Broken Monsters
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2015
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Der Serienkiller in Detroit
Detroit, Michigan war einst die Stahlschmiede und Autostadt der USA schlechthin. Hier wurden die großen Straßenkreuzer erdacht und gefertigt, hier schlug das Herz der größten Nation auf Gottes Erden.
Mit dem Niedergang der US-Autoindustrie, die den Wandel der Zeit zu kleineren, spritsparenderen Modellen regelrecht verschlafen hatte, fiel auch die Metropole dem Elend zum Opfer. Massenentlassungen, wegbrechende Steuereinnahmen, wer konnte, wer eine Chance dazu sah zog weg, was blieb waren die schwer vermittelbaren ungelernten Arbeiter, die zumeist Farbigen und Perspektivlosen.
Dass in Detroit mittlerweile mehr Verbrechen begangen werden, als in jeder anderen Großstadt der USA hat dazu geführt, dass die öffentliche Ordnung weitgehend resigniert hat, dass Unruhen, Vergewaltigung, Diebstahl und Mord alltäglich sind.
Doch auch in diesem Moloch, in dem der amerikanische Traum ausgeträumt ist, in der Tristesse und Depression herrschen gibt es Verbrechen, die selbst abgebrühteste Cops erblassen lassen.
Als man die Leiche eines 10-jährigen Jungen entdeckt, dessen Oberkörper mit Industriekleber mit dem Unterleib eines Hirsches verbunden wurde wird Gabrielle – Gabbi – Versado mit den Ermittlungen betraut. Der öffentliche Druck macht die Arbeit für sie und ihre Kollegen nicht eben einfacher.
Auftritt für die weiteren Figuren des Buches. Als da sind – Gabbis 15-jährige Tochter Layla die zusammen mit ihrer besten, einzigen Freundin sich als Hobby damit beschäftigt, auf Pornoseiten die Männer zu verführen und dann mit angedrohten Veröffentlichen zu schocken. Während sie selbst aus einem Schwarzen-Hispanischen Elternhaus stammt ist Cas eine vollbusige Weiße, was die Freundschaft der Beiden aber nicht beeinträchtigt. Seitdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen, ist das Leben schwieriger geworden, insbesondere da ihr Vater im Fernen Georgia eine neue Familie gegründet hat. Als die beiden Freundinnen einen Pädophilen vorgaukeln jünger zu sein, als sie sind, spitzt sich die Situation zu.
Thomas Keen – TK wie er nur genannt wird – hat sich darauf spezialisiert Häuser und Wohnungen die zwangsgeräumt werden zu filzen. Nur zu oft lassen die Familien, die auf die Straße gesetzt werden Nützliches zurück, das ihm und seinen obdachlosen Freunden das Leben erleichtern können. Ihm geht es nur um eines, dass seine Familie und er selbst den nächsten Tag erleben, die nächste Woche überstehen und den nächsten Monat erreichen ..
Jono Haim hat die Brücken hinter sich abgebrochen. Aus New York kam er in die Motor City auf der Suche nach dem Durchbruch. Hier, umgeben von all dem Elend und der sprießenden, aber kommerziell erfolglosen Künstlerszene will er sein Buch schreiben, einen Bestseller, der ihn an die Spitze der öffentlichen Wahrnehmung katapultieren wird. Bis dahin verfolgt er in seinem Blog im Internet die Ermittlungen.
Als letzter in der Reihe der Erzähler begegnet uns der Kunstschaffende Clayton Broom. In seiner Karriere, die nach wie vor im Sande verläuft hat er schon Vieles ausprobiert – er hat gemalt, Skulpturen geschaffen, mit Ton und Stahl gearbeitet – doch die Visionen in seinem Kopf nie so wirklich in die Realität umsetzen können.
Ungeschminkte Blick auf die einstige Motor-City kombiniert mit einem high-speed Thriller
Ausgehend von diesen jeweils sehr komplex, detailreich und überzeugend gezeichneten Figuren bringt uns Beukens ihre Geschichte um einen Serienkiller näher. Zu den faszinierend gezeichneten Figuren gesellt sich als weitere, heimliche Hauptperson die Stadt Detroit. Ein urbanes Monster, das vom einstigen Glanz und Reichtum träumt, dabei aber fast nur Tristesse und Elend verströmt.
Aus den unterschiedliches Blickwinkeln erfahren wir regelrecht die Stimmung der Stadt, die Resignation, die weite Kreise der in Motor City gestrandeten Bevölkerung erfasst hat. Geblieben sind nur die Verlierer, diejenigen, die durch das soziale Netz gefallen sind, die anderswo keine Perspektive sehen.
In teilweise schockierenden Bildern präsentiert uns die Autorin Momentaufnahmen des Elends, aber auch kleine Blüten der Nächstenliebe, des Mutes und der Freundschaft.
Der Roman erschließt sich dabei dem Leser nicht unbedingt leicht. Gut das erste Drittel des Buches vergeht mit der Einführung der oben aufgeführten Figuren, denen wir in ihren jeweiligen Alltag folgen. Was und wie diese miteinander zusammenhängen, wie dies dann mit den Morden verknüpft ist und das spät eingeführte übernatürliche Element werden hier behutsam, aber auch sehr sorgfältig vorbereitet und integriert, wobei die Suche nach dem Täter fast schon unrelevant ist. Statt dessen nimmt das grosse Bild der Stadt und ihrer Menschen immer deutlicher Gestalt an, faszinieren die Figuren und deren Schicksal bevor es in einem tour-de-force Show-Down ins Finale geht.
So ist dies ein Buch, das uns mit seiner minutiösen Darstellung von Schicksalen ebenso an die Seiten fesselt wie durch die Morde, das nach einem ungewöhnlichen Einstieg über viele verschiedene Figuren mit einer Hauptdarstellerin Detroit aufwartet die Realität atmet und uns bestens unterhält.
Lauren Beukes, Rowohlt
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