Maid of Sker

Spiel-Kritik von Lisa Reim-Benke (08.2020) / Titel-Motiv: © Wales Interactive

Verfluchtes Gothic-Hotel lädt zum Flanieren ein

Ein verlassenes Hotel. Gestalten im Dunkeln. Das Klagelied einer Frau. Das klingt nicht unbedingt nach einem Ort, an dem man seinen Traumurlaub verbringen möchte. Dennoch zieht es den Musiker Thomas Evans genau dorthin. Seine Geliebte Elizabeth wird von ihrem Vater in dem Gemäuer festgehalten. Sie hat Thomas eine Nachricht zukommen lassen, in der sie ihn darum bittet, eine Melodie zu komponieren und damit so schnell wie möglich zum Sker Hotel zu kommen und sie zu befreien. Doch wie merkwürdig und vor allem gefährlich die ganze Situation wirklich ist, erfährt Thomas erst, als er das Hotel betritt …

Wild-romantisch und tödlich

Grundlage der Geschichte ist eine walisische Legende, nach der Elizabeth Williams von ihrem Vater eingesperrt wurde und fernab ihres Geliebten Thomas starb. Seitdem spukt sie im Sker-House. Die traurige Sage wurde so zur Buchvorlage und diente nun auch als Inspirationsquelle für das Survival-Horror-Game Maid of Sker. Im Spiel darf Thomas wenigstens versuchen, seine Geliebte zu retten. Diese ruft ihn immer wieder auf dem internen Telefonnetz an und gibt Anweisungen. So soll Thomas Phonographenwalzen finden, um dem übernatürlichen Treiben der Familie durch Musik ein Ende zu bereiten, während Elizabeth versteckt auf dem Dachboden ausharrt.

Bereits nach der Ankunft am Bahnhof bekommt man ein Gefühl für das Setting. Trotz Sonnenschein ragt das Sker Hotel unheimlich vor dem Spieler auf, ein einsamer Hund stromert bellend über das Gelände. Über ein verwahrlostes Gartenhäuschen gelangen wir auf die Anlage. Spätestens im Hotel ist es mit der mystischen Idylle jedoch vorbei. Das Blut am Boden ist eindeutiges Indiz dafür, dass hier etwas nicht stimmt.

Also frisch ans Werk! Die Residenz will schließlich erkundet werden. Hier haben sich die Entwickler wahrlich ins Zeug gelegt: Die Hotelanlage ist weitläufig und glaubwürdig konstruiert, mit vielen Details und schöner grafischer Ausgestaltung. Das Erforschen macht Spaß, was nicht zuletzt an der überzeugenden Geräuschkulisse und Musik liegt, welche mal melancholisch, mal spannungsgeladen die Szenerie untermalt. Eine gruselige Atmosphäre, die noch an Horror-Stimmung zulegt, sobald der Spieler auf den ersten der Quiet Men trifft.

Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein

Schlurfende Gestalten mit Säcken über’m Kopf und entsprechend schlechtem Sehvermögen, dafür jedoch mit ausgezeichnetem Gehör – das sind Thomas’ Gegenspieler. Nun geht es ans eigentliche Spiel: schleichen, verstecken, wegrennen. Zusammen mit dem Horror-Setting verspricht dieses Konzept einiges an Zähneklappern und Nervenkitzel. Zumal die ständigen Schritte in der Dunkelheit und das stete Gefühl, nicht allein zu sein, die Spannung zusätzlich hochhalten. Hinter jeder Ecke könnte schließlich jemand lauern …

Doch der anfängliche Reiz flaut immer mehr ab. Das Schleichen und Verstecken ist nämlich gar nicht so schwierig, wie es zunächst den Anschein hat. Auch wenn man den Schwierigkeitsgrad auf hard einstellt (lässt sich auch während des Spiels noch ändern), ist Thomas’ Weg durch das Hotel gut machbar. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die merkwürdigen Vogelscheuchen nicht so sensibel auf Geräusche reagieren, wie man vermuten könnte. Manchmal kann man einfach an ihnen vorbeilaufen, ohne dass etwas passiert (sogar bei Schwierigkeitsgrad hard). Um im Zweifelsfall kein Geräusch zu verursachen, kann Thomas auch den Atem anhalten – natürlich nur für begrenzte Zeit. Die Gestalten reagieren nämlich auf Atemgeräusche. Auf knarrende Dielen dafür eher weniger.

Schleich dich!

Wir haben also ein Stealth-Gameplay mit Horror-Elementen vorliegen – ein Garant für viel Spielspaß. Doch Maid of Sker ist leider zu simpel geraten. Kriechen, rennen und Atem anhalten – zu mehr ist Thomas nicht fähig. Das ist besonders frustrierend, wenn er es nicht mal schafft, über einen kleinen Absatz zu springen. Überhaupt lässt sich unser Protagonist nicht sehr gewandt steuern. So bleibt man öfter an Möbeln hängen und bei einer Episode auf dem Friedhof mit einer Menge Grabsteinen und Unebenheiten kann schon mal der Geduldsfaden reißen.

Letztendlich gibt es für den Spieler nicht viel zu tun. Die Rätsel sind schnell durchschaut, viel zum Interagieren findet sich nicht. Hier hätte man noch einiges rausholen können: spezielle Verstecke hinter Möbelstücken oder das Werfen von Gegenständen, um die Gegner abzulenken. Tatsächlich gibt es nur in der Eingangshalle die Möglichkeit, die Gesellen durch Klingeln wegzulocken. Ansonsten bleibt nur eintöniges Schleichen oder Wegrennen.

Auch die Gegenspieler selbst bleiben im Großen und Ganzen immer gleich. Zwar muss man den Entwicklern zugutehalten, dass sich die Quiet Men von Statur und Kleidung her unterscheiden, aber ausgestattet mit denselben Verhaltensweisen bleiben sie immerzu berechenbare Gegner. Aus diesem Grund wiederholt sich das Spiel sehr schnell und wird trotz schaurig-schöner Stimmung zum lahmenden Spielerlebnis, das sich innerhalb von 6-8 Stunden durchspielen lässt.

Zum Schluss erwarten den Spieler zwei Enden: Ein gutes und ein schlechtes. Wobei Letzteres deutlich eindrucksvoller daherkommt als das Happy End. Leider enthüllt die Story gegen Ende noch ein paar Unstimmigkeiten. Mehr Investitionen in die Charakterentwicklung hätten die Geschichte besser abgerundet. Besonders der zu jedem Zeitpunkt stumme Thomas bleibt extrem blass. Und dass der Clou der Handlung bereits nach der Hälfte verraten wird, hilft dem Spannungsbogen auch nicht.

Dennoch wird Wiederspielwert geboten, schließlich müssen Briefe, Tagebucheinträge und Artikel zusammengesucht werden, damit sich dem Spieler nach und nach erschließen kann, was im Sker Hotel passiert ist. Wer auf Anhieb nicht alles findet, dem bleiben ein paar Details verborgen. Des Weiteren gibt es 20 Spieluhren, die es einzusammeln gilt. Dies ist allerdings kein Muss und so kann es leicht passieren, dass beim ersten Durchgang Sammelobjekte übersehen und Erfolge nicht freigeschaltet werden. Ob Sammelleidenschaft allerdings ausreicht, um sich erneut durch das Hotel mit seinen gleichgeschalteten Bewohnern zu schleichen, ist fraglich.

Fazit:

Gameplay na ja, Story ganz okay. Wären das schöne Hotel mit der hübschen Grafik und die atmosphärische Musik nicht, wäre es schwierig, am Ball zu bleiben. Wer die schaurige Stimmung zu schätzen weiß, kann mal reinschauen. Für alle anderen dürfte Maid of Sker aber zu schwach auf der Brust sein.

Wertung: 6

Gameplay: 6  |  Grafik: 9  |  Spielspaß: 6

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Fotos / Screenshots: © Wales Interactive

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