The Strain
Film-Kritik von Silke Wronkowski
Old Tales of the Vampires
„The Strain“ erzählt die Geschichte von Dr. Ephraim Goodweather und seinem Team. Sie werden zu Rate gezogen, als es zu einem viralen Ausbruch kommt, der Anzeichen eines antiken und bösartigen Bakterienstamms zeigt.
Guillermo del Toro, Drehbuchautor und Regisseur und sowohl seinen eigenen phantasievollen Projekten als auch Kassenschlagern zugetan – wobei letzteren vermutlich eher um des Geldes willen, um seine „Herzensprojekte“ finanzieren zu können – hatte die Idee zur TV-Serie The Strain bereits 2006. Dumm nur, dass sich kein finanzierender Produzent finden ließ. Weil er die Geschichte aber nicht wieder in der Versenkung verschwinden lassen wollte, holte er Chuck Hogan mit ins Boot und so entstanden aus gemeinsamer Feder die drei Romane Die Saat, Das Blut und Die Nacht, deren Filmrechte – welch Ironie – sich dann der amerikanische Fernsehsender FX sicherte. Im letzten Jahr war die erste Staffel im Kasten und bereits in den USA zu sehen, im deutschen FreeTV läuft sie derzeit ebenso erfolgreich auf Pro7 – und macht wiederum den Seriengucker neugierig auf die Romanvorlagen; das bereits sechs Jahre alte Werk Die Saat stieg direkt wieder in unsere eigene Top Ten der meist aufgerufenen Bücher im August ein und hält sich dort tapfer.
Etwas Altes, etwas Neues, und wieder etwas Altes …
Ja, man sollte meinen, über Vampire sei nun doch hinlänglich alles gesagt worden. Ist es auch, von klassischer Literatur über epochale Reihen bis hin zu TV-Erfolgen in fiktiven amerikanischen Kleinstädten und Kino Blockbustern mit Daywalkern und solchen, die dabei auch noch in der Sonne funkeln, wir haben schon alles gesehen und gelesen. Aber Figuren wie Lestat, Edward und Spike sucht man bei del Toro vergebens, hier ist nichts romantisch, melancholisch oder gar erotisch verklärt, hier geht es endlich mal wieder um das, was Vampire eigentlich sind: Menschen tötende Monster.
Bei del Toro ist das Schiff, das die „Neue Welt“ erreicht, eine Boing, die in Berlin gestartet ist, und nun auf mysteriöse Weise komplett abgeschaltet auf dem Rollfeld des New Yorker JFK steht. Selbstverständlich glaubt im 21. Jahrhundert nicht eine Sekunde jemand an etwas Übernatürliches als Ursache, und so wird Dr. Ephraim „Eph“ Goodweather mit seinem Team der Seuchenschutzbehörde CDC gerufen, um die (vermeintlich) toten Passagiere zu untersuchen. Ein paar wenige Überlebende sorgen beim Zuschauer für einen der ersten gelungen gefilmten Schockmomente der Pilotfolge, während sich Eph und seine Kollegin und (Ex-)Geliebte Dr. Nora Martinez im Frachtraum über den mannsgroßen altertümlichen Holzschrank voller Erde wundern. Durch die Berichterstattung aus seinem Dornröschenschalf als Pfandleiher wachgeküsst, macht sich auch Professor Abraham Setrakian auf den Weg zum Flughafen, kennt er das „Wesen“, das da gelandet zu sein scheint, doch bereits aus seiner Zeit im Konzentrationslager. Und voilà, da haben wir auch schon den Kern der kleinen Truppe, die sich anschicken wird, die Menschheit vor dem Untergang zu retten.
Keine Weltrettungsmission ohne anständige Gang!
In parallelen Einschüben zum Hauptplot werden schnell und doch ausführlich genug, weitere Charaktere eingeführt – Thomas Eichhorst, einst Aufseher im KZ, mittlerweile des Meisters „Sekretär“, der totkranke Oberreiche Eldritch Palmer, der die Reise des Meisters ermöglicht, um selbst vor dem Tod gerettet zu werden, Dutch Velders, sexy Hackerin aus der Unterschicht und Vasiliy Fet, schlauer osteuropäischer Rattenfänger mit einem Sinn für alte Mythen. Ach ja, und dann hätten wir da auch mal wieder Schauspieler Sean Astin in seiner Paraderolle als Gefährte, in diesem Drehbuch allerdings als Assistent von Eph und Nora, der irgendwie zu den Guten gehört aber irgendwie mit den Bösen anbandelt und irgendwie auch stirbt.
„Wissen sie wer Eldritch Palmer ist?“
„Einer der mächtigsten Männer der Welt, ja.“
„Er hat mich angeheuert.“
„Was haben sie getan?“
„Ich hab mir den Arsch aufgerissen und das Internet lahm gelegt.“
Während die Wissenschaftler der Truppe ein paar Folgen brauchen, um den „Virus“, der als Wurm die Menschen befällt und sie in bleiche geschlechtsteillose Blutsauger mit unstillbarer Lust auf rohes Fleisch verwandelt, haben Abraham und Vasiliy ganz pragmatische Kampfmethoden entwickelt: „Ab mit dem Kopf!“ heißt die einzig rettende Devise. Ein beherzter Versuch den „Meister“ am Ende der 13 Folgen dauernden ersten Staffel zur Strecke zu bringen, scheitert. Muss er aber auch, läuft doch dieser Tage im PayTV bereits die zweite Staffel an und ist just vor ein paar Tagen der Auftrag des Senders FX Network für Staffel drei an Herrn del Toro gegangen.
The Walking Bloodsuckers
Würden wir nicht in den letzten Jahren einen Über-Hype an lebenden Untoten der Gattung Zombie visuell auf Leinwand und Mattscheibe erlebt haben, so könnten wir Guillermo del Toro die monoton schlurfende Optik seiner unansehnlich verfaulenden Vampire leichter verzeihen. The Strain entschädigt uns mit einem detailreichen Set, das die Moderne New Yorks und die „Antike“ der Vampiermythologie stimmungsvoll düster und blutreich bebildert. Vergleiche von Buffy bis Trueblood kann man ziehen, doch der Splatter-Grad ist dank leinwandstarker Special Effects um einiges höher, die Wahl des DVD-Covers zeugt bereits davon. So grotesk es klingen mag: Es ist wahrlich erfrischend wie eklig, blutig, schockend und völlig unbeschönigend „normal“ grausam Vampire in The Strain – endlich – wieder sein dürfen. Die Teenagerliebe „Vampir“ stirbt – vorerst jedenfalls – mit dieser Serie ihren TV-medialen (Un-)Tod.
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