Der Winterkaiser
- Fischer
- Erschienen: Januar 2016
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Fantasy der ungewöhnlichen Art
Seitdem seine Mutter gestorben, und Maia mit gerade einmal acht Jahren allein gelassen hat, ist das Leben des Jungen trostlos. Dass sein Vater ihn verachtet, dass er in die Verbannung geschickt wird könnte er noch ertragen, aber dass sein gewalttätiger Cousin Setheris als sein Gefängniswärter fungiert, ihn triezt und verletzt wo er kann, belastet ihn, bestimmt seinen Alltag und seinen Charakter.
Dabei stammt er doch aus adeligen Kreisen - der despotische Vater, Herrscher über das Reich der Elfen, die Mutter eine Prinzessin der Gnome. Dass er anders aussieht, als die hochgewachsenen, blasshäutigen und blonden Elfen macht ihm nichts aus, dass er aber die einzige Bezugsperson, die ihn geliebt hat verloren hat, das prägt den traurigen Jungen.
Eines Tages landet ein Luftschiff - an Bord eine Nachricht, mit der er nie gerechnet hätte. Sein Vater und die drei in der Rangfolge vor ihm liegenden Thronerben sind auf der Rückreise mit dem Luftschiff abgestürzt, er mit gerade 17 Jahren ist der neue Herrscher.
Er reist, innerlich total verunsichert, in die ihm unbekannte Hauptstadt um sein Erbe anzutreten. Von der Hofetikette weiß er ebensowenig, wie von diplomatischen Gepflogenheiten, den Allianzen am Hof und den vielen Intrigen. Er weiß nur eines - er ist allein, kann niemand trauen und wird von allen um ihn herum bestenfalls verachtet, schlimmstenfalls gehasst!
Da sind die Chancen, dass er das erste Jahr seiner Regentschaft lebend übersteht mehr als gering - zumal sich die Hinweise vertiefen, dass der Absturz durch eine Bombe ausgelöst wurde ...
Es passiert nichts - und doch ist der Leser gefesselt
Was ist das für ein Roman, den die Leser des renommierten Fachblatts Locus als besten Fantasy-Roman des Jahres auszeichneten? Nun, es ist bestimmt kein stromlinienförmiger Questen-Titel. Auch Fans von großen Schlachtengemälden, auf Erden wandelnder Götter oder herrschsüchtigen Magiern kommen vorliegend weniger auf ihre Kosten. Kein feines Klingenspiel, keine Kommando- oder Diebeszüge warten auf uns, es passiert eigentlich - nichts.
Nun, das ist natürlich auch nicht wahr, doch so richtig dramatisch wird es erst ganz im Finale und dann auch eher im Vorbeigehen, als dass die Gewalt in den Mittelpunkt rücken würde. Und trotz, oder gerade wegen der vordergründigen Handlungsarmut hat mich der Text an die Seiten gefesselt.
Das hat damit zu tun, dass es Katherine Addison gelingt uns in ihren Protagonisten hineinzuziehen. Durch seine neugierigen, aber auch verschüchterten Augen lernen wir den Hof, dessen Domteure und die Mitläufer kennen. Das Leben des Kaisers ist streng reglementiert, und Maia leidet darunter, keine wirklichen Freunde zu haben, nicht zu wissen wie er sich verhalten soll, wem er trauen kann und wie er sich gegen die vielen Versuche ihn zu gängeln, zu beeinflussen und zu betrügen wehren soll. Dabei ist er ein schlaues Kerlchen, dessen geistiger Witz, seine Selbstironie und seine Fähigkeit sich selbst, wie die scheinbar fest zementierten höfischen Regeln zu hinterfragen unsere Bewunderung wecken und ihn bei den etablierten Adeligen zur Persona non Grate avancieren lassen.
Erstaunlicherweise kommt der Roman ohne die üblichen Fantasy-Versatzstücke aus. Magie - gibt es nicht, Klingen sind allenfalls Zierde, das Feld der Schlacht ist das Parkett der Säle und die wirtschaftlich-soziale Ausarbeitung des Hofes das eigentlich Fesselnde. So ist Maia zwar unser Erzähler - und dies ein sympathischer - die Hauptperson aber ist der Hof. In dessen schillernden Facetten, in den verschiedenen Strömungen, den Versuchen der Einflussnahme und Maias geschickten oder auch tollpatschigen Versuchen diese abzuwehren, liegt das wahre Vergnügen der Lektüre.
Das ist Fantasy weit ab vom Gewöhnlichen, bestimmt nicht Jedermanns Geschmack, aber bereichernd, interessant und wunderbar unauffällig übersetzt.
Sarah Monette, Fischer
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