dem Vaganten-Roadtrip auf sich hat – wäre da nicht der gewöhnungsbedürftige Schreibstil.
Ein wahrer Lese-Krampf
Der Schreibstil ist mindestens genauso trostlos wie das düstere Setting. Stilistisch ist man teilweise so unterfordert, dass man nach der Lektüre den unbändigen Wunsch verspürt, einen Goethe zu lesen. Da hilft auch Newmans Versuch nicht, das Ganze mit künstlich verschnörkelter Sprache aufzuhübschen. Reihenweise Wortwiederholungen und der immer gleiche, häufig recht kurze Satzbau machen das Buch zur ernsten Geduldsprobe. Das Problem liegt möglicherweise auch an der Übersetzung, schließlich wurde sogar der Ortsname „New Horizon“ in ein merkwürdig klingendes „Neu Horizont“ übersetzt.
Fazit
Tolles Setting, mit vielen guten Ideen. Der Plot bleibt allerdings zu lange undurchdringlich, genauso wie die Figuren. Vom Schreibstil ganz zu Schweigen. Da heißt es stur bleiben und sich durchbeißen – die Ziege macht es vor.
Peter Newman, Cross Cult
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