Film:
Halloween (2018)

Film-Kritik von Dr. Michael Drewniok / Titel-Motiv: Ryan Green © Universal Pictures

Michael Myers kommt (wieder einmal) nach Haus

Genau vierzig Jahre ist es her, dass Michael Myers sich am Halloween-Tag ein Messer griff und nachts durch seine Heimatstadt Haddonfield, US-Staat Illinois schlich, um nicht nur seine Schwester, sondern diverse andere Pechvögel abzuschlachten. Entkommen ist ihm damals Laurie Strode, die den Schrecken dieser Nacht nie überwinden konnte. Obwohl Michael gefasst wurde, seither in einer Anstalt für geisteskranke Kriminelle sitzt und nie wieder verhaltensauffällig geworden ist, geht Laurie davon aus, dass er nur auf die Gelegenheit zum Ausbruch wartet, um anschließend sein Werk in Haddonfield fortzusetzen.

Laurie ist besessen von diesem Gedanken. Ihre beiden Ehen sind zerbrochen, Tochter Karen kam ins Heim, nachdem die Mutter sie gnadenlos gedrillt hatte. Wachsam sein, Nahkampf, Präzisionsschießen: Karen Jugend war ein Training für den Tag X. Mutter und Tochter sind sich fremd geblieben. Enkelin Allyson liebt dagegen ihre Großmutter, die schwerbewaffnet in ihrem zur Festung umgebauten Haus hockt und auf Michael wartet.

Der soll ausgerechnet am Jubiläums-Halloweentag in eine neue Anstalt verlegt werden. Während der Fahrt dorthin ‚erwacht‘ Michael aus seiner vorgetäuschten Apathie und attackiert Wächter und Fahrer, woraufhin der Bus im Straßengraben landet und die Insassen entweichen. Michael besorgt sich Overall und sein Markenzeichen - die Maske - und macht sich auf nach Haddonfield. Dort feiert man ahnungslos Halloween, weshalb Michael in seiner ‚Verkleidung‘ nicht auffällt. Bis die Polizei begreift, was vor sich geht, hat er bereits einige Pechvögel massakriert.

Über den abgehörten Polizeifunk erfährt Laurie vom Ausbruch. Sie begibt sich auf die Jagd nach Michael, während Dr. Sartain, Michaels Gefängnisarzt, verzweifelt versucht seinen ‚Patienten‘ zu finden, bevor dieser ‚auf der Flucht‘ erschossen wird. In dieser Hinsicht muss sich Sartain keine Sorgen machen: Obwohl Michael mehrfach verletzt wird, steht er umgehend wieder auf und setzt sein Metzel-Werk fort. Selbstverständlich endet es, wie es (dank gleich dreier Drehbuchautoren) enden muss: Die drei Strode-Frauen und Michael treffen in Lauries Haus aufeinander, wo sich ein erbarmungsloser Kampf entspinnt …

Horror-Fans sind treue Fans

Zumindest so lange sie die Kassen klingeln lassen, sind Ungeheuer tatsächlich unsterblich. Zum elften (!) Mal stülpt sich Michael Myers die berühmt-berüchtigte William-Shatner-Maske über, um Teenager zu killen. Schon zum fünften Mal tobt er speziell Laurie Stroode alias Jamie Lee Curtis hinterher, und das wird sich - es steht bereits fest - noch mindestens zweimal fortsetzen. Dass die Chronologie der ‚Serie‘ dem Prinzip „Kraut & Rüben“ folgt, ist kein Hindernis. Nachdem die „story arc“ bereits mehrfach ignoriert wurde, fallen dieses Mal sämtliche Fortsetzungen des ersten „Halloween“-Streifens von 1978 weg. Die Ereignisse schließen vier Jahrzehnte später nahtlos an diese Vorgeschichte an. Deshalb sind Laurie und Michael u. a. keine Geschwister (mehr), sondern ‚nur‘ Opfer und Täter.

Dass auf diese Weise primär Teil 8 („Halloween: Resurrection“; 2008) und die beiden von Rob Zombie verursachten ‚Neuinterpretationen (2007 u. 2009) unter den Tisch fallen, ist eine der wenigen guten Nachrichten, die sich mit der Version von 2018 verbinden lassen. Sie heißt ebenfalls „Halloween“, um schon damit die Bedeutung als einzig legitime Fortsetzung zu behaupten.

Die Faszination des „Halloween“-Filmmythos‘ ist ungebrochen. Trotz jener Enttäuschungen, die spätestens ab „Halloween III“ (1982) über die Horrorfans hereinbrachen, blieben sie Michael Myers treu. Ebenfalls rätselhaft bleibt (zumindest diesem Rezensenten), wieso „Halloween“ 2018 (im Folgenden abgekürzt als „H2018“) der erfolgreichste aller elf Halloween-Filme - einschließlich des ersten Teils, den sogar die Kritik schätzt - wurde und weltweit mehr als 250 Mio. Dollar nur an der Kinokasse einspielte! (Die womöglich nur unfreiwillig schrecklichen Folgen heißen „Halloween Kills“ und „Halloween Ends“; sie werden uns 2020 bzw. 2021 heimsuchen.)

Keine besonderen Vorkommnisse in der Nacht des Grauens

Bei nüchterner Betrachtung wird das Fragezeichen größer. Zwar glänzte bereits John Carpenter 1978 nicht gerade als Drehbuchautor. Trotzdem schuf er einen Klassiker des Slasher-Genres - dies womöglich, weil er einfach drehte = erzählte, ohne sich über eine ‚logische‘ Hintergrundgeschichte Gedanken zu machen: Michael Myers kam und killte; seine Verankerung in der Ur-Welt eines fiktiven keltischen Grauens und damit die ‚plausible‘ Erdung als unsterblich-dämonischer Bösewicht erfolgte erst später.

Regisseur David Gordon Green, der auch am Drehbuch mitschrieb, nennt die „H2018“ eine „Feinjustierung“. Das ist eine einfallsreiche Umschreibung dafür, dass er grundsätzlich wiederholt, was wir aus früheren „Halloween“-Filmen kennen. Michael soll wieder „das Ur-Böse“ sein - der „Schwarze Mann“, den man quasi weltweit kennt und fürchtet, wenn er scheinbar in der Dunkelheit auf uns lauert. Dass er kein Mitglied der Familie ist, enthebt ihn der ‚Pflicht‘, ausschließlich Stroodes aufzuschlitzen. Doch nur zu bald schnauft er wie üblich den Mitgliedern genau dieser Sippe hinterher; es ist nur einer von vielen, vielen Widersprüchen, die „H2018“ prägen.

Bis es soweit ist, geistert unser Anti-Held durch ein wunderschön fotografiertes Haddonfield bei Nacht. (Gefilmt wurde freilich in Kalifornien.) Überhaupt ist Kameramann Michael Simmonds der heimliche Held dieser Geschichte. Die Kamera ist unglaublich beweglich, Farbe, Licht und Schatten werden effektvoll eingesetzt. Man möchte sich gern auf die Bilder einlassen, doch ständig reißt einen der Szenen-Rhythmus heraus: „H2018“ wirkt wie mit der Heckenschere geschnitten. Ursprünglich lag Regisseur Green Material für 135 Filmminuten vor. Testvorführungen verliefen gar nicht gut, weshalb u. a. das Finale neu gedreht wurde. Ansonsten sollte im Schnittraum behoben werden, was das Drehbuchtrio und der Regisseur versaubeutelt hatten: eine wie so oft vergebliche Hoffnung, denn ungeachtet des in Strömen vergossenen Blutes ist „H2018“ niemals schaurig im geplanten Sinn = als Horrorfilm.

Nacht für Nerds & Nitpicker, aber ohne echten Schrecken

Was John Carpenter, der unter viel Werbe-Tamtam als „Berater“ angeheuert wurde, außer der bekannten Titelmusik (die er nur mit doppelter Geschwindigkeit abspielen lässt, weil man sie schlicht nicht verbessern kann) zu „H2018“ beitrug, bleibt ein Mysterium. Zumindest in seinen ‚guten‘ Jahren hat Carpenter Filme gedreht, die man noch heute voller Staunen anschauen kann: Er weiß also, wie man Spannung generiert.

„H2018“ bleibt in dieser Hinsicht ein Desaster. Wichtiger als eine sinnvolle Story waren offenbar die Anspielungen auf jene „Halloween“-Streifen, die „H2018“ ausdrücklich negiert. Dieser Film ist ein Fest für Nerds & Nitpicker, die dafür leben, solche Verweise zu erkennen, um sich damit untereinander ihr Filmwissen zu bestätigen. Das geht in Ordnung, wenn es nebenbei geschieht.

„H2018“ sabotiert sich stattdessen selbst durch geradezu aggressive Absurditäten. In einer besonders denkwürdigen Szene wird Dr. Sartain plötzlich zum Mörder, weil er endlich einmal wissen will, wie man sich als Massenmörder à la Michael Myers fühlt. Es gibt keinerlei Begründung dieser Tat, die einzig dazu dient, dem Geschehen eine ‚unerwartete Wendung‘ zu geben (die indes dem ersten „Scream“-Film von 1996 ‚entlehnt‘ wurde). Auch sonst fühlt man sich als Zuschauer allzu oft wie Captain „Facepalm“ Picard. Die Polizei besteht ausschließlich aus Witzfiguren, die sich in einer Papiertüte verlaufen würden. Überhaupt sind 9 von 10 Darstellern nur anwesend, um von Michael umgebracht zu werden. Dies geschieht manchmal recht drastisch, meist aber „off- screen“, weshalb „H2018“ hierzulande „ab 16 Jahren“ freigegeben ist.

Das Dorf der Deppen

Für wahre Finsternis sorgt nicht der mörderische Michael Myers, sondern eine Schar von Hauptdarstellern, deren (Film-) Tod man unisono früh herbeiwünscht. Da Green nicht genau weiß, was er dreht - eine neue „Halloween“-Geschichte oder eine „Halloween-Hommage“ - hat er die Figuren höchstens skizziert, statt sie zu zeichnen. Andi Matichak führt als Allyson Strode das Feld schlicht hirntoter ‚Jugendlicher‘ an, die ausschließlich dummes Zeug reden und sich idiotisch benehmen, wobei primär die ‚Jungs‘ unrühmlich hervorstechen.

Allysons Dad ist ein sich anbiedernder, leutseliger Trottel, Gattin Karen bleibt farblos als angeblich muttergeschädigte Tochter, um im Finale von Null auf Hundert zur Kampfmaschine zu mutieren. Als „neuer Dr. Loomis“ - so treffend verspottet von Laurie - blamiert sich Haluk Bilginer als absolut irrationaler Dr. Sartain. Wer sonst noch auftritt und nicht umgebracht wird, verschwindet irgendwann aus der Handlung; die Namen kann und will man sich nicht merken.

So stellt „H2018“ nur für die nun fünfmalige Laurie Strode Jamie Lee Curtis ein Heimspiel dar. Sie ist einerseits eine gute Schauspielerin und andererseits ein Profi, der in zahllosen B- und Trash-Movies mitgewirkt hat. Auch die Laurie-Rolle ist ärmlich geschrieben. Will Green beispielsweise ihre Michael-Obsession verdeutlichen, lässt er sie im Garten mit einer Winchester auf Schaufensterpuppen schießen. (Natürlich benutzt sie das dasselbe Modell, mit dem Schauspieler-Vater Tony Curtis 1950 in „Winchester ‘73“ feuerte.) Es bleibt kaum Zeit, um tiefe psychische Wunden darzustellen, weshalb Curtis‘ Leistung umso anerkennenswerter ist. Allein kann sie „H2018“ oder wenigstens Haddonfield nicht retten (oder Michael nicht einfach gefangen in ihrem Haus zurücklassen, sondern ihn zusätzlich mit Kugeln spicken, bis er womöglich/tatsächlich tot ist), weshalb unheilverkündend Michaels Schnaufen ertönt, als die Schlusstitel ablaufen: Es wird weitergehen - weil es sich finanziell lohnt; nicht, weil es Sinn ergibt.

Film-Informationen

Originaltitel: Halloween (USA 2018)
Regie: David Gordon Green
Drehbuch: Jeff Fradley, Danny McBride u. David Gordon Green
Kamera: Michael Simmonds
Schnitt: Timothy Alverson
Musik: John Carpenter, Cody Carpenter u. Daniel Davies
Darsteller: Jamie Lee Curtis (Laurie Strode), Judy Greer (Karen Strode), Andi Matichak (Allyson Strode), Haluk Bilginer (Dr. Ranbin Sartain), Will Patton (Officer Hawkins), Virginia Gardner (Vicky), Toby Huss (Ray Nelson), Jefferson Hall (Aaron Korey), Rhian Rees (Dana Haines), Miles Robbins (Dave), Nick Castle/James Jude Courtney („Schatten“/Michael Myers) uva.
Label/Vertrieb: Universum Pictures Germany
Erscheinungsdatum: 28.02.2019
EAN: 5053083177683 (DVD)/5053083177652 (Blu-ray)/5053083182212 (Limited Steelbook Edition/Blu-ray) /5053083179861 (Ultra HD/Blu-ray)/5053083182205 (Steelbook Ultra HD/Blu-ray)
Bildformat: 16 : 9 (2,39 : 1, anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch, Italienisch)/DVD bzw. DTS:X/DTS-HD Master Audio 7.1 (Deutsch, Englisch)/Blu-ray
Untertitel: Deutsch, Englisch, Isländisch, Italienisch, Türkisch (DVD) bzw. Deutsch, Englisch, Türkisch (Blu-ray)
Länge: 101 min. (DVD)/106 min. (Blu-ray)
FSK: 16

DVD-Features

- Zurück in Haddonfield: Das Making of von Halloween (5:50 min.)
- Die Original-Scream-Queen (2:27 min.)
- Der Klang der Angst (3:11 min.)
- Die Reise der Maske (2:27 min.)
- Das Vermächtnis von Halloween (4:14 min.)

Die Blu-ray-Ausgabe zeigt außerdem sieben erweiterte Szenen bzw. Szenen (insgesamt 14 min.), die es nicht in den Film geschafft haben.

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