Palace of Glass - Die Wächterin (Palace-Saga 1)
- Penhaligon
- Erschienen: Januar 2018
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Palace of Frustration, oder: Wie man eine gute Idee in den Sand setzt
Im London des Jahres 2054 ist das Zeigen und Berühren von nackter Haut strengstens verboten. Denn die geheimnisvollen Magdalenen besitzen die Gabe Gedanken und Gefühle durch das bloße Berühren der Haut nicht nur erkennen zu können, sondern auch zu verändern. Die 18-jährige Rea ist eine solche Magdalena und muss deshalb in ständiger Angst vor Verfolgung leben. Tagsüber versucht sie mit ihrem Bruder ein normales Leben als Schneiderin zu führen, stets darauf bedacht ihre Haut- und Geistgier zu unterdrücken. Nachts jedoch nimmt sie an illegalen Faustkämpfen im geheimen Viertel der Magdalenen teil, bei denen keine Handschuhe getragen werden und die strengen Gesetze des Königshauses keine Macht besitzen. Eines Tages jedoch bekommt sie ein überraschendes Angebot: Sie soll die Leibwächterin des Kronprinzen von Großbritannien werden. Gar nicht so einfach, wo die Regenten doch die Erzfeinde der Magdalenen sind. Als Rea sich auch noch in den Prinzen verliebt, verkompliziert sich die Lage. Rea muss nicht nur mit ihren eigenen Gefühlen kämpfen, sondern den Thronfolger vor einer mysteriösen Rebellenorganisation namens „Winter“ beschützen.
Originelle Einfälle – und dann wird doch nichts draus
„Palace of Glass“ ist der Auftakt einer Urban Fantasy Trilogie und gleichzeitig das Debüt von Christine Lehnen, alias C. E. Bernard. Und was für ein starkes Debüt dies hätte werden können! Gedankenmanipulierer in einem fantastisch-futuristischen London, mit absurden Gesetzten, grotesken Kleidungsstilen (ganz vorne mit dabei: der Kummerbund, mit dem man seine Hände auf dem Rücken festhalten kann) und einem Schwarzmarkt, auf dem die Magdalenen ihre Dienste feilbieten. Hinzu kommen regelmäßige Razzien der GVK, die Magdalenen aufspüren und einer grausamen Rehabilitation unterziehen. Klingt nach jeder Menge Potenzial für ein grandioses Erstlingswerk. Bis mit fortschreitender Seitenzahl die Ernüchterung kommt.
Zunächst einmal liebt es C. E. Bernard ihren Text mit jeder Menge Informationen anzureichern, die dann leider doch vollkommen belanglos für die eigentliche Geschichte sind. Atmosphäre schaffen und uns in die erdachte Welt eintauchen lassen, das sollte natürlich das Ziel eines jeden Autors sein. Wenn dies jedoch wie hier regelmäßig zu einem Infodump ausartet, strapaziert das nur die Geduld des Lesers. Bernard nutzt jede Figur und Handlung, jeden Ort und jeden Gegenstand als Anlass für trockene Erklärungen und narrativ zusammengefasste Rückblenden. Schon die ersten Seiten stellen den Leser vor eine Herausforderung: Der Schwarzmarkt und das verbotene Viertel der Magdalenen wird mit Details und Anekdoten vorgestellt – und zwar ganz unverhohlen nur, um den Leser mit möglichst vielen Hintergrundinformationen zu versorgen. Diese hätte man weitaus eleganter in die Handlung einflechten können, ganz zu Schweigen davon, dass der Leser diese geballte Fülle an Wissen schlicht und ergreifend nicht braucht (besonders, da man zu keinem Zeitpunkt der Handlung an diesen Ort zurückkehrt). Auch die weiter oben aufgelisteten Elemente mögen zwar ein fabelhaftes Setting erzeugen, einmal erwähnt spielen sie aber überraschenderweise sehr schnell keine Rolle mehr. Stattdessen hat Bernard ihren Plot in den Buckingham Palast verlegt und schränkt damit das Potenzial ihres Settings enorm ein.
Wer braucht schon Logik?
Im gläsernen Buckingham Palast angekommen, legt Bernard dann schließlich mit der eigentlichen Handlung los. Auch das zentrale Figuren-Ensemble steht nun fest, doch genau hier zeigen sich die nächsten Probleme. Die Entscheidungen und Handlungen vieler Akteure entziehen sich jeglicher Glaubwürdigkeit, die Geschichte wirkt an einigen Stellen konstruiert und steckt voller kleiner und großer Ungereimtheiten: Wieso wird eine Amateur-Straßenkämpferin als geheime Leibwächterin für den Kronprinzen engagiert? Wieso wird von der Magdalenen-hassenden Königsfamilie nicht genau geprüft, ob es sich bei Rea um eine Magdalena handelt? Und warum sind alle Beteiligten so extrem fahrlässig und ignorant was Sicherheit, Kontrolle und gesunden Menschenverstand angeht? Wenn dann noch eingeführte oder angedeutete Handlungselemente einfach nur im Sand verlaufen, ist es endgültig vorbei.
Der Gipfel der Absurdität wird mit der Liebesgeschichte erreicht. Dabei hätte die Handlung auch gut ohne sie funktioniert. Stattdessen schleppt man eine haarsträubende Romanze durch den gesamten Roman, während der Rea bei jeder sich bietenden Gelegenheit von dem Prinzen gegen eine Wand gedrückt und (beinahe) vernascht wird. Aus viel mehr Elementen besteht das Techtelmechtel nicht, die dennoch stets betonten Gefühle der Protagonisten sind dementsprechend kaum nachvollziehbar.
Fazit
Geniale Einfälle, die leider nur eine fade Geschichte mit mangelnder Glaubwürdigkeit hervorgebracht haben. Man empfindet beinahe körperlichen Schmerz, bei so viel verschenktem Potenzial.
C. E. Bernard, Penhaligon
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