Wilhelmstadt - Die Maschinen des Saladin Sansibar
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- Erschienen: Januar 2014
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Die Erfinderin auf die Suche nach den Mördern ihres Vaters
Willkommen in Wilhelmstadt, der stählernen Kunststadt auf beweglichen Metallplatten des Deutschen Reiches. Wir schreiben das Jahr 1899. Der urbane Moloch, einst von acht Familien gegründet und gebaut um Braunkohle zu fördern, zu Verhütten und zu verkaufen hat sich zur wichtigsten Denkschmiede des Deutschen Reiches gemausert. Nirgends werden mehr bahnbrechende Erfindungen getätigt, werden mehr Patente angemeldet als in Wilhelmstadt.
Eine der Gründerfamilien, die deJonkers ist in Ungnade gefallen. Seitdem beim Untergang eines revolutionären Schiffes der Lieblingsneffe des Kaisers ertrank, wurde den deJonkers auf Anordnung des Kaisers all ihr Besitz konfisziert, sie selbst zu Persona Non Grata erklärt. Die Mutter starb kurz darauf an gebrochenen Herzen, der Vater dämmert seitdem im Koma vor sich in als die tatkräftige Johanne, die als Suffragette verschrien ist, nach Hause zurückkehrt. Sie ist von der Unschuld ihres Vaters überzeugt und will dies der Welt beweisen. Und wenn sie dabei in einen selbst entwickelten Tauchanzug das havarierte Wrack auf dem Rheinborden aufsuchen muss, so sei es denn.
Dann werden Anschläge auf das Leben Johannes verübt, sie selbst und ihre Leibwächterin, die ihr mehr als zugetan ist, werden gejagt, gefangen genommen, gefoltert und verraten.
All dies aber hält unsere wackere und patente Dame nicht ab, natürlich unterstützt durch ihren Regenschirm, in dem sie selbst so einige wundersame Erfindungen eingebaut hat, ihren Gegnern immer näher zu rücken – bis sie erfährt, dass ein Attentat auf Kaiser Wilhelm II geplant ist, das sie unbedingt verhindern muss ...
Ein fulminantes Abenteuer wartet auf den Leser
Ich stelle gerade in letzter Zeit vermehrt fest, dass die oftmals interessantesten Titel nicht länger bei den großen, bekannten Verlagshäusern erscheinen, sondern die so rührigen Kleinverlage ein ums andere Mal wunderbar ungewöhnliche, frische und überraschende Bücher auflegen. Während die etablierten Verlagshäuser versuchen, dem Leser immer dasselbe erfolgserprobte Lesefutter vorzusetzen, suchen und finden die kleinen der Branche die Nische und überzeugen durch Spitzigkeit und Ideenreichtum.
Vorliegendes Buch, der Auftakt einer kleinen Serie, ist ein gutes Beispiel hierfür. Dresen, der vorher bereits im Acabus Verlag Fantasy und Dystopien vorgelegt hat, wagt sich mit vorliegendem Roman in den Steampunk vor. Und er macht dies wirklich gut!
Sprachlich ansprechend, sorgfältig redigiert und inhaltlich bestechend wartet ein Abenteuer extraordinäre auf den Leser.
Schon zu Beginn wird die Hauptperson – im wilhelminischen Deutschland eine selbstbewusste, einfallsreiche und schlagkräftige junge Frau (!) - vorgestellt. Das hat etwas, zumal diese uns ihre Heimat, Wilhelmstadt, zunächst einmal en passent vorstellt. Man muss sich dies auf der Zunge zergehen lassen – eine Stadt, deren Häuser auf riesigen, beweglichen Stahlplatten erbaut sind, in die man Kanalisation, Strom- und Gasversorgung ebenso wie Krematorien eingebaut hat, und die bei Bedarf komplett „umziehen" können – das hat schon etwas. Dazu kommen dann auf den ersten Blick stereotyp gezeichnete Figuren, die allerdings ihre Vorbilder geschickt persiflieren. Etwa der Teefetischist, der sich immer von einem Samowar begleiten lässt, der mafiaähnliche Clan, der die Schattenwirtschaft Wilhelmstadt unter sich hat, das fliegende Bordelle etc. pp. Dresen hat hier Einfälle en masse untergebracht, und erzählt eine wahrhaft erstaunliche, packende Geschichte.
Das hat unheimlich viel Tempo, überraschende Wendungen zu Hauf und macht einfach Spass. Schade, dass der Autor den größten Teil des zweiten Bandes jüngst in den virtuellen Papierkorb entsorgt hat, und von Neuem mit dem Schreiben der Fortsetzung begonnen hat – wird die Zeit bis zu deren Publikation doch lang werden.
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