Unter Toten 1
- Heyne
- Erschienen: Januar 2014
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Ein Mann kämpft für das Gute und gegen Zombies und Strolche
Im US-Staat North Carolina schob Captain Lee Harden bisher eine ruhige Dienstkugel. Er gehört zu einer kleinen, streng geheimen Gruppe, die Regierung und Militär für eine besondere Aufgabe ausgebildet haben: Sollten die Vereinigten Staaten erobert oder zerstört werden, sind sie es, die sich der Verheerung stellen und die Ordnung restaurieren sollen. Um dies zu gewährleisten, wurden unter den Häusern der insgesamt 48 Kandidaten Bunker gegraben, in denen sich praktisch jede Katastrophe überstehen lässt.
Bisher waren entsprechende Aufenthalte entweder Übungen oder gingen auf falschen Alarm zurück. Doch nun ist die FURY-Seuche ausgebrochen. Sie verwandelt ihre Opfer in tollwütige, geistlose, menschenfleischfressende Kreaturen, die sich zu allem Überfluss nur schwer töten lassen. Das ist fatal, da bereits ein Biss zur Ansteckung führt. Ein Gegenmittel kann nicht mehr entwickelt werden, denn die ganze Welt versinkt viel zu rasch in Chaos, Gewalt und Anarchie.
Mit seinem Schäferhund Tango ist Harden rechtzeitig auf Tauchstation gegangen. Als er einen Monat keine Anweisungen mehr bekommen hat, sieht er sich befehlsgemäß auf der Oberfläche um. Dort haben nicht nur die Zombies die Herrschaft übernommen. Auch allerlei Gesindel, das bisher vom Gesetz in Schach gehalten wurde, hat die Zeichen der Zeit erkannt. Schwer bewaffnete Horden ziehen durch das Land, berauben die wenigen anderen Überlebenden oder machen sie zu ihren (Sex-)Sklaven.
Selbst Harden, der auf eine eindrucksvolle Batterie Schusswaffen zurückgreifen kann, weicht vor der Überzahl dieser Strolche zurück. Ans Aufgeben denkt er natürlich nicht, zumal er inzwischen einige „gute“ Überlebende um sich geschart hat, die auf seinen Schutz angewiesen sind. Diese Schar betrachtet Harden als Keimzelle einer neuen USA auf der Basis alter Werte, aber ein Mann allein ist einfach überfordert mit den Herausforderungen, die eine gänzlich feindselig gewordene Welt stellt …
Ordnung nach der Apokalypse
Auf diese Idee muss man erst kommen! (Oder vielleicht besser nicht?) Die US-Regierung lässt vom Militär 48 Super-Soldaten ausbilden und im Fall einer drohenden Apokalypse unter die Erde gehen, wo sie perfekt vor allem mit Waffen ausgerüstet ausharren, bis sich an der Oberfläche die letzten Rauchwolken verziehen. Dann sollen sie hervorkommen und den Wiederaufbau der Welt anleiten.
Die Zahl 48 ist natürlich kein Zufall, denn die USA bestehen aus 50 Bundesstaaten. Zwei bleiben ohne militärische Ein-Mann-Unterstützung. Genannt werden sie nicht, aber wenn dieser Rezensent raten müsste, würde er auf Hawaii und Alaska tippen. Wenn sich die „Unter-Toten“-Serie weiter so entwickelt wie bisher, ist man dort auch nicht schlechter dran als in den übrigen 48 Staaten: Wie so viele andere glorreiche Pläne schlaubäuchiger Strategen scheitert auch dieser bereits im Ansatz.
Captain Harden und sein deutscher Schäferhund sind kaum hochmotiviert aus ihrem Tiefbunker geklettert, da werden sie bereits von rasenden Quasi-Zombies und nicht minder angriffslustigen Rednecks attackiert. Vor allem letztere scheinen in den Vereinigten Staaten permanent in den Startlöchern zu stehen, um die Macht, fremdes Eigentum sowie gebärtauglichen Frauen an sich zu reißen.
Stück für Stück und erschreckend rasch verliert Harden seine Ausrüstung, die allein ihm ein gewisses Moment der Überlegenheit in dieser hässlichen neuen Welt garantiert. Bald ist er auf sein blankes Messer reduziert, das er jedoch unverdrossen einsetzt, denn eine Kapitulation vor dem Gegner oder den Umständen kommt für Harden nicht in Frage! Sein Land verlässt sich auf ihn, dass er zumindest North Carolina wiederherstellt, und ein Lee Harden tut, was getan werden muss, denn er hat nicht nur einen Job, sondern auch eine Mission übernommen! Deshalb ist es Nebensache, dass die USA nicht mehr existieren und Harden auf sich gestellt ist.
Neue Zombies mit alten Unarten
Dieses Mal steigen die Toten nicht aus ihren Gräbern; mit dem Blick auf aktuelle Apokalypse-Prognosen postuliert Autor Molles eine Pandemie. Die ansteckungsstarke, weltweit wütende FURY-Seuche lässt ihre Opfer – der Name verrät es – zu geistesschwachen aber reaktionsschnellen sowie bärenstarken und kaum außer Gefecht zu setzenden Bestien mutieren. Ansonsten ändert sich nichts: Wie jeder Zombie muss auch der FURY-Wütling in den Kopf geschossen oder gestochen oder der Schädel anderweitig zermatscht werden.
Weil zwar hungrige aber ansonsten unmotivierte Zombies als Gegner schnell langweilig werden, unterstellt ihnen Molles ein Schwarmverhalten: Wie Wölfe (oder die Raptoren aus dem „Jurassic Park“) finden die Zombies zu Rudeln zusammen. Sie jagen gemeinsam und können sich rudimentär verständigen, weshalb sie umgehend wie Pilze aus dem Boden wachsen, sobald etwas ihre Aufmerksamkeit erregt.
Zombies müssen deshalb nach Möglichkeit still und heimlich ausgeschaltet werden, weil jeder Schuss ihre Kumpane anlockt. Auf diese Weise sind die von den Liebhabern des Zombie-Horrors geschätzten Metzel-Szenen gewährleistet, denn in der Regel und im Eifer des aufregenden Gefechts dauert es, bis so ein tollwütiger Unhold endlich niedergestreckt ist. Ohne blutige Sauerei geht es jedenfalls nie ab.
Alte Strolche mit bekannten Unarten
Der schlimmste Feind des Menschen ist bekanntlich der Mensch. Nicht einmal Zombies = gewesene Menschen können es mit ihm aufnehmen. Nur ihre Überzahl garantiert eine Vorherrschaft, die ihnen nicht einmal bewusst ist. Ihnen fehlt der Verstand, der zum Guten wie zum Bösen gleichermaßen befähigt. Kein Zombie-Horror verzichtet deshalb auf zwischenmenschliche Konflikte. Die Existenzkrise lässt Masken verrutschen, unauffällige Zeitgenossen über sich hinauswachsen oder verwandelt Anführer-Gestalten der untergegangenen Zivilisation in feige, arme Würstchen.
Nur ohnehin in Unwissenheit, moralischer Ignoranz und Kriminalität vegetierendes Pack scheint wie bereits erwähnt nach dem Untergang aufzublühen. Wie Schaben überstehen sie jeden Atomkrieg und erst recht den Aufstand der Zombies. Immer tragen sie schmuddelige Hosen oder Jacken mit Tarnmuster, Baseball-Kappen und schwere Stiefel. In ihrer Mehrzahl sind sie fett, dumm, brutal und geil, und sie haben nur eine Hand frei, weil sie in der anderen eine Schusswaffe größeren Kalibers oder ein gewaltiges Messer halten. Hin und wieder gibt es unter ihnen einen, dem ein wenig mehr Hirn im Schädel schwappt – der wird ein Anführer, dem sich das Restpack unterordnet, weil er außerdem noch gemeiner als seine Spießgesellen ist.
Wie diese Neo-Barbarenhorden es geschafft haben, in nur einem Monat die Vereinigten Staaten quasi in den Wilden Westen zurückzuwerfen, vermag Molles nicht überzeugend zu erklären. Er geht von einer Tatsache aus, die er ansonsten unkommentiert lässt; was im Kino oder Fernsehen funktioniert, dürfte man ihm sicherlich im Roman durchgehen lassen! Leider sorgen diese Klischee-Kameraden erwartungsgemäß für Klischee-Action. Drohen, rauben, töten und/oder vergewaltigen: Auch Molles beschränkt sich auf diese elementaren Angewohnheiten.
Ein Mann & seine Mission
Lee Harden hat nicht nur einen griffigen Namen, der Waschbrettbauch und Granitkinn suggeriert, sondern auch die Mentalität des klassischen Ritters. Zwar gestattet er sich rudimentäre Verstöße gegen die Dienstordnung und äußert sogar Kritik am Militärsystem, aber als die Kacke buchstäblich zu dampfen beginnt, schiebt er entsprechende Schwächen beiseite und konzentriert sich auf seine edle Mission.
Dass er dafür links Zombies und rechts Rednecks umlegen muss, ficht ihn nur oberflächlich an: Wo gehobelt wird, fallen Späne! Deshalb ist es rechtens, dass hinter jedem geretteten „guten“ Bürger – Mütter, Kinder, Veteranen etc. – durchschnittlich ein Dutzend Leichen zurückbleibt. In den raren Gefechtspausen übt sich Harden in den obligatorischen Gewissensbissen, doch da die Gegner gar zu grausam und hinterhältig sind, söhnt er sich mit seiner Aufgabe aus und richtet schließlich voller Wonne einen verhinderten Kinderschänder hin: Molles hat dafür gesorgt, dass die Leser auf Hardens Seite sind!
Ansonsten ist Harden ein Mann ohne besondere Eigenschaften. Als solchen hat ihn Molles – kein literarisches Genie, was ihm wohl bewusst ist – konzipiert. Harden denkt in Plattitüden, ansonsten sorgt er für Action. Auf diese Weise lässt sich Abenteuer-Episode an Abenteuer-Episode reihen, während der rote Faden ausbleicht, weil er allzu gemächlich abgespult wird. Es geht kaum voran, und als es endlich richtig rundgeht, bricht die Handlung ab: Fortsetzung folgt!
Bonus mit Biss
2014 flankierte Molles seine Serie mit zwei Kurzromanen. „Faith“ (dt. Verlorene Seelen) wurde hierzulande dem ersten Band als „Bonus“ angehängt. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der mit seiner hochschwangeren Frau in den Strudel der FURY-Seuche gerät, den Untergang unmittelbar miterlebt und den sprichwörtlichen Überlebenskampf lernen muss.
Die Novelle folgt ebenfalls bekannten Mustern, wie wir sie zuletzt in zahlreichen The-Walking-Dead-Episoden verfolgen durften/mussten, ist aber routiniert geschrieben und profitiert von ihrer Kürze. Das Finale soll emotional aufwühlen, erstarrt aber in Pathos und zeigt die Limitierung des Verfassers auf, der nichtsdestotrotz sein Publikum gefunden hat, das auf Action, Waffen & hartes Durchgreifen gegen Gesellschaftsschädlinge jeglicher Art steht.
D. J. Molles, Heyne
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