Orphan Black - Staffel 1
Film-Kritik von Jana Jeworreck
Was passiert, wenn man sich selbst plötzlich gegenübersteht!
Sarah Manning hält sich mit kleinen Drogendeals über Wasser und muss sich vor ihrem gewaltätigen Ex-Freund in Sicherheit bringen. Eines Tages beobachtet sie durch Zufall den Selbstmord einer jungen Frau. Diese Frau, Beth, sieht ihr verblüffend ähnlich. Sarah nutzt die Gelegenheit: Kurz entschlossen nimmt sie die Identität der Toten an. Doch damit fangen die Probleme erst richtig an …
Nach einem Jahr kehrt Sarah Manning auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ex-Freund in ihre Heimatstadt zurück, um ihre Tochter Kira bei ihrer Pflegemutter Siobhan Sandler, Mrs. S genannt, abzuholen. Als Sarah am Bahnhof ankommt, beobachtet sie eine Frau, die ihre Schuhe auszieht, ihre Tasche abstellt und sorgfältig ihre Jacke zusammenfaltet. Als die Frau sich umdreht, stellt Sarah erschrocken fest, dass sie sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Bevor sie jedoch etwas sagen kann, springt die Fremde vor einen Zug. Geschockt von dem Selbstmord, flüchtet Sarah im entstehenden Chaos mit der Handtasche der Selbstmörderin.
Sie entscheidet die Identität der Toten, einer Polizistin namens Elizabeth Childs anzunehmen und mit deren Geld abzuhauen. Dazu überredet Sarah ihren Pflegebruder Felix, die Leiche als Sarahs auszugeben.
Brenzlige Situationen, wie das Treffen auf Beth’ attraktiven Freund Paul Dierden und auf ihren Partner bei der Polizei, Arthur Bell, weiß Sarah zu meistern. Auch den Angestellten bei der Bank kann sie glauben machen, sie sei Elizabeth Childs und so eine große Bargeldsummer ertricksen. Als Sarah aus der Ferne ihre eigene Beerdigung beobachtet, wird sie von der Deutschen Katja Obinger gefunden. Katja sieht ebenfalls genauso aus wie Sarah, ist aber offensichtlich schwer krank. Mitten im Gespräch wird Katja erschossen und auch Sarah muss vor dem unbekannten Schützen fliehen, der es auch auf sie abgesehen hat.
Bald darauf trifft Sarah auf zwei weitere Frauen, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten sind – Alison Hendrix und Cosima Niehaus – und wird schließlich darüber aufgeklärt, was sie sind: nämlich im Labor erzeugte Klone! Von da an überschlagen sich die Fragen: Wozu sie erschaffen wurden, warum jemand versucht, sie zu töten, warum nur Sarah ein Kind bekommen konnte, warum einige von ihnen krank sind und natürlich wer hinter dem Ganzen steckt.
Ein raffiniert aufgebauter Plot …
…bestimmt die Handlung der ersten Staffel und treibt den Zuschauer zusammen mit der Hauptfigur Sarah, gespielt von Tatjana Maslany, von einem Überraschungsmoment zum nächsten, so dass man genau wie die Protagonistin kaum dazu kommt, Luft zu holen. Der Zuschauer wird auf eine Achterbahnfahrt geschickt und weiß zunächst auch nur das, was Sarah erfährt. Das Tempo der Wendungen ist hoch, neue Figuren und immer neue Charakterzüge der bereits eingeführten, folgen Schlag auf Schlag. Immer deutlicher wird, dass Sarahs Tochter Kira eine Schlüsselrolle spielt und viele Parteien verschiedenste Interessen an den Klonen haben.
Dort, wo die Haupthandlung eine Pause braucht, erzählen die Autoren witzige und skurrile Nebenstränge, die in ihren Details immer auch der Haupthandlung dienen. Besonders die amerikanische Sauberfrau Alison Hendrix und ihr Ehemann Donnie bieten mehr als genug Material für eine eigene Comedyshow, ohne dabei die eigentliche Story zu verraten.
Die Hauptdarstellerin: ein unglaubliches Schauspieltalent!
Tatjana Maslany verkörpert alle Klone, die im Verlauf der ersten Staffel eingeführt werden, einfach herausragend; von der mutigen Überlebenskünstlerin und Mutter Sarah, der intellektuellen Wissenschaftlerin Cosima über die spießige Vorzeige-Hausfrau Alison und die durchgeknallte, rumänische Killerin Helena bis hin zur hyperkontrollierten Drahtzieherin Rachel Dunkin. Die Schauspielerin schafft es, jedem Klon über die Typologie in einen komplexen Charaktere zu verwandeln. Sie jongliert geschickt zwischen Klischee und Tiefgang, fügt rechtzeitig Brüche ein, manchmal nur durch winzige Details, und verleiht jeder Kopie so eine Einzigartigkeit, die niemals nur oberflächlich ist. Mehr als zurecht wurde sie 2014 für den Golden Globe nominiert. Bereits 2013 erhielt sie für ihre Klondarstellungen den Critic´s Choice Television Award und diverse andere Preise.
Die anderen …
…sind auch gut, möchte man sagen. Das wäre aber untertrieben. Dem schwulen Pflegebruder Felix kommt es ganz gelegen, sich um die Belange der bei ihm ein- und ausgehenden Klone zu kümmern. Jedenfalls scheint ihn sein Leben mit verschiedenen Liebhabern und der Malerei allein nicht auszufüllen. Besonders aber zählt die mysteriöse Mrs. S, gespielt von Maria Doyle Kennedy, zu den hochinteressanten Nebenrollen, die in vielfacher Weise ungewöhnlich ist. Zum Einen werden in den meisten Serien selten Frauenfiguren Ende vierzig entwickelt, deren Charakterzeichnung so dunkel, gebrochen und undurchschaubar sind, wie bei Mrs. S. Zum Anderen liegt sie dabei auch äußerlich abseits des gängigen Vorstadthausfrauenklischees. Maria Doyle Kennedy spielt eine Klaviatur von liebevoll mütterlich bis berechnend gefährlich und alles mit rauchigem Sexappeal.
Die undurchschaubaren Motive der männlichen Nebenrollen und der Missbrauch durch die Klone sorgen für eine Extraportion Erotik und Humor. Paul Dierden, gespielt von Dylan Bruce, wird bei den Klonen als Sexobjekt regelrecht durchgereicht, während Alison Hendrix´ Ehemann Donnie zu den tragikkomischen Figuren zählt. Genau wie Paul ist er von dem sektenartig organisierten Dyad – Institut, das an dem Klonverfahren beteiligt war, als Bewacher abgestellt, doch durch Alisons Verhalten als alkoholabhängige, ihren Mann schlagende Ehefrau bekommt sein Charakter auch etwas liebevoll Bemitleidenswertes.
Hervorzuheben ist auch die ästhetische Gestaltung der Serie. Besonders in den ersten Folgen könnte man meinen, die Serie spielt in Europa und nicht in den USA. Die Örtlichkeiten haben einen verfallenden Industriecharme und fordern die gängigen Sehgewohnheit auf angenehme Weise heraus.
Fazit:
Allen, die noch nichts von dieser Serie gehört haben und auch noch nach dieser Rezension nicht überzeugt sind, sei dringend empfohlen, sich die ersten drei Folgen anzusehen und dann ein Urteil zu fällen. Spätestens dann dürfte es heißen: Welcome to the Clone-Club!
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