Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten (Wayfarer-Reihe 1)
- Fischer
- Erschienen: Januar 2016
- 4
Mehr als ein SF-Roman
Rosemary Harper hat allen Grund, ihre Familie und ihre Heimat auf dem Mars zu verlassen und inkognito auf der Wayfarer anzuheuern, einem Tunneler-Schiff, dessen Aufgabe es ist, Wurmlöcher zu bohren, um die Zivilisationen der GU, der Galaktischen Union, miteinander zu verbinden.
Die Crew der Wayfarer ist ein bunter Haufen aus verschiedenen Spezies. Ashby Santoso, der Captain, wurde während des Exodus der Menschen auf einem Raumschiff geboren und ist dort aufgewachsen. Seine Beziehung zu Pei, einer Äluonerin, muss er geheim halten, denn Peis Spezies sieht Verbindungen zu anderen Arten nicht gerne. So können sich die beiden nur dann heimlich treffen, wenn sich ihre Schiffe zufällig nahe sind.
Artis Corbin ist der Algaeist der Wayfarer, d. h., er kümmert sich um die Algen, aus denen der Treibstoff der Wayfarer gewonnen wird. Er ist ein einzelgängerischer Mensch und trägt ein dunkles Geheimnis in sich, von dem er selbst nichts ahnt, das ihm aber eines Tages auf unangenehme Weise offenbart wird.
Auch Jenks, der kleinwüchsige Comptech ist ein Mensch. Zur K. I. des Schiffes hat er eine besondere Beziehung, die über das Berufliche hinausgeht.
Kizzy Shao, die Mechtech, ist hochintelligent, aber auch ziemlich durchgeknallt. Sie kann so ziemlich alles reparieren und fühlt sich in den Eingeweiden des Schiffes richtig wohl.
Sissix, die Pilotin der Wayfarer, gehört einer reptiloiden Spezies, den Aandrisk, an. Als Kaltblüterin benötigt sie eine bestimmte Temperatur, um funktionieren zu können. Die Crew der Wayfarer ist ihr eine Familie geworden, auch wenn sie die ihrer Spezies eigene Körperlichkeit vermisst. Mit Artis Corbin verbindet sie eine Feindschaft, die im Laufe der Geschichte hart geprüft wird.
Dr. Koch, als Grum Angehöriger einer aussterbenden Spezies, ist, wie der Name schon sagt, Arzt und Koch auf der Wayfarer und hat immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Crewmitglieder.
Ohan ist ein Sianatpaar. Seine Spezies wird in der Regel mit einem Neurovirus infiziert, wodurch aus einem Einzelwesen ein „Paar“ wird. Der Virus verleiht besondere Fähigkeiten, verkürzt aber auch die Lebenszeit drastisch, und wird religiös verklärt. Ohan sind aufgrund ihrer Fähigkeiten der Navigator der Wayfarer und für die Zeiten im leeren Raum lebenswichtig.
Last but not least gehört zur Crew der Wayfarer Lovelace, genannt Lovey, die K. I. des Schiffes, die mehr als nur eine Maschine ist.
Als eine neue Spezies in die Allianz der GU aufgenommen wird, erhält die Wayfarer den Zuschlag für die Bohrung des Verbindungs-Wurmlochs, ein Auftrag, der mit einem Schlag alle finanziellen Probleme beseitigen würde. Der Weg zum Ausgangspunkt für den Tunnel ist lang und birgt einige Gefahren, doch erst am Zielpunkt erwartet die Wayfarer und ihre Crew eine wahre Belastungsprobe.
Inspirierende Eltern
Becky Chambers hat einen hilfreichen persönlichen Hintergrund für das Schreiben eines SF-Romans, die Berufe ihrer Eltern – die Mutter Astrobiologin, der Vater Luft- und Raumfahrttechniker – und das merkt man ihrem Roman auch an. Beinahe wäre „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ gar nicht veröffentlicht worden, da die Autorin in finanzielle Schwierigkeiten geriet, doch dann wagte sie sich auf Kickstarter, mit Erfolg, wie man sieht. Und das ist auch gut so, denn dieser Roman ist es wert geschrieben worden zu sein und von vielen gelesen zu werden.
Erzählt von Freundschaft, Loyalität und Toleranz
Becky Chambers erzählt sehr eingängig und bildhaft, man kann sich die Wayfarer und ihre Crew, aber auch andere Wesen sehr gut vorstellen und fühlt sich schnell zu Hause in der von ihr entworfenen Welt. Manchmal fühlte ich mich an „Firefly“ erinnert, die viel zu schnell eingestellte Serie von Joss Whedon, auch wenn die Autorin natürlich ihre ganz eigene Geschichte erzählt, es ist eher die Atmosphäre, die Grundstimmung, die ähnlich ist.
Neben der interessanten und durchaus spannenden Geschichte vermittelt der Roman eine wichtige Botschaft von Freundschaft, Loyalität und Toleranz, vom Akzeptieren des jeweils Besonderen des Anderen, auch wenn es fremd anmutet und womöglich von den eigenen Werten und Bedürfnissen abweicht. Die moralischen/ethischen Überlegungen des Romans kann man durchaus auf unsere Welt übertragen, sie bieten Reflexionsmöglichkeiten – ohne dabei zu sehr zu moralisieren.
Jeder Einzelne an Bord der Wayfarer erhält seine eigene Geschichte. So lernt man nicht nur das Individuum, sondern auch die jeweilige Spezies kennen und verstehen und entwickelt Akzeptanz, wenn nicht sogar Verständnis. Uns Menschen wird hin und wieder ein Spiegel vorgehalten, denn es wird auch angedeutet, dass andere Spezies dem Menschen überlegen sein könnten (so gab es die GU schon lange, bevor die Menschen im Blickfeld der Allianz erschienen).
Hat man den Roman zu Ende gelesen, wünscht man sich nur eins, weiterlesen zu können, zum einen, weil man sich nur ungern von der Crew der Wayfarer trennt, zum anderen, weil einige Handlungsstänge eine Weiterführung vertragen könnten. Wie z. B. geht es mit Lovey weiter? Gut, dass eine Fortsetzung bereits für Januar 2018 angekündigt ist, die sich genau mit diesem Thema beschäftigen wird.
Becky Chambers Debüt ist einfach großartig und ich bin sehr gespannt, was wir von der Autorin zukünftig noch lesen werden. Wer SF mag, aber nicht unbedingt von großen Konflikten und zerstörten Welten lesen muss, wer faszinierende Spezies und interessante Charaktere kennen lernen möchte und sich für die Beziehungen untereinander interessiert, wer einen Pageturner der etwas anderen Art lesen möchte, sollte zugreifen.
Becky Chambers, Fischer
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