Kuss der Dämmerung
- Heyne
- Erschienen: Januar 2016
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Emanzipation bei den Vampiren - keine einfache Erfolgsstory
Die Welt der Vampire ist konservativ ausgerichtet. Es gibt den Adel, die so genannte Glymera ist eine abgeschottete Welt, in der ein Jeder seinen Platz kennt und respektiert. Die Frauen dienen dabei nur als Vorzeigeobjekt, werden behütet und verhätschelt. Dies ist die Geschichte von zwei weiblichen Vampiren, die aus dieser Welt stammen, die sich aber mit ihrer vorgegebenen Rolle nicht abfinden wollen.
Paradise, Tochter des Abalone, oberster Berater von Wrath dem König der Vampire hat zunächst gegen den Widerstand ihres Vaters durchgesetzt, dass sie dem König als Sekretärin dienen kann. Jetzt hat sie sich zum Programm der Black Dagger angemeldet, in und mit dem diese nach Nachwuchs für den schlagenden Arm der Vampire sorgen. In einem gnadenlosen Auswahlverfahren sucht die Bruderschaft nach Rekruten, die lernen wollen, wie man kämpft, die nicht auf den Krieg warten, sondern sich vorbereiten wollen. Dass Craeg, ein Vampir aus einfachen Verhältnissen, dem nichts mehr bleibt, als das Programm der Dagger, sie mehr fasziniert als ihrer Libido recht ist, macht die Prüfung und den anschließenden Kurs für sie nicht einfacher - zumal ausgerechnet Paradise als Primus, als Beste, die Prüfung absolviert. In ihrer bezaubernden Schale steckt ein stählerner Kern, der einmal geweckt seinen Kurs unbeirrt verfolgt. Und was sie sich in den Kopf gesetzt hat, das wird sie auch erreichen - das ist allen klar, den Brüdern, ihrem Vater, ihrem brüderlichen Freund nur Craeg ahnt noch nicht, dass auch er letztlich vor ihr kapitulieren wird ...
Marissa, gebundene Shellan von Butch arbeitet, seit sie sich von ihrer Familie, ihrem despotischen Bruder getrennt hat, im Frauenhaus der Vampire. Hier hilft sie misshandelten Vampirinnen sich in Sicherheit zu bringen, versorgt sie ärztlich und hat auch immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Frauen.
Als eines Nachts eine tödlich verletzte Frau Zuflucht sucht bleibt ihr nichts übrig, als ihren Bruder, den Arzt Havers um Hilfe zu bitten. Obwohl sie schon seit Jahren keinen Kontakt mehr haben hilft der Arzt sofort, kann aber das Ableben der misshandelten Frau nicht verhindern. Diese traumatische Erfahrung bringt Melissa dazu, ihr Leben zu überdenken und neu auszurichten - und sie sucht, zunächst gegend en Willen von Butch später mit dessen Unterstützung nach dem Mörder ...
Wechsel der Perspektive - jetzt kommen die Frauen - und wie sie kommen!
Mit dem Start der Black Dagger Legacy Reihe wurde nicht etwa ein neuer Handlungsabschnitt in der Geschichte der Vampire gestartet, es wandelte sich die Perspektive. Standen im Zentrum der immerhin 26 Black Dagger Bücher immer die Krieger der Bruderschaft, so treten nun die Frauen ins Rampenlicht.
Vorliegend begeben sich zwei starke Frauenfiguren ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Beide wurden von ihrer jeweiligen familiären Stellung zunächst ausgebremst, ihnen wurde ein zwar gehobener, aber von ihnen selbst ungeliebter Platz in der gehobenen Gesellschaft zugewiesen, der sie eingeengt hat. Nicht nur in ihrer Entfaltung, auch in der Wahl ihrer Partner waren sie einem strengen Reglement unterworfen.
Jetzt, nachdem sie sich emanzipiert haben, können sie ihr Glück selbst in die Hand nehmen. Dieser Prozess wird insbesondere über die Figur der Paradise sehr anschaulich und gut nachvollziehbar geschildert. Es geht um die Loslösung von überkommenen Vorstellungen, um das Aufbrechen verkarsteter Strukturen und um Selbstbestimmung. Die entsprechenden Änderungen werden gerade von älteren Mitgliedern einer Gesellschaft immer mit Argwohn beobachtet, ja so manches Mal hintertrieben. Zu sehr sind die Entscheidungsträger, zumeist eher der älteren Generation angehörig, dem Bekannten verhaftet, scheuen den Aufbruch zu neuen Ufern. Diese auch in unserer Realität überal anzutreffende Einstellung gegen jedwede Veränderung hat die Autorin sehr anschaulich im Text festgehalten. Dabei rennen ihre Protagonistinnen erfolgreich gegen die Betonwände an, schaffen es tatsächlich für sich eine Wandelung herbeizuführen.
Natürlich darf dabei, schließlich sind wir in einem Black Dagger Roman, die erotische Ausarbeitung nicht fehlen. Telefonsex, der Besuch eines Sex-Clubs und das erste Mal werden wie gewohnt plakativ geschildert, treten aber gegenüber früheren Schilderungen eher in den Hintergrund der Suche nach dem Mörder, die allerdings doch sehr viel auf den Kommissar Zufall baut und die Liebesgeschichte Paradises.
Insgesamt ein gelungener Roman, der Fans der Reihe mit dem weiteren Ausbau der Soap-Handlung bedenkt, aber auch Neulesern einen Einstieg ermöglicht.
J. R. Ward, Heyne
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