Der Bruder des Königs
- Penhaligon
- Erschienen: Januar 2016
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Genremix der Extraklasse
George R. R. Martin und Gardener Dozois haben sich in ihrer zweiten Anthologie, an der 21 englischsprachige Autoren ebenso viele Geschichten beigesteuert haben, dem Thema Schurken gewidmet. Schurken sind, wie Martin auch in seiner Einleitung schreibt, beliebte Protagonisten, vor allem auch deshalb, weil sie meist mehr Grautöne haben als andere. Wie bereits bei „Königin im Exil“ handelt es sich um keine reine Fantasy-Anthologie, sondern eine Cross-Genre-Sammlung. Auch wenn die meisten Geschichten dem Phantastik-Genre zugeordnet werden können, gibt es auch welche aus dem Krimi-/Thriller- und dem historischen Genre, manche ist bereits selbst ein Mix. Eingeleitet wird jeder der Kurzromane/Kurzgeschichten mit einem kurzen Abriss zum Autor und seinen bisherigen Werken. Keine der Geschichten wurde bereits früher veröffentlicht, sondern alle für diese Sammlung neu geschrieben.
Gute Gelegenheit neue Autoren kennenzulernen und über den Genre-Tellerrand zu schauen
Viele der Geschichten machen Lust auf andere Werke ihrer Autoren, doch nicht von jedem erhält man ins Deutsche übersetzte Romane oder Kurzgeschichten, sehr schade für diejenigen, die nur in dieser Sprache lesen. Ich möchte auch dieses Mal nicht auf jede Geschichte einzeln eingehen, sondern einige beispielhaft hervorheben.
Geschichten für jeden Geschmack
Bereits die ersten Geschichten haben mich auf Anhieb begeistert, und nur wenige haben mir nicht gefallen. Joe Abercrombies „Harte Zeiten allerorten“ erzählt die Geschichte eines Päckchens, das von Hand zu Hand geht; es wird gestohlen, freiwillig und weniger freiwillig übergeben, jedenfalls wird dabei packend und humorvoll erzählt. Dass der erste und der letzte Satz gleich sind, ist raffiniert und passend.
Michael Swanwicks „Der Fall Petticoats“ führt in ein postutopisches New Orleans, in dem Menschen zur Strafe und auf Zeit zombifiziert werden, damit sie ihre Schuld abarbeiten können. Eine Gaunergruppe hat einen Coup geplant, der anders abläuft als gewollt. Ich hätte große Lust, eine weitere Geschichte oder gar einen Roman aus dieser Welt zu lesen.
„Provenienz“ von David W. Ball erzählt die Geschichte eines nach dem zweiten Weltkrieg verschollenen Gemäldes mit mehreren Rückblenden und einer gelungenen Pointe.
In „Die Goldenen Zwanziger“ von Carrie Vaughn darf der Leser zur Zeit der Prohibition zusammen mit den beiden Protagonistinnen den versteckten Blue Moon Club besuchen, der nur mit Magie zu finden ist. Jemand will flüchten, ein G-Man den Club auffliegen lassen – für Spannung ist gesorgt.
Sehr gelungen ist auch Scott Lynchs „Ein Jahr und ein Tag im alten Theradone“, wo Verbrecher recht originell verurteilt werden und die Regierung aus Magiern besteht, die sich gerne bekämpfen und dabei die Stadt in Schutt und Asche legen. Sehr originell ist auch das „Gebäude“, in dem sich die Protagonisten regelmäßig treffen und die Aufgabe, die sie erhalten, um nicht doch noch verurteilt zu werden. Erzählt wird mit viel Humor und auch hier hätte ich große Lust, Welt und Charaktere wiederzutreffen.
Mehrere Autoren entführen den Leser in schon bestehende Welten ihrer Romane oder Reihen. Patrick Rothfuss' „Der Blitzbaum“ spielt in der Welt seiner Köngismörder-Chronik und lässt den Leser einen Tag mit Bast erleben. Fans der Reihe werden sie sehr gerne lesen, aber auch für andere ist sie unterhaltsam.
Neil Gaiman nimmt den Leser mit in den Londoner Untergrund seines Romans „Niemalsland“, wo der Autor in „Wie der Marquis seinen Mantel zurückbekam“ zeigt, dass das Sprichwort „Kleider machen Leute“ ein gutes Stück Wahrheit enthält, und vor allem mit Fantasie und ein bisschen Humor punktet.
Und auch G. R. R. Martin, der sich dieses Mal richtig kurz fasst, hat eine Geschichte beigesteuert, „Der Bruder des Königs oder der Prinzrebell“ spielt im Lied-aus-Eis-und-Feuer-Universum und führt den Leser in die Vergangenheit der Targaryens. Erzählt wird wie aus dem Geschichtsbuch, für Fans der Reihe ist diese Story ein Muss.
Weitere Kurzgeschichten/-romane liefern Gillian Flynn, Matthew Hughes, Joe R. Lansdale, Bradley Denton, Cherie Priest, Daniel Abraham, Paul Cornell, Steven Saylor, Garth Nix, Walter Jon Williams, Phyllis Eisenstein, Lisa Tuttle und Connie Willis.
Fazit:
Die beiden Herausgeber haben erneut eine beeindruckende Anthologie vorgelegt, die mir noch besser gefallen hat als „Königin im Exil“. Hier sollte jeder Leser Geschichten finden, die ihm gefallen, man kann neue Autoren kennenlernen und aufgrund des gelungenen Mixes auch einmal in andere Genres hineinschnuppern.
George R. R. Martin, Penhaligon
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