Die Priesterin der Türme
- Piper
- Erschienen: Januar 2006
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Behutsame Offenlegung der geschichtlichen Ereignisse
Als Amra von ihrem Dienst am Grab eines kürzlich von den Nraurn ermordeten Reiters in ihre Heimatstadt Calaxi zurückkehrt, weiss sie noch nicht, dass ihr Leben, ihre Heimat ja ihr Weltbild in Kürze zerstört werden wird. Nur ihr als Priesterin des Todesgottes ist es gestattet, die Leichen zu berühren, und die Seelen der Verstorbenen auf ihrem Weg zu geleiten und beschützen. Auf dem Heimweg von ihrem Dienst begegnet sie einem Krieger, der aus dem seit Generationen durch eine undurchdringliche Grenze von ihrem Teil der Insel getrennten Norden kommt, und ein junges Mädchen mit türkisfarbenen Augen begleitet. Die Prophezeiung weiss zu berichten, dass ein solches Mädchen den Untergang der Menschlichen Besiedelung auf der Insel der Stürme herbeiführen soll. Als kurz darauf die nichtmenschlichen Nraurn Calaxi angreifen und schleifen flieht Amra zusammen mit einem befreundeten Reiter und den beiden ungleichen Flüchtlingen. Auf ihrer Flucht vor den Nraurn stossen sie in deren Heiligtum auf Felsmalereien, die beweisen, dass die Menschen, als sie vor Jahrhunderten auf die Insel einwanderten mit den dort heimischen Nraur friedlich zusammenlebten. Sind all ihre Überlieferungen, die als Rechtfertigung für die Eroberung und Vertreibung der Nraurn dienten falsch? Und was verbirgt sich wirklich im Körper des unschuldigen Kindes?
Der Piper Verlag hat sich einiges einfallen lassen, um dieses Buch aus dem Allerlei der Publikationen herauszuheben. Hinter dem ansprechenden Schutzumschlag verbirgt sich auf dem Deckel eine weitere Illustration einer der von den Menschen befestigten Städte, ein Vorab-Exemplar für die Presse und den Buchhandel wurde auch produziert – man merkt es dem Band an, dass der Verlag sich viel von dem Buch verspricht.
Heide Solveig Göttner beginnt ihre Erzählung recht verhalten. Sie berichtet uns in drei, das Buch aufgliedernden Teilen oberflächlich betrachtet zunächst einmal von einer abenteuerlichen Flucht. Auf dem Weg durch unwirtliche Landstriche erfahren wir sukzessive mehr über die Geschichte der menschlichen Besiedelung der Insel. Langsam offenbart sich uns die Historie einer Eroberung und Vertreibung, dann eines Bürgerkrieges. Das erinnert ein wenig an die Vertreibung der Indianer durch die weissen Konquistadores, geht aber jederzeit seinen eigenen Weg. Die Autorin konzentriert sich ganz auf ihre Figuren. Nicht etwa grosse Schlachtengemälde oder rasante Actionsequenzen stehen im Mittelpunkt ihrer Erzählung, sondern die behutsame Offenlegung der geschichtlichen Ereignisse die zu der gegenwärtigen Situation geführt haben und die Beschreibung ihrer Personen. Das heisst nicht, dass es keine Auseinandersetzungen, keine Heldentaten geben würde, doch im Mittelpunkt des Interesses stehen ganz klar die Personen und deren Beziehung zueinander. Geprägt von Misstrauen, Vorurteilen und Missverständnissen machen unsere vier Flüchtlinge eine schwierige Zeit durch. Sie müssen von lieb gewonnenen, seit Generationen überlieferten Vorurteilen Abschied nehmen, sich dem Anderen öffnen, und dessen Eigenheiten akzeptieren. Im zweiten Band der Trilogie wird der noch unbekannte Norden mit seinen Eigenheiten und natürlich das Geheimnis des Kindes im Mittelpunkt stehen.
Göttner hat einen leisen, an manchen Stellen fast poetisch zu nennenden Roman vorgelegt, der mich bewegt, der mich angerührt und fasziniert hat.
Heide Solveig Göttner, Piper
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