Roter Mond

  • Penhaligon
  • Erschienen: Januar 2014
  • 0
Roter Mond
Roter Mond
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Carsten Kuhr
89°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2014

Bestes Lesefutter, das nachdenklich zurücklässt

Die vereinigten Staaten von Amerika im 21. Jahrhundert. Scheinbar ist das Bild, das uns der Roman vermittelt von dem uns bekannten Zuständen nicht weit entfernt, einen kleinen Unterschied aber gibt es aber doch. Circa 5,2 % der Bevölkerung sind vom Lobos-Prion infiziert. Ein Großteil der Betroffenen hat man 1948 in einer menschenleeren Gegend zwischen Russland und Finnland angesiedelt, der Rest der Lykaner muss sich einer 4-wöchentlichen Zwangsmedikation unterziehen um die Verwandlung in eine wolfsähnliche Bestie zu verhindern.

Während in der Lykaner-Republik ein Bürgerkrieg um die dort gefundenen Rohstoffe ausbricht, versuchen radikal-konservative Politiker die Bürgerrechte der Lykaner in den USA weiter einzuschränken. Doch erst ein erfolgreicher Terroranschlag auf drei Flugzeuge gibt den ultra-konservativen Politikern, allen voran Gouverneur Chase Williams auf seinem Weg ins Oval Office die Gelegenheit, ihren Patriot Act politisch durchzusetzen. Kennzeichnung der Pässe, ein dauerhaftes Flugverbot und eine öffentliche, von Jedem abrufbare Registrierung in einer Online-Datenbank grenzt die Lykaner weiter aus.

Im Mittelpunkt der Erzählung stehen drei Personen. Der bereits erwähnte angehende Präsidentschaftskandidat Chase, der bei einem Bordellbesuch selbst von einer Lykanerin infiziert wurde, dies aber geheim hält, ermöglicht uns den Einblick aus Sicht des Establishments in die Ausgrenzung und Ausbeutung der Lykaner.

Bei dem Flugzeuganschlägen überlebte nur ein Junge, verborgen unter der Leiche seiner Sitznachbarin das Massaker. Patrick Gamble war auf dem Weg zu seiner Mutter, während sein alleinerziehender Vater eingezogen und in den Bürgerkrieg der Lykaner-Republik entsandt wird, um die dort lagernden Rohstoffe für sein Vaterland unter Einsatz seines Lebens zu sichern.

Und dann gibt es noch Claire Forrester, die hilflos mit ansehen musste, wie ihre Eltern, die eine Lykaner-Terrorzelle leiteten, von Regierungsagenten ermordet werden. Auf der Flucht stößt sie zunächst auf Patrick, bevor die Nacht des Roten Mondes alle drei Protagonisten an der Westküste zusammenführt ...

Benjamin Percy hat sich mit diesem hochgelobten Roman viel vorgenommen. Er arbeitet nicht nur, verklausuliert natürlich die Ereignisse von 9/11 und die Irak-Kriege auf, sondern beleuchtet auch, in durchaus erschreckend glaubwürdiger Art und Weise, die politische Situation seines Heimatlandes.

Das Erschreckende an dem Roman ist nicht etwa, dass Menschen, die einer Seuche ausgesetzt waren danach unschuldig ausgegrenzt werden, sondern, dass all das, was der Autor ins einen packenden Roman einfließen lässt, real wirkt, so vorstellbar ist!

Die Ausgrenzung der "Anderen", wie sie im Roman genannt werden, begegnet uns und dies nicht nur in den USA tag- täglich, schnelle, populistische Lösungen werden von den meisten Menschen bevorzugt, nur dass man schnell wieder zum Alltag übergehen kann. Dass hinter diesen scheinbar gerechten Lösungen oftmals handfeste wirtschaftliche oder machtpolitische Interessen stecken, wird verdrängt und vergessen, die Gründe für das Aufbegehren der Minderheiten interessiert derweil niemanden.

Im alten Rom waren es Brot und Spiele, die die Massen zufriedenstellten, inzwischen haben Reality-Soaps oder der grell von den Medien begleitete Fall früherer Heroen und der tagtägliche Konsum diese Rolle übernommen.
Geschickt, weil unauffällig dafür um so eindringlicher lässt Percy das Bild, wie es in der Politik zugeht mit einfließen, schildert uns in ergreifender Weise, wie sich entsprechende Entscheidungen auf das Leben der Bürger auswirken. Freiheit, Selbstbestimmung und Menschenrechte werden unter Vorspiegelung von Gefahren für die Allgemeinheit ausgehebelt, unbequeme Aufmucker ruhiggestellt.

Verbunden hat der Autor dies, angereichert durch eine zarte Love-Story, mit glaubwürdigen Charakteren, denen man gerne folgt. Ihre Handlungen sind nachvollziehbar ausgestaltet, die Entscheidungen die sie treffen passen zu ihren Charakteren, die Faszination lässt über die ganzen weit mehr als 600 Seiten nie nach.

Das ist bestes Lesefutter, gehaltvoll, spannend und packend, dabei erschreckend real und nachdenklich machend.

Roter Mond

Benjamin Percy, Penhaligon

Roter Mond

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